# taz.de -- Reaktionen auf Faesers Maßnahmenplan: Lob mit Abstrichen | |
> Zivilgesellschaftliche Initiativen begrüßen Faesers Maßnahmen gegen | |
> Rechtsextremismus. Doch manche fürchten, dass auch Linke gefährdet seien | |
> könnten. | |
Bild: Berlin, 3. Februar 2024: Demonstration gegen Rechtsextremismus | |
BERLIN taz | Vieles richtig, aber wenig neu – so lassen sich grob die | |
Reaktionen aus der antifaschistischen und zivilgesellschaftlichen Praxis | |
auf die am Dienstag vorgestellten Maßnahmen gegen Rechtsextremismus von | |
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zusammenfassen. Timo Reinfrank, | |
Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, begrüßte die Pläne, | |
kritisierte aber, dass vieles davon bereits [1][Teil des 10-Punkte-Plans | |
von 2022] gewesen sei. Auch Dinge wie die Unterbindung rechter Finanzströme | |
sowie die Entwaffnung der rechtsextremen Szene hätten längst umgesetzt sein | |
können. | |
Aus seiner Sicht blieb die drängendste Frage unbeantwortet: „Wie kann | |
unsere Demokratie in Anbetracht des Superwahljahres 2024 gegen den | |
parteiförmigen Rechtsextremismus der AfD abgesichert werden?“ Die von | |
Faeser vorgestellten Maßnahmen brauchten Zeit, die man nicht habe, so | |
Reinfrank: „Bereits heute werden Lokalpolitiker*innen | |
eingeschüchtert, Engagierte bedroht und Rechtsextreme schaffen | |
deutschlandweit ein Klima aus Hass und Hetze.“ Diese Menschen brauchten | |
jetzt konkrete Lösungen und Unterstützung – womit Reinfrank unter anderem | |
auf das noch immer nicht im Bundestag beschlossene Demokratiefördergesetz | |
anspielte, das zivilgesellschaftliche Strukturen absichern soll. | |
Zudem brauche es eine breit angelegte Bildungsoffensive für alle | |
Altersgruppen und Sozialräume sowie mehr Beteiligungsformen für | |
Demokratie. Die NGO plädierte außerdem für einen Paradigmenwechsel in | |
der politischen Kultur: „Solange die demokratischen Parteien etwa | |
Migration ebenfalls ausschließlich ressentimentgeladen und auf Abwehr | |
bedacht verhandeln, spielt das einer AfD in die Hände, die damit die | |
Parteien vor sich her treibt und die Themen setzt.“ | |
Auch für Heiko Klare vom Bundesverband Mobile Beratung, der über 50 quer | |
durch die Republik tätigen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus vertritt, | |
ist das Maßnahmenpaket nicht wirklich neu, sondern eher ein „Weckruf“ für | |
die Regierungskoalition und das Parlament: „Vieles davon haben wir schon | |
einmal gehört – die Bundesregierung müsste nun auch wirklich mal umsetzen, | |
was sie sich vorgenommen hat.“ | |
## Ohne Druck von der Straße nicht möglich | |
Klare kritisierte [2][das Feststecken des Demokratiefördergesetzes] im | |
Bundestag und damit ein mangelndes gemeinsames Vorgehen in der | |
Ampelkoalition. Während Faeser eine Pressekonferenz zu Maßnahmen gegen | |
Rechtsextremismus macht und die grüne Familienministerin Lisa Paus am | |
selben Tag eine Studie zu Hass im Netz vorstellt, wolle die FDP-Abgeordnete | |
Linda Teuteberg das Paket zur Demokratieförderung wieder aufschnüren und | |
suggeriere mit Kulturkampfrhetorik fälschlicherweise, dass mit Geldern | |
Selbstbedienungsläden für rot-grüne Vorfeldorganisationen geschaffen werden | |
sollten: „Dabei gibt es jedes Jahr zahlreiche Ausschreibungen mit klaren | |
Förderkriterien im Einklang mit Grundgesetz und Demokratie, transparente | |
Evaluationen, Verwendungsnachweise, Zwischenberichte und Trägergespräche.“ | |
Jetzt Gelder für Demokratieförderung zu blockieren, sei angesichts der | |
extrem rechten Bedrohung gefährlich, warnte Klare. Man habe in Polen und | |
Ungarn gesehen, wie schnell Demokratien demontiert werden könnten – auch | |
hierzulande stehe etwa mit der Landtagswahl in Thüringen ein Härtetest | |
bevor. | |
Klare begrüßte hingegen, dass Innenministerin Faeser (SPD) und | |
Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang die Neue Rechte und die AfD klar | |
als rechtsextreme Gefahren benannten. Lange Zeit habe es hierbei eine | |
mangelnde Offenheit gegenüber Erkenntnissen aus Wissenschaft und | |
Zivilgesellschaft gegeben, die diese Gefahr schon jahrelang beschrieben | |
hätten. Klare wertete den erhöhten Druck auch als Ergebnis der anhaltenden | |
breiten Proteste gegen Rechtsextremismus der vergangenen Wochen: „Wir wären | |
nicht an diesem Punkt, wenn es den Druck nicht gäbe.“ | |
## Gefahr auch für Linke? | |
Cornelia Kerth, die Vorsitzende Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes | |
– Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), sagte der taz, | |
dass die formulierten Ziele zwar „nett klingen“, befürchtete aber, dass | |
sich ausgeweitete Kompetenzen etwa des Verfassungsschutzes am Ende auch | |
gegen linke Organisationen richteten: So sollen künftig die Austrocknung | |
von Finanzquellen rechtsextremistischer Netzwerke nicht mehr nur auf | |
Kriterien wie „volksverhetzende und gewaltorientierte Bestrebungen“ | |
beschränkt sein, sondern das Verfassungsschutzgesetz so geändert werden, | |
dass es bei der Verfolgung extremistischer Organisationen auf schwammige | |
Kategorien wie „Gefährdungspotenzial“, „Aktionspotenzial“ und | |
„gesellschaftliche Einflussnahme“ ankomme. | |
Kerth befürchtet, dass am Ende über die [3][unterkomplexe | |
Extremismustheorie] als Grundlage für das Handeln des Verfassungsschutzes | |
auch linke Vereine unter Beschuss kommen. Ihre Sorge kommt nicht | |
überraschend: Der von NS-Verfolgten gegründete Organisation VVN-BdA war | |
selbst jahrelang in seiner Gemeinnützigkeit durch eine Einstufung durch den | |
bayerischen Verfassungsschutz als linksextrem bedroht, ebenso waren | |
Mitglieder in den 1970ern von Berufsverboten betroffen. | |
Kerth forderte die Bundesregierung stattdessen dazu auf, ihre eigene | |
Kernforderung „rechtsextreme Netzwerke zerschlagen“ ernst zu nehmen: „Die | |
AfD sitzt wie die Spinne im Netz im Zentrum dieser Netzwerke“, so Kerth. | |
Sie könne über Mandate und Mitarbeitende und möglicherweise auch bald über | |
eine parteinahe Stiftung tausende extrem Rechte einstellen und ehemalige | |
NPD-Mitglieder, Identitäre und Burschenschaftlern in einen Pool von | |
hauptamtlichen Neonazis aufnehmen. Kerth sagte deswegen: „Die | |
durchschlagendste Maßnahme gegen rechtsextreme Netzwerke wäre das Verbot | |
der AfD, weil das dem rechten Sumpf die Mittel entzieht, sich in dieser | |
Gesellschaft weiter breit zu machen.“ | |
13 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Faesers-Plan-gegen-Rechtsextremismus/!5838336 | |
[2] /FDP-bremst-Demokratiefoerdergesetz/!5920000 | |
[3] https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/20009… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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