# taz.de -- Bürger*innenrat in Freiburg: Klappt die Mitbestimmung? | |
> Vor einem Jahr gab ein Klimabürger:innenrat um Freiburg | |
> Empfehlungen ab. Ein Ortsbesuch ein Jahr später zeigt, was er erreicht | |
> hat. | |
Bild: Windräder im Schwarzwald: Der Klimarat empfahl, ausgewiesene Flächen im… | |
FREIBURG taz | Dank dem Zufall hat Heiko Quappe jetzt einen neuen | |
Kühlschrank. Quappe gehörte zu den 91 Bürger:innen, die in der Region | |
Freiburg im vergangenen Jahr ausgelost wurden, um [1][in einem | |
Klimabürger:innenrat Empfehlungen an die Lokalpolitik zu erarbeiten]. | |
Als er sich dort mit der Energiewende beschäftigte, fand er nebenbei | |
heraus, dass die Stadt Freiburg einkommensschwache Haushalte beim | |
Stromsparen unterstützt. | |
„Neulich ist jemand vorbeigekommen und hat gemessen, wie viel Strom meine | |
Geräte verbrauchen“, sagt Quappe. Sein alter Kühlschrank sei durch einen | |
neuen ausgetauscht worden, der nur ein Drittel des Stroms verbrauche. | |
Bezahlt durch ein Programm der Stadt Freiburg. | |
Ein Jahr ist es her, dass Heiko Quappe und die anderen Mitglieder des | |
Klimabürger:innenrats [2][ihre Vorschläge vorgestellt haben]. Es war | |
ein Experiment. Zum ersten Mal in Deutschland schlossen sich 16 Städte und | |
Gemeinden der Gegend zu einem interkommunalen Rat zusammen. | |
Die Aufgabe: Wie kann die Region möglichst schnell zu 100 Prozent mit | |
erneuerbaren Energien versorgt werden? [3][Drei Mitglieder des Klimarates | |
hatte die taz 2022 begleitet]. Die Schülerin Tabea Trost, den | |
Systemadministrator Stefan Falk und eben Heiko Quappe. Sie sichteten | |
Dokumente und hörten Vorträge über Photovoltaik und Stromtrassen. | |
Anschließend diskutierten sie in Gruppen, was jetzt zu tun sei. Sie | |
entwickelten 48 Empfehlungen. | |
## Geld in der Schublade | |
Was ist ein Jahr später daraus geworden? Die taz hat nochmals nachgefragt. | |
Die Abschlussdokumente aus Bürgerräten sind nicht bindend. Verschwinden sie | |
einfach in der Schublade? „Das wäre eine Katastrophe für die Demokratie“, | |
sagte Mitinitiatorin Gabriele Michel vor einem Jahr. | |
Zum Thema Windkraft empfahl der Rat, „dass alle ausgewiesenen Flächen im | |
Windatlas sofort genutzt werden.“ Das heißt, an allen geeigneten Stadtorten | |
soll gebaut werden. Außerdem sollten alle bisherigen Standorte repowered | |
werden, also ältere Windräder durch leistungsfähigere ersetzt werden. | |
Wenn die 16 Städte und Gemeinden das umsetzen würden, müssten nun Dutzende | |
Windräder im Entstehen sein. Das ist nicht passiert. Pläne für einzelne | |
Windräder existieren zwar, aber der große Windkraft-Boom hat die Region | |
Freiburg nicht erfasst. Das klingt erstmal ernüchternd. | |
„Man muss schon genau hinschauen, um die Fortschritte zu sehen“, sagt | |
Stefan Falk. Der Systemadministrator war Teil der Windkraftgruppe im | |
Klimabürger:innenrat. Da sei zum Beispiel dieses eine Projekt, das nun | |
endlich verwirklicht werde. | |
## Mit neuer Brille sehen | |
Fünf Windräder sollen nahe einer Burg gebaut werden, jahrelang hatte die | |
Betreiberfirma mit dem Denkmalamt, einer Bürgerinitiative und dem | |
Regierungspräsidium darum gestritten. Nun gab es grünes Licht. Für Falk | |
zeigt der Fall, dass die Behörden nicht mehr anders könnten, als die | |
Projekte zu genehmigen. Auch Dank des gesellschaftlichen Druckes, der durch | |
den Klimabürger:innenrat verstärkt wurde. | |
Auch Christian Ante, Mit-Initiator und Bürgermeister der Gemeinde | |
Merzhausen, beobachtet das. Die Ergebnisse des Klimabürger:innenrats | |
hätten dazu beigetragen, dass viel klarer sei, was sich die Bewohnerinnen | |
und Bewohner der Region in Bezug auf den Klimaschutz vorstellten, sagte er | |
der Badischen Zeitung. Im Klartext: Windräder. | |
Die Kommunalpolitiker:innen seiner Gemeinde fällten daraufhin einen | |
Grundsatzentscheid: Fortan werde man alle Windkraftprojekte in dem | |
Verwaltungsbereich unterstützen. In einem Streitfall, aus dem sich die | |
Gemeinde früher herausgehalten hätte, wirbt sie gerade für den Bau eines | |
Windrades. | |
Stefan Falk läuft seit vergangenem Jahr mit einer neuen Brille durch die | |
Welt. „Ich sehe meine Gegend seitdem mit anderen Augen.“ Er sieht | |
Potenziale: Hier könnte man ein Windrad bauen, dort nach Erdwärme bohren. | |
Falk ist jetzt so etwas wie ein ehrenamtlicher Botschafter der Energiewende | |
geworden. | |
Ständig spreche er Menschen aus seinem Umfeld an. Zwei Bekannte hätten sich | |
daraufhin ein Elektroauto gekauft, in seinem Elternhaus werde eine | |
Wärmepumpe installiert. Außerdem will Falk ein Solarprojekt anstoßen, bei | |
dem sich Menschen zusammentun, um günstiger an eine Photovoltaik-Anlage zu | |
kommen. Ähnlich wie der Windkraftausbau brauche das aber noch Zeit. | |
## Klimaschutz konkret | |
Die Abiturientin Tabea Trost hat zuletzt im Sommer auf einer Veranstaltung | |
von ihren Erfahrungen im Bürger:innenrat erzählt. Was genau aus den | |
einzelnen Vorschlägen geworden ist, verfolgt sie nicht. | |
Ging es nicht genau darum: um konkrete Schritte? Kann man schon von einem | |
Erfolg sprechen, [4][wenn die Teilnehmenden selbst positiv zurückblicken?] | |
Für sie persönlich sei das Problem Klimaschutz konkreter und lösbarer | |
geworden, sagt Trost. „Ich weiß nun, was wir bei uns in der Region tun | |
können.“ Vor allem sei ihr klar geworden, dass es gar nicht so schwer sei, | |
etwas zu verändern. „Das hat mir Hoffnung gegeben“, sagt die Schülerin. | |
16 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.buergerrat-regionfreiburg.de/ | |
[2] https://www.buergerrat-regionfreiburg.de/wp-content/uploads/2023/02/Gutacht… | |
[3] /Buergerinnenraete-in-der-Klimakrise/!5890208 | |
[4] /Mitbestimmung-in-der-Klimakrise/!5881650 | |
## AUTOREN | |
Jannik Jürgens | |
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