Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Religion in Estland: Metropolit wird ausgewiesen
> Das Oberhaupt der Estnisch-Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchat,
> Ewgeni, ist laut estnischer Behörden ein „Sicherheitsrisiko“ für das
> Land.
Bild: Metropolit Ewgeni bekommt keine Aufenthaltsgenehmigung mehr
Berlin taz | Die [1][Estnisch-Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchiat (EOK
MP)] könnte demnächst führungslos sein: Das Innenministerium in Tallinn
verweigerte dem Oberhaupt, Metropolit Ewgeni alias Waleri Reschetnikow, in
dieser Woche eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Diese läuft am
6. Februar 2024 aus. Reschetnikow ist russischer Staatsbürger.
Die Entscheidung sei gefallen, weil Reschetnikow vor allem bei seinen
öffentlichen Auftritten Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie das
Regime des Kremls gerechtfertigt habe. Trotz mehrfacher Verwarnungen des
Innenministeriums habe Reschetnikow nichts an seiner Rhetorik geändert.
Diese sei nicht mit Estlands Werten vereinbar und dem rechtlichen Rahmen
unangemessen. Daher müsse man davon ausgehen, dass Reschetnikow eine Gefahr
für die Sicherheit des Staates darstelle, heißt es in einer Presseerklärung
des estnischen Büros für Polizei und Grenzschutz (RRA).
Dessen Leiter Indrek Aru, den der estnische öffentlich-rechtliche Rundfunk
ERR zitiert, verweist in diesem Zusammenhang auch auf entsprechende
Einschätzungen der Sicherheitspolizei. Ihr zufolge rechtfertige und
unterstütze das Oberhaupt der Russischen Orthodoxen Kirche, [2][der
Moskauer Patriarch Kirill,] konsequent die blutige Aggression des
Kreml-Regimes gegen die Ukraine.
## Einstufung als Terrorstaat
Die Aktivitäten Kirills, aber auch des Metropoliten Ewgeni, hätten dazu
beigetragen, die Politik der Russischen Föderation in Estland zu verbreiten
und zu popularisieren, sagte Aru. Er erinnerte daran, dass das estnische
Parlament nach dem Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine die
Russische Föderation als Terrorstaat eingestuft habe.
Ewgeni wurde 2018 zum Metropoliten der EOK MP bestimmt und lebte fortan in
Estland. Seitdem wurde sein Aufenthaltstitel zweimal um jeweils zwei Jahre
verlängert. In der Tat war er mehrfach ins Innenministerium zitiert worden.
Bei den Gesprächen soll, Berichten estnischer Medien zufolge, auch die
Möglichkeit eines Verlustes der Aufenthaltsgenehmigung Thema gewesen sein.
Mitte Oktober 2022 wandte sich Ewgeni mit einem Brief an die Ministerien
für Justiz und Inneres – eine Reaktion auf eine Forderung von Innenminister
Lauri Läänemets, das Oberhaupt der EOK MP müsse bestimmte Aussagen des
Moskauer Patriarchen Kirill über den Krieg und die Mobilmachung
verurteilen.
In Ewgenis Schreiben heißt es: „Die Estnisch-Orthodoxe Kirche ist gegen den
Krieg, sie ist für Frieden und für eine friedliche Lösung von Konflikten
(…). Ich teile die Worte Seiner Heiligkeit Patriarch Kirill nicht, dass
Soldaten, die bei der Ausübung ihres Militärdienstes ums Leben gekommen
sind, von allen ihren Sünden rein gewaschen werden.“
## „Heiliger Krieg“
Laut ERR habe sich Innenminister Läänemets mit dieser Stellungsnahme
zufrieden gezeigt. Die Estnisch-Orthodoxe Kirche distanziere sich von den
Worten Kirills, der die Aggression gesegnet sowie gesagt habe, Wladimir
Putin sei der Heiligste aller Heiligen und der Krieg gegen die Ukraine ein
heiliger Krieg. Die Erwartungen an die Kirche seien erfüllt worden.
Am vergangenen Donnerstag klang das alles ganz anders. „Der Patriarch von
Moskau ist ein Mann des Kremls, der die Botschaften des Putin-Regimes und
die blutige Aggression, den Krieg gegen die Ukraine, stärkt. In seiner
Eigenschaft als religiöser Führer gibt er dem Krieg seinen sogenannten
heiligen Segen. Ewgeni ist dem Moskauer Patriarchen Kirill direkt
unterstellt“, sagte Läänemets.
Gleichzeitig betonte er, dass sich die Nichtverlängerung der
Aufenthaltserlaubnis einzig und allein auf Ewgeni beziehe und keinen
Versuch darstelle, sich in die inneren Angelegenheiten der EOK MP
einzumischen.
Wie es in dieser Sache jetzt weiter geht, ist derzeit noch unklar. Sergei
Mjannik, Mitglied der Synode der EOK MP sagte dem estnischen
Nachrichtenportal postimees.ee, man lebe schließlich in einer Welt, in der
remote gearbeitet werde. Ewgeni könne die Kirche von jedem x-beliebigen
Dorf in der Nähe von Moskau aus leiten. Sollte eine Neuwahl stattfinden
müssen, werde der neue Metropolit mit 99prozentiger Wahrscheinlichkeit aus
dem Kreis örtlicher, in Estland ansässiger, Geistlicher kommen.
Von den 1,3 Millionen Einwohner*innen Estlands sind Russ*innen mit
einem Anteil von rund 23 Prozent an der Gesamtbevölkerung die zahlenmäßig
mit Abstand größte Minderheit. Orthodoxe Christ*innen stellen mit 16
Prozent die größte Religionsgemeinschaft.
Neben der EOK MP, die formal über eine Autonomie gegenüber Moskau verfügt
und russisch- sowie ukrainischstämmige Gläubige vereint, gibt es seit 1996
mit der Apostolischen Orthodoxen Kirche (EAOK) eine zweite orthodoxe Kirche
in Estland. Ihr gehören orthodoxe Christ*innen estnischer Nationalität
an. Sie untersteht dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Die
Beziehungen zwischen den beiden Kirchen sind eher konfliktbeladen.
19 Jan 2024
## LINKS
[1] /Orthodoxe-Kirche-in-Estland/!5913124
[2] /Orthodoxe-Kirche-in-der-Ukraine/!5854559
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Orthodoxie
Estland
Russisch-Orthodoxe Kirche
Bulgarien
Estland
Estland
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kirchenoberhaupt in Bulgarien: Der prorussische Patriarch
Daniil heißt das neue Oberhaupt der bulgarisch-orthodoxen Kirche.
Wiederholt traf er seinen russischen Kollegen, der als enger Vertrauter
Putins gilt.
Estlands Regierungschefin Kallas: Laute Trommlerin für die Ukraine
Estlands Regierungschefin fühlt sich längst für Höheres berufen. Nun hat
Kaja Kallas immerhin erstmal den Walther-Rathenau-Preis bekommen.
Wahlen in Estland: Zwischen Krieg und Inflation
Die Partei der Regierungschefin liegt mit einem harten Kurs gegen Moskau
vorn. Die russische Minderheit wollen andere Parteien für sich gewinnen.
Orthodoxe Kirche in Estland: Kirche im Vorwahlkampf
Die orthodoxe Kirche lädt zu einem Friedensgebet in Tallinn ein. Kurz
darauf sagt sie das Vorhaben ab – man habe sich politisch vereinnahmen
lassen.
Differenzen mit Patriarch Kyrill I.: Orthodoxe unter sich
Ein neues lettisches Gesetz veranlasst die Loslösung der
lettisch-orthodoxen Kirche vom Moskauer Patriarchat. Dort ist man stramm
auf Kremlkurs.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.