# taz.de -- Kirchenoberhaupt in Bulgarien: Der prorussische Patriarch | |
> Daniil heißt das neue Oberhaupt der bulgarisch-orthodoxen Kirche. | |
> Wiederholt traf er seinen russischen Kollegen, der als enger Vertrauter | |
> Putins gilt. | |
Bild: „Aus Sofia mit Liebe zu Moskau“, schrieb eine Zeitung zum neuen Oberh… | |
Berlin taz | Vor allem offizielle Vertreter, aber auch viele Gläubige der | |
orthodoxen Kirchen in der Ukraine dürften am vergangenen Sonntag gebannt | |
auf die bulgarische Hauptstadt Sofia geblickt haben. Die dortige orthodoxe | |
Kirche bestimmte ihr Oberhaupt. Im zweiten Wahlgang mit 69 zu 66 Stimmen | |
konnte sich Metropolit (eine Art Oberbischof) Daniil – mit bürgerlichem | |
Namen Atanas Trendafilow Nikolow – gegen seinen Konkurrenten durchsetzen. | |
„Aus Sofia mit Liebe zu Moskau“, betitelte die oppositionelle | |
russischsprachige Novaya Gazeta Europe einen Beitrag über den Kirchenmann. | |
Diesem wird nachgesagt, prorussisch zu sein – und das zu Recht. So traf er | |
in der Vergangenheit in Moskau wiederholt mit Kirill, Patriarch der | |
russisch-orthodoxen Kirche, zusammen – ohne Erlaubnis der Synode und des | |
Patriarchen in Sofia. [1][Kirill, ein enger Vertrauter von Russlands | |
Präsidenten Wladimir Putin,] ist ein erklärter Unterstützer des | |
Angriffskrieges gegen die Ukraine. | |
Als die Behörden in Sofia im September 2023 einen Vertreter der | |
russisch-orthodoxen Kirche in Sofia namens Vassian sowie zwei weitere | |
Geistliche wegen Spionageverdachts auswiesen, regierte Daniil mit Empörung. | |
„In dieser schwierigen politischen Zeit gilt es, daran zu erinnern, dass | |
politische Vorurteile, Parteien, Ideologien, politische Allianzen und | |
Koalitionen vorübergehen werden. Bleiben wird nur die Wahrheit und Liebe | |
Christi, die die Grundlage unserer persönlichen und nationalen Sicherheit | |
sind“, sagte Daniil damals. | |
Der 52-Jährige stammt aus der Kleinstadt Smoljan. Sein Vater arbeitete für | |
die Staatssicherheit im damals kommunistischen Bulgarien. Nach dem | |
Wehrdienst, den Daniil bei den Grenzschutztruppen ableistete, schrieb er | |
sich 1996 an der Sofioter Universität für englische Philologie ein. Im Jahr | |
darauf wechselte er zur theologischen Fakultät, die er 2002 mit einem | |
Fernstudium abschloss. | |
## Mehrere Jahre in Klöstern gelebt | |
Zwischenzeitlich hatte er mehrere Jahre in Klöstern gelebt. 2008 wurde | |
Daniil zum Bischof geweiht. Von 2011 bis 2018 diente er als Vikar in der | |
Diözese der bulgarisch-orthodoxen Kirche für die USA, Kanada und | |
Australien. 2018 wurde er in der Stadt Widin in den Rang eines Metropoliten | |
erhoben. Immer wieder setzte er sich dafür ein, an Schulen Religion in den | |
Lehrplan aufzunehmen. | |
Mit Leidenschaft und Ausdauer zieht Daniil immer wieder gegen die Orthodoxe | |
Kirche der Ukraine (PZU) zu Felde, die der Ökumenische Patriarch von | |
Konstantinopel, Bartholomäus I., 2019 für eigenständig erklärt hatte. Neben | |
dieser Kirche gibt es noch die ukrainisch-orthodoxe Kirche (UPZ, früher | |
Moskauer Patriarchiat). Daniil erkennt die Entscheidung von 2019 nicht an. | |
Über [2][Russlands Krieg gegen die Ukraine] sagte er 2022, kein | |
Konfliktbeteiligter könne von dem Geschehen entlastet werden und seine | |
Taten auf Kosten des anderen rechtfertigen. So seien Tendenzen zu | |
beobachten, Hass auch in der bulgarischen Gesellschaft zu säen gegenüber | |
einer Kriegspartei, die als einziger Aggressor bezeichnet werde, so Daniil. | |
Das ist eine vornehme Umschreibung dafür, dass die Ukraine mindestens | |
genauso viel Anteil am Ausbruch des Krieges 2022 sowie den fortlaufenden | |
Kampfhandlungen habe wie Russland. | |
„Wir hoffen, dass Ihre Heiligkeit weiterhin die Stimme der | |
bulgarisch-orthodoxen Kirche gegen russische Verbrechen erheben wird – im | |
Namen des Sieges der Wahrheit und eines gerechten Friedens für die Ukraine, | |
Europa und die Welt“, sagte Epiphanius, Metropolit der PZU, als Reaktion | |
auf die Wahl Daniils. Doch das dürfte ein frommer Wunsch bleiben. | |
4 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
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