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# taz.de -- Die Wahrheit: Gartenschau in 100 Sekunden
> Was macht eigentlich Judith Rakers? Besuch bei der ehemaligen
> „Tagesschau“-Sprecherin nach ihrer ersten Woche im Ruhestand.
Bild: Das waren noch Zeiten: Judith Rakers als Junggemüse
Neunzehn Jahre lang hat Judith Rakers durch die Hauptausgabe der
„Tagesschau“ geführt, am vergangenen Mittwoch zum allerletzten Mal. Die
meiste Zeit ihres Tages wird die 48-Jährige fortan nicht mehr in einer
öffentlich-rechtlichen Redaktion verbringen, sondern buchstäblich im Dreck
– nein, sie wechselt nicht zum Springer-Verlag, sondern widmet sich voll
und ganz der Gartenarbeit.
Als erstes Medienteam überhaupt empfängt uns Frau Rakers nach ihrer
Demission für eine Homestory auf ihrer Scholle, stilecht mit Schürze,
Handschuhen und Strohhut. Sie winkt uns bereits zu, bevor die Klingel an
der rustikalen Holzpforte die „Tagesschau“-Melodie zu Ende gespielt hat.
„Hamburg. Als Folge nächtlichen Niederschlags in weiten Teilen
Norddeutschlands ist auch heute mit erhöhter Bodenfeuchtigkeit zu rechnen.
Dies bestätigte vor wenigen Minuten ein Blick nach unten“, erklärt Judith
Rakers in routiniert sachlichem Duktus und händigt uns zwei Paar
Gummistiefel aus. In ihnen folgen wir der Gastgeberin zu einem drei mal
drei Meter großen Stück frisch gelockerten Erdreiches.
„Guten Abend, meine Samen und Möhren“, nickt die Neu-Bäuerin in Richtung
der saftigen Muttererde. „Nach dem Ende des Bodenfrostes könne nach
Informationen des Bauernkalenders noch in dieser Woche mit der
Karottenaussaat begonnen werden. Kritik an der bisherigen Verzögerung war
vor allem vonseiten der Zwiebeln und Radieschen gekommen.“
Mit diesen Worten setzt sich Rakers an einen Tisch, der ihrem ehemaligen
Moderationsplatz täuschend ähnlich sieht. „Der?“, lächelt sie in
ungewohntem Plauderton. „Das ist das Original! Hat mir ein befreundeter
Treckerfahrer mit Stahlketten aus dem Studio gezogen. Steht mir als
Abfindung ja zu! Den Ersatz ziehen sie der Daubner wohl vom Lohn ab.“
## Rakers ganz in ihrem Element
Wie sie so vor uns sitzt, kerzengerade und mit verdecktem Unterkörper, ist
Judith Rakers wieder in ihrem Element. So ganz möchte und kann sie dem
Fernsehen nicht den Rücken kehren, gibt sie zu: „Meine Fans werden mich
weiterhin hier und da vor der Kamera erleben können, etwa bei ‚3 nach 9‘,
‚Wunderschön‘, in Sommerinterviews, auf Tagesschau 24, in Spezial-Reports,
bei der Übertragung der Fußball-EM und der Olympischen Spiele, in ‚Bauer
sucht Frau‘, ‚Ab ins Beet!‘, ‚Buten un binnen‘, ‚Rakers Fernsehen�…
Live‘ und auf ‚Rakers TV‘. Aber ansonsten war’s das. Ich muss kürzer
treten.“
Beispielsweise auf die Schnecke, die es soeben gewagt hat, sich dem
Karottenbeet zu nähern. „So wenig wie die Soft News in den Hauptnachrichten
etwas zu suchen haben, so rigoros muss man Weichtiere von der Parzelle
fernhalten“, wird uns erläutert. Ihre Leidenschaft für „Homefarming“, a…
Landwirtschaft im kleinen Rahmen und im eigenen Garten, hat Rakers im Jahr
2018 entdeckt.
„Alle im ‚Tagesschau‘-Team pflegen ihre privaten Spinnereien“, verrät …
ausgebildete Ostwestfälin. „Constantin Schreiber hat seine komischen
Islamgruselbücher, Susanne Holst verödet am Wochenende Krampfadern, Jens
Riewa spielt Maultrommel in einer Folkmetal-Band. Darauf, meinem Hobby in
Vollzeit nachzugehen, hat mich erst Jan Hofer gebracht: Der kompostiert
schließlich auch hauptberuflich vor sich hin, bei RTL.“
Ob sie froh ist, sich nicht mehr um Quoten und Faktenchecks scheren zu
müssen? „Oh, beides spielt eine große Rolle in meinem Alltag!“, stellt sie
klar. „Eine Quote von mindestens 20 Prozent Blattgemüse und 12 Prozent
Kernobst muss bis zum Herbst drin sein! Und Faktencheck betreibe ich jeden
Abend im Heimgartenforum unter dem Nicknamen ‚Raker(s)76‘. Dass man zum
Beispiel Hortensien mit rostigen Nägeln blau färben kann, habe ich ein für
alle mal widerlegt.“
## Auf Rakers Land ticken die Uhren anders
Die umtriebige Unternehmerin huscht in ihre Laube, postet eine
Instagram-Story und bereitet das Mittagessen zu. Es ist noch nicht mal elf,
doch auf dem Land ticken die Uhren anders. „Die 20-Uhr-‚Tagesschau‘ ist f…
mich inzwischen die Spätausgabe“, lacht Rakers und serviert uns eine
dampfende Suppe. „Hier ist die erste warme Mahlzeit mit dem Tagesgericht:
Hagebutteneintopf mit Winterrübchen und Einlage.“ Sie zieht einen Regenwurm
aus dem Humus und lässt ihn in die Terrine plumpsen.
„Mittelfristig möchte ich sämtliche Nahrung aus dem eigenen Grund und Boden
beziehen“, sagt Rakers. „Ich habe Kontakte zur Selbstversorgerszene
geknüpft, die Adressen hatte ich noch von einem ‚Tagesschau‘-Beitrag über
Reichsbürger. Aber hey, warum soll der Horizont nur bis zur nächsten Hecke
reichen?“
Demnächst möchte die engagierte Farmerin auch ihren Tierbestand erweitern.
„Hühner habe ich schon. Und jetzt kann ich’s ja verraten: Im NDR-Studio
habe ich jahrelang Kaninchen gezüchtet! Bei jeder
Auslandskorrespondentenschalte habe ich unter dem Moderationstisch Felle
gegerbt. Zuletzt stank es dort wie zu Karl-Heinz Köpckes Zeiten.“
Rinder, Schweine, Ziegen und Alpakas zu halten, kann sich Judith Rakers
vorstellen, „alle Angaben ohne Gewähr“, fügt sie hinzu. Und das alles von
unseren Gebühren. Nun zum Wetter.
7 Feb 2024
## AUTOREN
Torsten Gaitzsch
## TAGS
Die Wahrheit
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Garten
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Italien
Wein
Die Wahrheit
Christian Lindner
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