# taz.de -- Kinotipp der Woche: Immer mit der Bahn | |
> Bewegt im Bewegtbild und fast schon ein eigenes Genre: Die Filmreihe | |
> „Einsteigen bitte!“ im Zeughauskino zeigt Zugfilme aus 100 Jahren. | |
Bild: Szene aus „Rheingold“ (R: Niklaus Schilling, BRD 1978) | |
Das Fahren mit dem Zug in Deutschland ist ja schon lange nichts mehr, was | |
man mit positiven Emotionen verbindet. Verspätungsexzesse und unfähige | |
Verkehrsminister haben dafür gesorgt, dass man sich über die Bahn nur noch | |
entweder schrecklich aufregt oder über sie Witze macht. Der Satz „Ich bin | |
zufrieden mit der Deutschen Bahn“ ist sicherlich so rar wie die Aussage | |
„Ich bin zufrieden mit der Politik der Ampel-Regierung.“ | |
Deswegen kommt die wunderbare Filmreihe „Einsteigen bitte!“, [1][die vom 3. | |
Februar bis zum 3. März im Zeughauskino läuft], gerade zur richtigen Zeit, | |
um zu zeigen, dass man die Bahn trotzdem noch nicht aufgeben sollte. Man | |
braucht sie ja schließlich noch für die Verkehrswende und vielleicht wird | |
das irgendwann sogar auch ein für diese zuständiger Minister kapieren. | |
In den kuratierten Filmen – alles deutsche Produktionen aus den letzten 100 | |
Jahren – wird die Liebe oder zumindest Nähe des Kinos zur Bahn | |
dokumentiert. Zugfilme sind ja schon fast ein eigenes Genre. | |
Ähnlich wie Roadmovies zeigen sie wechselnde Landschaften und vermitteln | |
gerne ein gewisses Gefühl von Freiheit – spielen aber gleichzeitig in | |
beengten Zugabteilen, so auch „Rheingold“ (1978) von Niklaus Schilling und | |
zeigen allein schon dadurch, dass das Versprechen, sich ungebunden voran | |
bewegen zu können, oft so illusionär ist wie der Traum vom zwanglosen Leben | |
im größten aller Roadmovies, der traurigen Biker-Ballade „Easy Rider“. | |
„Rheingold“ handelt von Elisabeth, die mit einem Diplomaten verheiratet ist | |
und in den besseren Kreisen verkehrt. In der Welt, in der sie sich bewegt, | |
hat sie schön zu sein und möglichst keine eigene Meinung zu haben. | |
Im Zug „Rheingold“, der durch die schönen Landschaften im Rheintal mit all | |
den pittoresken Burgen fährt, trifft sie ihren alten Schulfreund Wolfgang | |
wieder, der in dem Zug als Speisewagenkellner arbeitet. Die beiden beginnen | |
eine leidenschaftliche Affäre und reisen immer und immer wieder gemeinsam | |
im „Rheingold“. Aber ihr Glück werden die beiden nicht finden. | |
Regisseur Niklaus Schilling zeigt die alte BRD, in der Frauen von ihren | |
Männern noch klar gemacht wurde, wo ihr Platz ist. Der Zug „Rheingold“ wird | |
bei ihm zur perfekten Verkörperung einer traditionsseligen Gesellschaft | |
samt ihren Standesdünkeln. Wer hier in der Ersten Klasse fährt, blickt | |
unbedingt herab auf jemanden, der wie Wolfgang seinen Speisewagen durch den | |
Zug schiebt. | |
Die Reihe „Einsteigen bitte!“ ist aber nicht nur eine Reise durch die | |
Bahnstrecken der BRD, sondern es wird auch etwa der DDR-Spielfilm „Kaskade | |
rückwärts“ (1984) und eine ganze Reihe an Dokumentationen über die Deutsche | |
Reichsbahn der DDR gezeigt. | |
Filme aus dem Dritten Reich sind ebenfalls zu sehen, etwa der erstaunliche | |
Industriefilm „Das Stahltier“ (1934). Dessen Regisseur Willy Zielke hat | |
ganz offensichtlich bei Sergei Eisensteins Werken studiert, wie man mit der | |
Technik der Bildmontage eindrucksvolle Sequenzen schaffen kann und zeigt | |
sich als großer Meister in dieser Disziplin. Die die Reichsbahn verbot den | |
Film. | |
Der Zug im „Dritten Reich“, zu diesem Thema würden einem auch noch ganz | |
andere Aspekte einfallen. Aber „Einsteigen bitte!“ ist eindeutig als | |
Hommage auf die Eisenbahn konzipiert, weswegen Filme, in denen Menschen in | |
Viehwaggons in Richtung Auschwitz rollen, hier nicht vorkommen. Dass die | |
Züge sogar als die eigentliche Stars betrachtet werden sollen, zeigt sich | |
allein schon daran, dass auf der Homepage des Zeughauskinos bei jedem Film | |
die genaue Typenbezeichnungen der jeweils zu sehenden Schienenfahrzeuge | |
aufgeführt werden. | |
31 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.dhm.de/zeughauskino/filmreihe/einsteigen-bitte/ | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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