| # taz.de -- Pferde im Karnevalsumzug: Tierquälerei für die Tradition | |
| > Trotz aller Kritik von Tierschützern laufen am Rosenmontag in vielen | |
| > Städten Pferde in den Umzügen mit. Für die Tiere ist die Party purer | |
| > Stress. | |
| Bild: Nicht ganz so flauschig wie das Original, dafür aber deutlich stressresi… | |
| Rosenmontag steht vor der Tür, und was macht die Rheinländerin in der | |
| Diaspora? Sie schreibt wenigstens etwas aus der Ferne zur Sache: Zum | |
| Beispiel, dass der Karneval nicht mehr ist, was er mal war. Und dass man | |
| nicht mehr in seine Lieblingskneipe reinkommt vor lauter Touristen. | |
| [1][Eine Tradition,] die aber tatsächlich gut weg könnte, ist die des | |
| Pferdes im Rosenmontagszug. Das Kölner Reiter-Korps Jan von Werth etwa ist | |
| schon seit 100 Jahren dabei. Lange liefen bis zu 450 Pferde insgesamt im | |
| Zug mit, und auch 2024 sind es noch 234 Stück. Ja, „Stück“, denn wie | |
| Requisiten werden sie behandelt, die schreckhaften Tiere, die elf Stunden | |
| lang den Sieben-Kilometer-Zugweg ablaufen müssen. | |
| Einige ziehen schwere Kutschen, andere tragen mehr oder weniger schlanke | |
| ReiterInnen. Vor allem aber müssen die Pferde ertragen, dass ihnen | |
| Kamellen, Pralinenschachteln, Konfetti, vielleicht Flaschen um die Köpfe | |
| fliegen. Von Lautsprecherboxen, Blaskapellen und grölenden Menschenmassen | |
| am Straßenrand ganz zu schweigen. | |
| ## Zur Not sediert aufs Fest | |
| Das ist so wenig tiergerecht wie das „vorbereitende Training“, im | |
| Gegenteil: Da kriegen die Pferde knallende Luftballons und laute Musik um | |
| die Ohren, bis sie endlich nicht mehr reagieren. Das nennt man dann | |
| „Gelassenheitstest“, und wer besteht, muss zum Zug. Da sich inzwischen aber | |
| immer mehr Pferdeverleiher weigern, herrscht ein gewisser Mangel. Da hilft | |
| man auch mal mit (verbotener) Sedierung nach. | |
| Doch gegen die Angstreflexe der sensiblen Fluchttiere hilft das nicht: | |
| Immer wieder passieren in Rosenmontagszügen schwere Unfälle, zuletzt 2018, | |
| als in Köln zwei Kutsch-Pferde durchgingen und vier Menschen schwer | |
| verletzten. 2017 ging beim Bonner Karnevalszug ein Pferdegespann durch, und | |
| in Köln kollabierte ein Pferd, das trotz einer Gelenkerkrankung eingesetzt | |
| worden war. 2023 wiederum liefen im Kölner Zug Pferde eines verurteilten | |
| Tierquälers mit. Und das, obwohl Stadt und Karnevalsvereine beteuern, wie | |
| gewissenhaft die Tierärzte kontrollieren. | |
| Seit Jahren fordern daher Tierschutzorganisationen, Pferde im Karneval zu | |
| verbieten. [2][Und stets kontert] das „Festkomitee Kölner Karneval“, das | |
| Pferd sei unverzichtbare Säule karnevalistischen Frohsinns. Reiter | |
| beteuern, man brauche die Tiere im Zug, denn „ „Pferde haben an Präsenz | |
| verloren und das Kulturgut Pferd wird überall auf den Prüfstand gestellt“. | |
| Im übrigen findet die Reiterkorpslobby: „Pferde leben auch im 21. | |
| Jahrhundert. Sie sind Lärm von Autos und Maschinen gewohnt.“ Es klingt, als | |
| sei Autoverkehr der durch Blitz-Evolution wundersam veränderte Lebensraum | |
| des Pferdes. | |
| ## Watteweiche Regeln | |
| Andere verzichten ganz auf Argumente: „Ohne Pferde ist Karneval Mist“, ließ | |
| NRW-Innenmininster Herbert Reul (CDU) 2018 nach dem schweren Kutschenunfall | |
| wissen. Sogar der Kölner Pastor Dominik Meiering vergaß 2023, dass auch | |
| Pferde zur schützenswerten Schöpfung zählen: Deren Einsatz sei „bei guten | |
| Kontrollen durchaus erlaubbar“, fand er. | |
| Dass auch Kölns Stadtrat bislang „keine Notwendigkeit für ein Verbot“ | |
| sieht, verwundert da nicht. Lediglich neue „Leitlinien zum Einsatz von | |
| Pferden in Karnevalsumzügen“ hat NRW 2020 erlassen. Sie sind so watteweich, | |
| dass sie der – auffällig erfreuten – Karnevalslobby nicht gefährlich | |
| werden: „Nach Möglichkeit“ sollen Pferde am Anfang des Zuges laufen, um | |
| Wartezeiten zu minimieren, heißt es da etwa. | |
| Was also bleibt? Öffentlichkeit. Beim diesjährigen Kölner „Geisterzug“ | |
| demonstrierte das „Netzwerk für Tiere Köln“, teils im Pferdekostüm, für | |
| pferdefreien Karneval. Der in Bonn bereits seit 2022 Usus ist. Und | |
| Düsseldorf – von Köln belächelter „Rivale – hat die Zahl der Pferde au… | |
| reduziert. | |
| 11 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
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