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# taz.de -- Maria und Josef als Problemcouple: Die heiligen Doppelverdiener
> Als Handwerker und Gottesmutter hatten Josef und Maria immer viel zu tun.
> Einmal haben sie ihr Kind sogar einfach vergessen. Machte aber gar
> nichts!
Bild: Laiendarsteller spielen Maria und Josef und das Jesuskind
Ob man das Hl. Paar als hippen Doppelverdienerhaushalt bucht, kann jeder
selbst entscheiden. Ich denke aber, dass es gute Argumente dafür gibt:
Schließlich hat Josef einen ordentlichen Beruf als Schreiner
beziehungsweise, je nach Auslegung des griechischen Worts „tekton“ im Neuen
Testament, sogar als Architekt; und Maria ist als Mutter Gottes und
Himmelskönigin eh eine echte Führungskraft.
Man kann bei ihr an die immer wieder mal thematisierten Schwierigkeiten von
gut ausgebildeten, gut verdienenden Frauen denken, einen Partner mit
gleichem sozialem Status zu finden. So heißt es [1][in einem Artikel der
Frankfurter Rundschau ] – weihnachtlicher Gruß an die [2][gebeutelten,
kämpferischen Kolleg:innen]! – aus dem Jahr 2017: „Die Ressource
gebildeter Mann wird knapper“ und „Frauen wünschen sich als Idealbild des
Partners den Alpha-Softie“. Da hat Maria doch [3][mit dem lieben Josef]
einen echten Treffer gelandet!
Allerdings: Wenn wir der Frankfurter Allgemeinen Zeitung glauben –
weihnachtlicher Gruß an die [4][noch] jeden Tag eine wunderbare Zeitung
machen dürfenden Kolleg:innen! – dann stellen Maria und Josef heute ein
Problemcouple dar. „Bei vielen Müttern und Vätern, meist Doppelverdienern,
gebe es heutzutage fast schon eine Scheu, Leistung von ihren Kindern
einzufordern“, wurde Anfang Dezember [5][in einem Artikel über desaströse
Zustände im Schulfach Deutsch] eine Lehrerin aus dem Stuttgarter Raum
zitiert.
Der implizite Vorwurf („Doppelverdiener“ als Pejorativum in der FAZ ist
auch mal was Neues) wird dann nicht weiter ausgeführt, weswegen wir hier
frisch und munter interpretieren, wir haben’s ja noch gelernt:
Doppelverdiener sind Asoziale, die sich neben ihrer mehr oder weniger
einträglichen, mehr oder weniger fanatisch betriebenen Berufstätigkeit auch
noch Kinder leisten, die sie aber nicht erziehen, weil sie erstens keine
Zeit dafür haben und zweitens deswegen von schlechtem Gewissen geplagt
sind.
## Zuhören und Fragen stellen
Das erinnert an eine [6][Episode aus Lukas 2, 41], die wir hier kurz
zusammenfassen: Josef und Maria ‚vergessen‘ ihren Sohn nach dem mehrtägig
gefeierten Pessachfest in Jerusalem. Einen ganzen Tag auf der Rückreise
fällt ihnen das nicht auf, dann erst kehren sie um und finden den Buben im
Tempel, in der Schule, wenn man so will, „er saß mitten unter den Lehrern,
hörte ihnen zu und stellte Fragen.“
Die Eltern machen dem Knaben – aus schlechtem Gewissen, klar – nun
Vorwürfe, sie hätten ihn „mit Schmerzen gesucht“. Aber Jesus weist ihre
Sorgen zurück, er braucht keine elterliche Hausaufgabenhilfe: „Warum habt
ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem
Vater gehört?“
Jesus will uns damit sagen: Wenn Vater Staat die Schule, die ja ihm gehört,
anständig finanziert und dafür beispielsweise entsprechend gerecht die
Vermögenden besteuert – dann dürfen die Eltern ruhig hauptsächlich mit
Party beschäftigte Doppelverdiener sein; dann läuft und funktioniert das
System gerecht für alle.
Doch genug interpretiert! Meine [7][Lieblingsinvokation] für den Hl. Josef
ist „Fulcimen in difficultatibus“ (Helfer in Schwierigkeiten); und in
diesem Geiste möchte ich sie um eine Spende bitten für das Projekt
[8][(DIS)ENCOUNTER].
Hierbei geht es um eine Anschubfinanzierung für eine selbstorganisierte,
mobile Grundversorgung am [9][Kreuzberger Mehringplatz], wo 6000 Menschen
keine Einkaufsmöglichkeit haben und von Gewerbe und Politik im Stich
gelassen werden. Ob es sich bei den Verantwortlichen für diesen Skandal um
Doppelverdiener handelt, konnte bis Redaktionsschluss dieser Kolumne nicht
geklärt werden. Aber glauben Sie mir – sie tun etwas Gutes: für Fröhliche
Weihnachten eben, überall.
22 Dec 2023
## LINKS
[1] https://www.fr.de/ratgeber/partnerwahl-bildungsstand-zusammenhaengt-1096796…
[2] /Tarifstreit-bei-FR/!5978779
[3] https://www.lieder-archiv.de/joseph_lieber_joseph_mein-notenblatt_200050.ht…
[4] /Ex-Regierungssprecher-bei-FAZ-Stiftung/!5881842
[5] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/mangel-an-anspruch-wie-der-…
[6] https://www.bibleserver.com/EU/Lukas2,41-52
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Anrufung
[8] https://www.startnext.com/disencounter/mehr-infos?newLanguage=de
[9] /Mehringplatz-und-Pfad-der-Visionaere/!5852328
## AUTOREN
Ambros Waibel
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Kolumne Das bisschen Haushalt
Jesus
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Polizei Berlin
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