# taz.de -- Estlands Regierungschefin Kallas: Laute Trommlerin für die Ukraine | |
> Estlands Regierungschefin fühlt sich längst für Höheres berufen. Nun hat | |
> Kaja Kallas immerhin erstmal den Walther-Rathenau-Preis bekommen. | |
Bild: Russ*innen zum Frühstück? Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas wir… | |
BERLIN taz | Ginge es nach Kaja Kallas, hat sie sich schon längst für | |
höhere Weihen empfohlen. Estlands Ministerpräsidentin hat ihr Interesse | |
bekundet – sowohl an [1][dem Posten des/r Nato-Generalsekretär*in], als | |
auch für die Nachfolge von EU-Chefdiplomat Josep Borrell. Eigentlich wären | |
die Osteuropäer*innen endlich auch einmal an der Reihe. Doch die | |
Chancen von Kallas, die an diesem Dienstag bei einem Besuch in Berlin mit | |
dem Walther-Rathenau-Preis für ihre außenpolitische Leistung geehrt wurde, | |
sind eher gering. | |
Die US-Zeitung Politico zitiert in einem Bericht von Anfang März eine | |
anonyme EU-Quelle: Die Idee, Kallas als EU-Spitzendiplomatin einzusetzen, | |
bleibe in manchen EU-Hauptstädten weiterhin heikel. „Ich kann mir nicht | |
vorstellen, dass Frankreich und Deutschland dem zustimmen, aus denselben | |
Gründen, aus denen sie für den Nato-Job nicht infrage kommt. Wollen wir | |
wirklich jemanden, der gern Russen zum Frühstück isst, in diese Position | |
bringen?“, heißt es da. Kallas reagierte prompt auf diese Einlassung und | |
postete ein Foto von ihrem Frühstück – ohne Russ*innen, dafür mit Müsli u… | |
Blaubeeren. | |
Dennoch: Spätestens seit dem Beginn von [2][Russlands Angriffskrieg gegen | |
die Ukraine] am 24. Februar 2022 hat Kallas den Nachbarn endgültig | |
gefressen. Das hat auch mit der eigenen Geschichte der 46-Jährigen zu tun. | |
Nach der Besetzung Estlands durch sowjetische Truppen im Juni 1940 sei auch | |
ihre Familie nach Sibirien deportiert worden, erzählte sie einmal. Alte | |
Ängste sind wohl auch der Grund dafür, dass Kallas mit den beiden anderen | |
baltischen Staaten innerhalb der EU am lautesten für die Unterstützung der | |
Ukraine trommelt. | |
Ihrer politischen Karriere voraus ging nach einem Jura-Studium eine | |
Tätigkeit als Rechtsanwältin. 2010 trat sie der liberalen Estnischen | |
Reformpartei bei, deren Gründungsvorsitzender ihr Vater Siim Kallas | |
(2002/03 Regierungschef Estlands und später auf verschiedenen Posten in der | |
EU-Kommission tätig) ist. Ein Jahr später wurde sie ins estnische Parlament | |
(Riigikogu) gewählt, 2014 dann eine von sechs estnischen Abgeordneten im | |
EU-Parlament. | |
## Kallas lässt sich nicht einschüchtern | |
Im Januar 2021 übernahm Kallas den Posten der Regierungschefin, trat jedoch | |
ein Jahr später nach einem Zerwürfnis mit ihrem Koalitionspartner, der | |
Zentrumspartei, zurück. Dennoch gelang es ihr, mit neuen Koalitionären im | |
Amt zu bleiben. Bei der Parlamentswahl im März 2023 wurde ihre Partei | |
stärkste Kraft und Kallas als Ministerpräsidentin bestätigt. | |
Ende 2023 machte Kallas negative Schlagzeilen. Ihr zweiter Ehemann, der | |
Investmentbanker Arvo Hallik, soll in dubiose Geschäfte mit Russland | |
verwickelt sein und Kallas ihm ein Darlehen in Höhe von 350.000 Euro zur | |
Verfügung gestellt haben. Schnell wurden Rücktrittsforderungen laut, Kallas | |
Zustimmungswerte stürzten ab. Mittlerweile scheint sich die Aufregung | |
gelegt zu haben. | |
Seit Mitte Februar 2024 kann sich Kallas, die Mutter eine Sohnes ist, eine | |
weitere, wie viele sagten, Ehrenmedaille ans Revers heften. Da tauchte ihr | |
Name auf einer Fahndungsliste des russischen Innenministeriums auf – | |
mutmaßlich, weil Kallas sich für die Entfernung von Denkmälern für | |
sowjetische Soldaten im Zweiten Weltkrieg eingesetzt hatte. Der | |
Fahndungsaufruf kümmert sie nicht. Sie lasse sich nicht von Wladimir Putin | |
einschüchtern, sagte Kallas. Von ihr wird auch künftig zu hören sein – in | |
welchen Job auch immer. | |
19 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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