# taz.de -- Diplomatie im Gaza-Krieg: Baerbock als mediale Randnotiz | |
> Der Besuch der Außenministerin in Ägypten wird in den dortigen Medien | |
> kaum diskutiert. Das spiegelt die Frustration über die deutsche Politik | |
> wider. | |
Bild: Annalena Baerbock vor dem Grenzübergang zum Gazastreifen in Rafah | |
Kairo taz | Der Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock am | |
ägyptischen Grenzübergang Rafah wurde von den lokalen Medien lediglich kurz | |
vermeldet. Bei ihrem Besuch am Dienstag forderte sie einen besseren Zugang | |
für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen. Auch in den überregionalen | |
arabischen Medien taucht die Reise Baerbocks bestenfalls in ein paar Zeilen | |
in den Live-Tickern auf. Es gibt keine Kommentare oder Analysen. | |
Das ist ein Zeichen dafür, wie unwichtig Deutschland inzwischen bei allen | |
Vermittlungsversuchen rund um den Gazakrieg geworden ist. Aus arabischer | |
Sicht hat sich die Bundesregierung mit ihrer [1][einseitigen | |
Positionierung] zu Israel auf das Abstellgleis gefahren. | |
Verglichen mit der gleichzeitig stattfindenden Shuttlediplomatie von | |
US-Außenminister Antony Blinken bleibt Deutschlands oberste Diplomatin im | |
Schatten. Zwar ist die arabische Öffentlichkeit auch über die USA | |
enttäuscht. Sie kritisiert deren finanzielle und militärische Unterstützung | |
für Israel sowie deren Außenpolitik. | |
Gleichzeitig herrscht aber auch ein pragmatisches Verständnis für den | |
Einfluss der USA, den Krieg stoppen zu können. Die englische [2][Webseite | |
von Al-Ahram] nennt Blinken deshalb „den Elefanten am Verhandlungstisch“. | |
Baerbocks Nahostreise bleibt da lediglich eine Randnotiz. | |
Auf den sozialen Medien kursiert ein Foto, das die deutsche Außenministerin | |
beim Ausstieg über die Rampe einer deutschen Militärmaschine am Flughafen | |
al-Arisch im ägyptischen Nordsinai zeigt. Hinter ihr sind Paletten mit | |
humanitärer Hilfe und mit Aufklebern der deutschen Flagge zu sehen. Sie | |
sind für den Gazastreifen bestimmt. Das wird als Heuchelei gewertet. | |
„Nahrungsmittel und Medikamente an die Palästinenser und Waffen an Israel“, | |
lautet ein auf dem Kurznachrichtendienst X oft wiederholter arabischer | |
Kommentar dazu. | |
Vorwurf der Doppelmoral | |
Die Deutsche Botschaft in Kairo hatte ebenfalls auf X am 29. Dezember auf | |
Arabisch vermeldet: „Deutschland ist sich der Notlage der Menschen in Gaza | |
bewusst und hat seine humanitäre Hilfe an die Palästinenser um 24 Millionen | |
Euro erhöht.“ | |
Die arabischen Antworten unter dem Tweet sprechen Bände. Der ägyptische | |
Menschenrechtler [3][Hossam Bahgat] schrieb beispielsweise ironisch: „Wir | |
sind sehr bewegt von eurer Menschlichkeit und eurem Mitgefühl“ und heftete | |
eine Reuters-Meldung an, wonach sich die deutschen Waffenexporte an Israel | |
letztes Jahr verzehnfacht hätten und die Exportlizenzen an Israel seit dem | |
7. Oktober prioritär behandelt würden. 185 von 218 Lizenzen seien seit dem | |
7. Oktober gewährt worden. | |
Gleichzeitig betrug die Gesamtsumme der humanitären Hilfe für die | |
Palästinensergebiete im Jahr 2023 gut 211 Millionen Euro. Die Mittel sollen | |
unter anderem für Nahrungsmittelhilfe, medizinische Versorgung und | |
Traumabehandlung eingesetzt werden. | |
Verweigerung der Zusammenarbeit | |
Bahgat, der die [4][Egyptian Initiative for Personal Rights] leitet, eine | |
der letzten aktiven Menschenrechtsorganisationen in Ägypten, hatte bereits | |
Ende Oktober erklärt, jegliche Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung | |
auszusetzen. Die deutsche Haltung stelle die gemeinsamen Werte zwischen | |
Menschenrechtsaktivisten ernsthaft in Frage, argumentierte er. Inzwischen | |
verbreitet er auch Aufrufe, die Zusammenarbeit mit deutschen | |
Kulturorganisationen ganz zu verweigern. | |
Verärgert sind die wenigen verbliebenen Menschenrechtsaktivisten in Ägypten | |
auch über eine Entscheidung der Bundesregierung, die Finanzierung des | |
[5][Center for Egyptian Women’s Legal Assistance] (CEWLA) zu beenden. Deren | |
Chefin, Azza Suliman, hatte zuvor eine Erklärung unterzeichnet, in der zu | |
einem Ende des Krieges im Gazastreifen und zum Abbruch der Beziehungen mit | |
Israel und zu dessen Boykott aufgerufen wurde. Es gehe kein eindeutiger | |
Nutzen für Deutschland von der Finanzierung von CEWLA aus, erklärte die | |
deutsche Seite. Das Projekt der ägyptischen Organisation konzentriert sich | |
auf die Bekämpfung von Frauenhandel. | |
10 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Israels-Krieg-in-Gaza/!5981361 | |
[2] https://english.ahram.org.eg/NewsContent/50/1204/515343/AlAhram-Weekly/Opin… | |
[3] https://twitter.com/hossambahgat?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ct… | |
[4] https://eipr.org/en | |
[5] https://grassrootsjusticenetwork.org/connect/organization/the-center-for-eg… | |
## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
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