Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Mutmaßlicher Menschenhandel: Odyssee im Charterjet
> Frankreichs Behörden hindern 303 Inder am Weiterflug nach Nicaragua.
> Grund ist der Verdachts auf Menschenhandel.
Bild: Der Gepäckaufkleber eines indischen Passagiers zeigt das Ziel Manuagua (…
Paris taz | Am Montag sind 276 von ursprünglich 303 indischen Passagieren
mit einem Charterflugzeug aus Frankreich in Mumbai eingetroffen. Für sie
endete damit ein Irrflug, der vier Tage zuvor mit dem gemeinsamen Abflug
aus Dubai Richtung Managua begonnen hatte. Bei einer Zwischenlandung auf
dem französischen Provinzflughafen von Vatry, rund 150 Kilometer östlich
von Paris, sollte eigentlich bloß aufgetankt werden.
Doch die behördliche Überprüfung der Flugroute und der Passagierliste
verwandelte den Zwischenstopp in einen langen und mühsamen Zwangsaufenthalt
für die Reisenden und die Crew – aber auch in einen administrativen
Albtraum für die völlig überforderten Flughafenbehörden und die während der
Weihnachtstage aufgebotenen Hilfsorganisationen, Übersetzer, Anwälte und
Richter.
Die französischen Behörden hatten angeblich einen anonymen Hinweis
erhalten: Bei den 303 indischen Staatsangehörigen im Airbus-340 handle es
sich um Immigranten aus Dubai, die von einer Schlepperbande nach Nicaragua
gebracht würden. Von dort sollten sie illegal in die USA oder nach Kanada
weiterreisen. Das sei eine Form von Menschenhandel.
Aufgrund dieser Information wurde die Maschine, die der rumänischen
Chartergesellschaft Legend Airlines gehören soll, die auch die 30-köpfige
Besatzung gestellt hat, in Vatry festgehalten und am Weiterflug nach
Mittelamerika gehindert.
## Überforderter Provinzflughafen
Der kleine Flughafen in der Nähe von Reims war keineswegs in der Lage, auch
nur vorübergehend eine solche Zahl von Überraschungsgästen zu beherbergen.
Doch die administrative Maschinerie war nun mal in Gang gesetzt.
In Vatry musste stark improvisiert werden, um die gesetzlichen Bestimmungen
wie auch die Menschenwürde der unverlangt gestoppten Reisenden zu
respektieren und zugleich die schwerwiegenden Verdächtigungen zu
überprüfen.
In aller Eile – aber es wirkte auch ein bisschen beschämt – wurde darum die
Glasfassade der Flughafenhalle mit Plastik verhüllt. Die Besatzung des Jets
wurde nach kurzer Befragung schon mal auf freien Fuß gesetzt.
Doch für die Passagiere, unter ihnen mehr als 20 angeblich unbegleitete
Minderjährige (darunter ein 21-monatiges Baby!) musste für die Zeit der
Aufklärung ihrer Situation oder Rolle die Verpflegung und eine Unterkunft
mit Klappbetten sowie Duschen eingerichtet werden.
Eine anderes nicht minder enormes Organisationsproblem an diesen Feiertagen
bestand darin, dass ein Haftrichter für alle bei individuellen Befragungen
entscheiden musste, was mit ihnen geschehen sollte. Die Dauer eines solchen
Zwangsaufenthalts durfte laut Gesetz maximal vier Tage betragen.
## Zunehmend inakzeptable Unterbringung in der Transitzone
Mit der Zeit befand die eingeschaltete Staatsanwaltschaft, dass die
Bedingungen dieser Unterbringung in einer Transitzone nicht akzeptabel
wären. Nur wollten die französischen Behörden nun nicht das Gesicht
verlieren.
Eine Weiterreise nach Managua, mit der Aussicht, dass danach tatsächlich
eine illegale Einreise in die USA geplant war, kam nicht in Frage.
Inzwischen hatten 25 der Festgehaltenen nach Gesprächen mit Anwälten
Asylanträge gestellt und erklärt, dass sie in Frankreich bleiben wollten.
Gegen zwei Personen bestand anfänglich der Verdacht, dass sie in eine Form
von bandenmäßigem Menschenhandel verwickelt sein könnten. Zuletzt wurde
gegen sie, vermutlich mangels stichhaltiger Belege, kein
Ermittlungsverfahren eingeleitet. Sie wurden lediglich mit einer
richterlichen Anordnung aufgefordert, Frankreich umgehend zu verlassen.
Für Frankreich ist der Fall damit erledigt. Über Einzelheiten eines Epilogs
in Mumbai ist bisher nichts bekannt in Frankreich, wo man sich immer noch
fragt, ob diese behördliche Intervention zu Recht erfolgte oder die
dramatische Konsequenz eines Übereifers oder Gerüchts war.
26 Dec 2023
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Frankreich
Menschenhandel
Dubai
Nicaragua
Migration
USA
Kanada
Mumbai
Asyl
Menschenhandel
Geflüchtete
Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verdacht auf Menschenhandel: Zwei Inder sollen vor Gericht
Die französische Justiz hindert ein Flugzeug mit 300 Menschen aus Indien an
Bord am Weiterflug. Zwölf Passagiere haben Asyl beantragt.
Asylrecht in der Europäischen Union: Alle roten Linien überschritten
Das Europäische Asylsystem wurde in den letzten 15 Jahren immer rigider, je
länger daran geschraubt wurde. Eine Chronologie der Härte.
Asylgesetze in der EU und Frankreich: Die Mitte ist rechts
Das politische „Zentrum“ macht sich zum Komplizen des rechten Rands – nic…
nur beim EU-Asylrecht. Das hat systemische Gründe.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.