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# taz.de -- Landratswahl in Thüringen: Eine Gegenveranstaltung der AfD
> Der Saale-Orla-Kreis wählt am Sonntag einen Landrat. Trotz seines
> Kontakts zu Reichsbürgern hat der AfD-Kandidat Uwe Thrum gute Chancen.
Bild: Vor der Landratswahl am Sonntag, den 14.12024, im Saale-Orla-Kreis
Schleiz/Berlin taz | Unter rhythmischem Getrommel wiegen sich die Fahnen
auf dem Neumarkt in Schleiz. Vorweg läuft Frank Haußner, Aktivist der
Reichsbürgerszene, mit grüner Fahne seiner Gruppe „Freies Thüringen“.
Dahinter folgen zwei blaue AfD-Fahnen. Es ist kalt an diesem Samstag, eine
Woche vor der Landratswahl im Saale-Orla-Kreis. Vier Kandidat*innen
werben um Stimmen. Uwe Thrum, der von der AfD, hat gute Chancen. Dass er
Kontakte in die Reichsbürgerszene pflegt, schadet seinem Rückhalt offenbar
nicht.
Es gibt ein Video von Thrum, das ihn zusammen mit [1][Heinrich XIII. Prinz
Reuß an einem Bistrotisch] zeigt. Reuß wurde 2022 mit gut zwei Dutzend
Mitverschwören festgenommen, weil sie mutmaßlich einen Putsch in
Deutschland planten.
Außerdem organisiert Thrum immer wieder politische Veranstaltungen mit
Frank Haußner. Der forderte mit Blick auf Heinrich XIII. Prinz Reuß
Gesinnungsgenoss*innen auf: „Lasst uns als nachgewiesene Deutsche,
entsprechend unserer Abstammung, der Staatssimulation BRD den Rücken
kehren.“ Wie Thrum zu der politischen Ausrichtung Haußners steht, wollte er
auf Anfrage der taz nicht beantworten.
Obwohl Thrum selbst nicht da ist, sind Dutzende seiner
Unterstützer*innen nach Schleiz gekommen, um ihn mit Fahnen, Trommeln
und lautem Rufen zu verteidigen. Denn gegen Thrum gibt es Protest.
## Gegen die AfD organisieren
Während die AfD-Sympathisant*innen in Schleiz sich auf dem Neumarkt zu
einer Gegenkundgebung formieren, schallt von einer Bühne auf anderen Seite
das Ärzte-Lied „Schrei nach Liebe“ über den Platz. Ursprünglich hatte nur
die Initiative „Dorfliebe für alle“ eine Kundgebung in Schleiz angemeldet,
zu der etwa 300 Menschen gekommen sind. Motto: Kein Landratsamt der AfD.
Etwa 20 Personen aus der Gegend haben sich zu der Initiative
zusammengeschlossen. Mit der Kundgebung wollten sie zeigen, „dass es viele
gibt, die gegen einen Landrat von der AfD sind“, sagt Sprecherin Lena
Grundmann. Das Problem sei, dass viele nicht voneinander wüssten. Ralf
Kalich, der für die Linke am Sonntag antritt, wundert das nicht. „Der
Organisationsgrad der Gesellschaft im Saale-Orla-Kreis ist relativ
niedrig“, sagt er. Er freue sich, dass sich die Initiative da gefunden
habe.
Zudem veröffentlichten sie einen öffentlichen [2][Brief, den mittlerweile
mehr als 1.400 Menschen] unterschrieben haben. „Die AfD zerstört
konstruktive Debatten mit respektlosen Parolen und Falschinformationen“,
heißt es da. Und ein Kandidat, der mit seiner guten Beziehung zu Björn
Höcke prahle und „bewaffnete Reichsbürger lustig findet“, dem „dürfen …
keine Stimme geben“.
## AfD träumt von der absoluten Mehrheit in Thüringen
In der vergangenen Woche unterstützte ihn der Bundestagsabgeordnete Stephan
Brandner beim Wahlkampf. Trotz Minusgrade vor etwa 300 Menschen in Pößneck,
wie die Polizei schätzt. Dabei träumte Brandner lautstark, die AfD würde
die absolute Mehrheit in Thüringen erringen, eine neue Familien- und
Bildungspolitik einführen und den Erfurter Flughafen als „zentralen
Abschiebe-Flughafen“ ausbauen. Wie [3][die Ostthüringer Zeitung schreibt],
gab es dafür Beifall.
Die Landratswahl im Saale-Orla-Kreis läutet quasi das Wahljahr in Thüringen
ein. Und bei Umfragen kommt die AfD gut weg. Laut einer Forsa-Umfrage, die
am Donnerstag veröffentlicht wurde, würden bei einer Landtagswahl am
Sonntag 36 Prozent ihre Stimme der rechtsextremen Partei geben.
Auf kommunaler Ebene etabliert sich die AfD derweil zunehmend. Erst gewann
im [4][vergangenen Jahr Robert Sesselmann] nicht weit entfernt in Sonneberg
als erster AfD-Kandidat eine Landratswahl. Dann wurde Tim Lochner in Pirna
erster AfD-Oberbürgermeister. Auch Uwe Thrum konnte im Saale-Orla-Kreis
schon einmal gewinnen.
Bei der Landtagswahl 2019 holte Thrum mit knappem Vorsprung das
Direktmandat im südlichen Wahlkreis SOK I. Das zweite Direktmandat im
nördlichen Wahlkreis SOK II ging an Christian Herrgott, den Generalsekretär
der CDU in Thüringen.
Fragt man ihn, vor welchen Herausforderungen der Landkreis stehe, nennt er
als Erstes die flächendeckende Gesundheitsversorgung. Der Kreis kämpft wie
viele mit dem demografischen Wandel. Etwa die Hälfte der 79.000
Einwohner*innen ist älter als 50 Jahre. Aber der Saale-Orla-Kreis ist
bekannt für seine niedrigen Löhne: Arbeitnehmer*innen in allen anderen
Kreisen Thüringens verdienen mehr.
Aber es gebe auch Potenziale, betont Regina Butz, die als Parteilose mit
Unterstützung der SPD kandidiert, die hinter den Problemen verschwinden
sollten: die schöne Landschaft als touristische Attraktion zum Beispiel.
Obwohl Butz keiner Partei angehört, wurde sie von der SPD als Kandidatin
aufgestellt. Sie ist in Schleiz aufgewachsen, arbeitete als Fachbereichs-
und Fachdienstleiterin bereits im Landrat. Für den Landkreis sei die
Zusammenarbeit wichtig. Darum habe sie sich gefreut, als sie von der
Initiative „Dorfliebe für alle“ gehört habe. Allerdings „ist eine
Kundgebung nicht das richtige Format für einen Meinungsaustausch“. Sie hält
Diskussionsabende für besser.
## Einschüchterung von rechts
Am Samstag in Schleiz sind die AfD-Sympathisant*innen von Anfang an mit auf
der Kundgebung. Mehrere tragen Mützen in schwarz-weiß-rot. Auf die Frage,
wie sie die Kundgebung bewerten, sagt einer: „Die wollen eine Partei
ausgrenzen, das ist undemokratisch.“ Ob das nicht Teil der Meinungsfreiheit
sei, die AfD für ungeeignet zu halten? Darauf gibt es keine Antwort. „Mach
dich weg!“
Solange sie zuhören, gebe es keine Probleme, sagt Lena Grundmann. Wer
stört, wird von den Ordner*innen gebeten, den Platz zu verlassen, und an
die Seite gedrängt.
Im Laufe der Kundgebungen stellen sich einige Menschen mit Banner ans Ende
der Menge und versuchen so, die Zuhörer*innen von den Störer*innen
zu trennen. Das sorgt für Unmut. Eine Frau fordert, durchgelassen zu
werden. „Sie hören doch von hier auch“, bekommt sie als Antwort durch die
Bannerwand auf dem Neumarkt. Darauf entgegnet sie, sie habe mehr
Lebenserfahrung und wolle sich gar nichts sagen lassen. Ein Mann stimmt ihr
zu und ergänzt in Richtung der Kundgebung: „Wisst ihr, wo ihr hingehört? In
die Ukraine, an die Front!“ Er dreht sich um und lacht. Etwas später bildet
die Polizei eine Kette zwischen den Lagern.
Letztlich stehen rund um den Neumarkt Menschen, die die Kundgebung beäugen,
den Teilnehmer*innen Kritisches und Beleidigendes zurufen. Bei fast
jeder Rede skandieren die AfD-Sympathisant*innen „Lüge! Lüge!“ Butz habe
mit einigen Familien auf der Anti-AfD-Kundgebung gesprochen, die die ganze
Situation beängstige.
Das kann Lena Grundmann nachvollziehen, „ich habe es teilweise auch als
Einschüchterungsversuch verstanden“. Trotzdem ist sie froh, dass die
Kundgebung wie geplant zu Ende geht.
Wie die Landratswahl am Sonntag ausgeht, ist hingegen noch offen. Wenn
keine*r der vier Kandidat*innen mehr als 50 Prozent der Stimmen
erhält, ist eine Stichwahl nötig.
13 Jan 2024
## LINKS
[1] /Ein-Ortsbesuch-in-Thueringen/!5898638
[2] https://www.dorfliebefueralle.de/
[3] https://www.otz.de/regionen/saale-orla-kreis/article241387046/Beifall-ueber…
[4] /Fuenf-Monate-AfD-Landrat-in-Thueringen/!5978732
## AUTOREN
David Muschenich
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