| # taz.de -- Baerbock in Südostasien: Gefeiert und gefordert | |
| > Außenministerin Annalena Baerbock macht Station in Südostasien und will | |
| > über China und Fachkräfte sprechen. Doch der Nahost-Konflikt holt sie | |
| > ein. | |
| Bild: Grüne Ministerin hat Spaß an Drohnen: Annalena Baerbock übt in Manila … | |
| Manila/Kuala Lumpur taz | „Es war ein Der-die-das-Horror.“ Mit diesen | |
| Worten fasst Lolita Echaluse ihre ersten Monate in Deutschland zusammen. | |
| Das war vor sieben Jahren. Um als Pflegefachkaft zu arbeiten, kam sie | |
| damals von den Philippinen nach Berlin. „Es gab viele Herausforderungen“, | |
| sagt Echaluse. Die Sprache, die Kultur, die Arbeitsweise im Pflegeheim. „Es | |
| war sehr hart für mich.“ Jetzt arbeitet sie in einem Krankenhaus in Mainz | |
| und will auch andere ermutigen, [1][als Fachkräfte für Gesundheit und | |
| Pflege in Deutschland zu arbeiten]. | |
| Echaluse fordert nicht nur eine gute Vorbereitung mit Sprachkursen zu Hause | |
| auf den Philippinen, sondern auch mehr Betreuung vor Ort, zum Beispiel, um | |
| bürokratischen Papierkram, Visafragen, den Aufenthaltstitel zu klären. Oder | |
| auch im Umgang mit Kolleg:innen. „Es geht um einen Clash der Kulturen“, | |
| sagt Echaluse. „Und wir haben keine Idee und keine Erfahrung, wie wir damit | |
| umgehen sollen.“ | |
| Ihren Appell richtet Echaluse an Außenministerin Annalena Baerbock. | |
| [2][Nach vier Tagen im Nahen Osten] ist die Grünen-Politikerin in | |
| Südostasien unterwegs. Die Philippinen, Malaysia und Singapur stehen auf | |
| ihrem Programm. In Manila moderiert Baerbock einen runden Tisch, an dem | |
| auch Pflegerin Echaluse sitzt. Das Goethe-Institut ist bei dem Termin in | |
| einem Ausbildungszentrum dabei, eine Porsche-Vertreterin, Verbandsleute, | |
| die sich um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Philippinen und | |
| Deutschland kümmern. | |
| Rund 12 Millionen Filipinos arbeiten im Ausland. Viele davon in der Pflege | |
| und im Gesundheitssektor oder in der Automobilindustrie. Schätzungen | |
| zufolge machen ihre Rücküberweisungen etwa 10 Prozent des | |
| Bruttoinlandsprodukts aus. „Es geht nicht um einen Braindrain hier im | |
| Land“, sagt die Außenministerin. Viel mehr wünsche sie sich, dass eines | |
| Tages im Austausch auch mehr deutsche Staatsbürger:innen auf den | |
| Philippinen arbeiten. | |
| ## Deutschland muss sich um Fachkräfte bemühen | |
| Arbeitsmigration im besten Sinne also. Aber die Realität zeigt auch: Der | |
| Fachkräftemangel in Deutschland ist eklatant, und vor allem im | |
| Gesundheitsbereich wird dringend Personal gesucht. Personal, das es auf den | |
| Philippinen gibt und Deutschland ist aufgrund der jahrzehntelangen | |
| Beziehungen ein möglicher Arbeitsort. Auch Australien, Kanada, | |
| Großbritannien werben um die Fachkräfte. Dort fällt die Sprachbarriere weg | |
| – Englisch ist eine der Hauptsprachen auf den Philippinen –, die Löhne sind | |
| vielerorts auch höher. Im Anschluss an den Roundtable unterzeichnen beide | |
| Länder eine gemeinsame Erklärung, Ausbildung und Integration zu | |
| verstetigen. | |
| Ob bei der Küstenwache oder in einem Ausbildungszentrum für | |
| Mechatroniker:innen: Überall hängen riesige Plakate mit Baerbocks Foto. | |
| Während [3][der Empfang in Ägypten] eher frostig war, herrscht viele | |
| Tausend Kilometer entfernt Feierstimmung. Von der deutschen politischen | |
| Chefetage wird die Region Südostasien eher spärlich behandelt. Zehn Jahre | |
| lang war kein Außenminister auf den Philippinen zu Besuch, zuletzt | |
| war Guido Westerwelle (FDP) in dieser Funktion vor Ort. Dabei gibt es neben | |
| wirtschaftlicher Zusammenarbeit auch etliche sicherheitspolitische Fragen, | |
| die Deutschland, die die Europäische Union betreffen. | |
| China – dieses Wort wird von den Philippinen kaum ausgesprochen. Also | |
| spricht auch Baerbock lieber vom „raueren Wind, der über das südchinesische | |
| Meer weht“. Konflikte um Territorien und besetzte Gebiete, um die | |
| Spratly-Inseln und Paracel-Inseln gibt es seit Jahrzehnten. Doch während | |
| die Philippinen, Malaysia, Vietnam, Indonesien und Brunei sich bestimmt, | |
| aber diplomatisch einigen können, geht China deutlich aggressiver vor. | |
| Und beansprucht den größten Teil des Gebietes für sich. Einen | |
| entsprechenden UN-Schiedsspruch zu einem Seerechtsübereinkommen von 2016 | |
| erkennt China nicht an. Wie die philippinische Küstenwache der | |
| Außenministerin bei ihrem Besuch bestätigte, setzte die chinesische | |
| Küstenwache 2023 mehrfach Wasserkanonen gegen philippinische Fischerboote | |
| ein oder blendete sie mit Lasern. Und das in der philippinischen | |
| Wirtschaftszone. Solche riskanten Manöver verletzten Rechte und | |
| wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten der Philippinen und anderer | |
| Anrainer, betont die Außenministerin. | |
| ## Deutschland unterstützt Bombardierung von Huthi-Posten | |
| Das Gebiet ist wegen der Fischgründe interessant, wegen Erdgas und | |
| Erdölvorkommen und ist als Seehandelsweg für die internationale Schifffahrt | |
| wichtig. „Solche Ansprüche sind nicht vom Völkerrecht gedeckt“, sagt | |
| Baerbock zum Gebahren Chinas. „Weltweit zeigen wir Flagge für eine | |
| regelbasierte Weltordnung.“ Im März will der philippinische Präsident | |
| Ferdinand Marcos nach Berlin kommen. | |
| Deutschland unterstützt die philippinische Küstenwache mit Drohnen und | |
| Trainings, um die maritime Sicherheit zu stärken. Viel ist es nicht, was | |
| die Bundesregierung tun kann, außer die Vorfälle anzusprechen und | |
| öffentlich anzuprangern. Noch während die Außenministerin in Manila zu | |
| Besuch ist, reagiert China. Länder, die nicht zu der Region gehörten, | |
| hätten kein Recht, sich in die Angelegenheiten Chinas und relevanter | |
| Staaten im Südchinesischen Meer einzumischen. | |
| [4][Rund 9.000 Kilometer von Israel] entfernt holt der Krieg im | |
| Gazastreifen Baerbock in Südostasien ein. Auch philippinische | |
| Staatsangehörige wurden am 7. Oktober 2023 von der Terrormiliz Hamas | |
| verschleppt, vier wurden ermordet. Zudem werden 17 Seeleute von der | |
| jemenitischen Rebellengruppe Huthi gefangen gehalten. In der Nacht zu | |
| Freitag bombardierten die USA, Großbritannien und weitere Verbündete | |
| Stellungen der Miliz im Jemen. | |
| Die Huthi haben sich mit der radikalislamischen Hamas im Gazastreifen | |
| solidarisch erklärt und attackierten mehrfach Schiffe vor der von ihnen | |
| kontrollierten Küste. Viele Frachter meiden nun das Rote Meer und den | |
| Suezkanal und fahren einen Umweg um Südafrika, was zu höheren Kosten führt. | |
| ## Malaysia unterstützt Völkermord-Klage gegen Israel | |
| In der Zwischenzeit ist Baerbock im malaysischen Kuala Lumpur angekommen. | |
| Die Bundesregierung unterstützt die Bombardierungen der Huthi-Stellungen | |
| politisch und sieht sie im Einklang mit UN-Recht. Einen Einsatz der | |
| Bundeswehr sagt Baerbock an diesem Freitag aber nicht zu. Dies werde auf | |
| europäischer Ebene derzeit besprochen, so formuliert sie es. Kurz vor | |
| Weihnachten gab es schon einmal die Debatte, ob die deutsche Marine sich an | |
| einem Einsatz im Roten Meer beteiligen könnte und sollte. | |
| Dafür wäre allerdings ein Mandat des Bundestags notwendig. Konkreteres | |
| ergab sich bisher nicht. Was die Außenministerin jedoch bereits in | |
| Jerusalem am vergangenen Sonntag zugab, ist, dass deutsche Eurofighter von | |
| Saudi-Arabien im Kampf gegen die Huthi eingesetzt werden. Zum Schutz der | |
| Handelsrouten im Roten Meer. Mit ihrem Solidaritätskurs gegenüber Israel | |
| und ihrer Forderung für humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen, | |
| mit dieser Haltung kommt Baerbock in Malaysia nicht weit. | |
| Hier positioniert man sich eindeutig für die Palästinenser:innen und | |
| sieht die Hamas auch als Widerstandsorganisation. „Das Leid der | |
| Palästinenser können wir nur beenden, wenn wir auch das Leid der Israelis | |
| beenden“, sagt Baerbock nach einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Mohamad | |
| Hasan. Malaysia unterstützt zudem die Völkermord-Klage Südafrikas gegen | |
| Israel vor dem Internationalen Gerichtshof. | |
| An diesem Freitag wurden israelische Vertreter:innen vor Gericht | |
| befragt. Der Vorwurf wiegt schwer, dass Israel wissentlich einen Völkermord | |
| an den Palästinenser:innen im Gazastreifen begehe. International | |
| bekommt die Klage viel Zuspruch. In Malaysia – mehr als 60 Prozent der | |
| Menschen gehören dem Islam an – zeigt sich erneut, dass das | |
| Selbstverteidigungsrecht Israels keineswegs gesetzt ist. | |
| 12 Jan 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tanja Tricarico | |
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