# taz.de -- Übergriffe in Notfallambulanzen: Draußen bleiben | |
> Immer mehr Patient:innen kommen mit Bagatellen in die Notaufnahme. | |
> Einige werden übergriffig, um ihre vermeintlichen Rechte einzufordern. | |
Bild: Wer hier herein geht, sollte mehr haben als einen Kratzer am Finger | |
Gegenüber dem Klinikpersonal werden [1][immer mehr Patient:innen | |
handgreiflich] – das teilen Krankenhäuser in Niedersachsen, Bremen und | |
Hamburg mit. Es gibt eine gute und eine schlechte Botschaft. Die gute: Die | |
überwältigende Mehrheit der Patient:innen schlägt niemanden. Die | |
schlechte: Die Zahlen steigen, vor allem in den Notaufnahmen. | |
Dort beißt sich die Katze in den Schwanz: Sie sind immer voller mit | |
Patient:innen, die vom Hausarzt abgewiesen werden und dann mit | |
[2][Bagatellen in die Notaufnahmen kommen], die nicht dafür gedacht sind. | |
Folglich warten sie lange – und einige reagieren aggressiv, wenn es | |
schlecht läuft, auch mit körperlicher Gewalt. Die Krankenhäuser behelfen | |
sich mit Sicherheitsdiensten, Fortbildungen fürs Personal; einzelne bieten | |
auch Kurse in Selbstverteidigung an – man zuckt zusammen, wenn man es | |
liest. So weit sollte es nicht kommen. | |
Was zu tun ist? Die Krankenhäuser verweisen zu Recht auf ihre Überlastung, | |
glauben aber selbst nicht, dass sich daran kurzfristig etwas ändern wird. | |
Deshalb setzen sie auf ein strikteres Leitungssystem für die Patient:innen, | |
damit nicht so viele Bagatellfälle in der Notaufnahme sitzen. Das ist klug, | |
denn natürlich sind die Strukturen die Stellschrauben, an denen sich drehen | |
lässt. | |
Aber zugleich lohnt sich der Blick auf eine andere Struktur, nämlich die | |
Erwartungshaltung der Patient:innen. Der Sprecher der Hamburger | |
Asklepios-Kliniken sagt, dass die Bagatellpatienten in der Notfallambulanz | |
manchmal länger warten müssten, weil ernste Fälle vorgezogen würden. Diese | |
Patienten könnten dann „extrem unzufrieden“ sein. Die Bremer | |
Krankenhausgesellschaft formuliert es etwas abstrakter: Hintergrund der | |
Gewalt seien erhöhte Ansprüche der Patienten. Die Wünsche der Menschen | |
kollidierten mit einer [3][Unterversorgung der Kliniken]. | |
## Körper als Maschinen mit Garantien | |
Es ist eine große Errungenschaft, dass die meisten Menschen heute für ihre | |
Rechte eintreten, statt demütig zu warten, ob sich jemand ihrer gebrochenen | |
Knochen annimmt. Keine Frage. Statt Schmerz als Strafe Gottes zu sehen, | |
begreifen wir ihn als medizinisches Problem und auch das ist ein | |
Fortschritt. | |
Man kann etwas gegen den Schmerz tun, sagte eine Krankenschwester im | |
Krankenhaus zu mir und gab mir mehrere Schmerztabletten, für die ich | |
außerordentlich dankbar war. Und doch scheint mir, dass wir in unserem | |
Umgang mit unseren schmerzenden Körpern manchmal bereits einen Schritt | |
weiter sind. Als seien es Maschinen mit Garantien, die man einklagen kann. | |
Drückt auf diesen Knopf, verdammt, und tut es sofort, ist dann die Ansage | |
in der Notfallambulanz, dann läuft es wieder. | |
Zeitgleich mit den Meldungen über die Aggressionen gegenüber dem | |
Klinikpersonal laufen diejenigen über die Angriffe auf Feuerwehrleute und | |
Rettungspersonal ein. Auf den ersten Blick haben sie nichts miteinander zu | |
tun, auf den zweiten schon: Es sind Menschen, die in bestimmten Situationen | |
Anweisungen geben oder Leute wegschicken. | |
Das kollidiert mit einer anderen Maxime unserer Zeit, schauerlich | |
verkörpert in Breitbeinern wie Trump, Orban, Erdoğan et al.: Verschaffe dir | |
dein Recht, und wenn es kein Recht ist, dann eben das, was du haben willst. | |
Wer es nicht tut, ist selbst schuld. Und wer sich etwas sagen lässt | |
sowieso. | |
Die Notfallambulanzen sind nicht in den Händen der Trumps. Vielleicht hilft | |
ein Steuerungssystem für die Patient:innen, wobei nicht ausgeschlossen | |
scheint, dass sich die Wut dann dort entlädt. Von daher schadet es nicht, | |
genau hinzusehen, welche Grenzen hinnehmbar sind und welche nicht. | |
16 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Friederike Gräff | |
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