| # taz.de -- Wahlen in Bulgarien: Kein Ausweg aus der Krise | |
| > Bulgar*innen wählten gleich zweimal: für das nationale und das | |
| > EU-Parlament. Noch werden Stimmen gezählt. Doch die Lage ist schon jetzt | |
| > wieder heikel. | |
| Bild: Rentner*innen-Star Bojko Borissow | |
| Berlin taz | Wie sind die Wahlen in Bulgarien ausgegangen? Die | |
| Wähler*innen mussten sich gedulden, das Auszählen wollte kein Ende | |
| nehmen. Auch am Montagmittag meldete das bulgarische Nachrichtenportal | |
| mediapool.bg, dass laut der Zentralen Wahlkommission erst 77,8 Prozent der | |
| Stimmzettel ausgezählt oder entsprechende Protokolle erstellt worden seien. | |
| Unter dem Motto „zwei in eins“ waren die Bulgar*innen am Sonntag nicht | |
| nur dazu aufgerufen, 17 Abgeordnete für das Europäische Parlament zu | |
| bestimmen, sondern [1][auch über die Zusammensetzung ihrer Volksvertretung | |
| zu entscheiden – zum sechsten Mal innerhalb von drei Jahren]. | |
| Ersten vorläufigen Ergebnissen zufolge werden dem neuen bulgarischen | |
| Parlament sieben Parteien angehören. Auf dem ersten Platz landete die | |
| rechtszentristische Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung | |
| Bulgariens“ (GERB) [2][des ehemaligen Ministerpräsidenten Bojko Borissow.] | |
| Sie kam auf 24,08 Prozent der Stimmen. | |
| Zweitstärkste Kraft, so sich der bisherige Trend bestätigt, wurde die | |
| „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS), die sich vor allem als | |
| Interessenvertreter*in der türkischen Minderheit versteht. Sie | |
| erreichte 15,8 Prozent, dicht gefolgt von dem pro-europäischen liberalen | |
| Bündnis aus „Wir setzen die Veränderungen fort“ (PP) und „Demokratisches | |
| Bulgarien“ (DB). | |
| ## Überraschung des Abends | |
| Die PP-DB, die mit GERB nach den letzten Parlamentswahlen im April 2023 | |
| eine Koalition gebildet hatte, konnte 14,99 Prozent für sich verbuchen. Für | |
| die rechtsradikale Partei Wasraschdane („Wiedergeburt“) stimmten 14,26 | |
| Prozent. | |
| Völlig unerwartet nahm auch die Partei Velitschie (Größe) die | |
| Vierprozenthürde. Sie erreichte knapp fünf Prozent und sorgte für die | |
| Überraschung des Abends, wie der bulgarische Politikwissenschaftler Ognjan | |
| Mintschew dem Bulgarischen Fernsehen (BNT) sagte. Velitschie war erst im | |
| März 2023 registriert worden. Einer der Gründer, Ivelin Michailow, | |
| verantwortet den Bau der Touristenattraktion „Historischer Park“ in der | |
| Nähe von Varna. Dieser soll über Finanzpyramiden gelaufen sein. | |
| Michailows Name – er unterhielt bis 2023 enge Beziehungen zu dem Chef von | |
| Wasraschdane, Kostadin Kostadinow –, taucht auch in Berichten des | |
| Innenministeriums über Schulungsmaßnahmen einer paramilitärischen Gruppe in | |
| einem Sportverein auf. Velitschie vertritt euroskeptische sowie | |
| prorussische Positionen und organisiert Proteste gegen Militärhilfe, die | |
| Sofia an die Ukraine liefert. | |
| Bei der Wahl zum EU-Parlament zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Auf GERB | |
| entfallen 23,18 Prozent, gefolgt von der PP-DB mit 15,1 Prozent. Die Partei | |
| Wiedergeburt erhielt 14,4, die DPS 15,11 Prozent. Die „Bewegung für Rechte | |
| und Freiheiten“ landete bei 13,1 Prozent. | |
| ## Schwierige Regierungsbildung | |
| Was die Bildung einer neuen Regierung in Bulgarien angeht, dürfte es erneut | |
| schwierig werden. Die große Frage sei jetzt, wie Bulgarien aus dieser | |
| Krisensituation herauskomme, zitiert mediapool.bg den Politologen Teodor | |
| Slawew. Auch diese Wahlen hätten nur die politische Krise verschärft. „Sie | |
| haben kein einziges Problem gelöst, sondern eine Reihe neuer Probleme | |
| aufgeworfen“, so Slawew. | |
| Besonders für Bojko Borissow ist die Lage heikel. Ein möglicher | |
| Koalitionspartner wäre die DPS. Doch deren Ko-Chef ist Deljan Peewski, | |
| gegen den die USA und Großbritannien in Zusammenhang mit Korruptionsfällen | |
| Sanktionen verhängt haben. Ob Borissow bereit ist, mit einem derartigen | |
| Juniorpartner auch einen persönlichen Imageschaden zu riskieren, ist noch | |
| nicht ausgemacht. | |
| 10 Jun 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Barbara Oertel | |
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