# taz.de -- Ökonom über Signa-Insolvenz: „Wird richtig eng für Kaufhäuser… | |
> Bei der Gruppe des Immobilienunternehmers Benko haben die Kontrolleure | |
> versagt, meint Ökonom Leonhard Dobusch. Einzige Chance sei nun | |
> Transparenz. | |
Bild: Für Galeria Karstadt wird es eng | |
taz: Herr Dobusch, überrascht Sie die [1][Krise der Signa-Gruppe]? | |
Leonhard Dobusch: Ehrlich gesagt: Nein. Schon 2020 habe ich mir die Bilanz | |
der Signa-Holding angesehen – und die war negativ. Damals wurden aber noch | |
üppige Dividenden ausgeschüttet. Das war noch vor der Zinswende. Es war | |
klar: Bei steigenden Zinsen oder einer Rezession wird es schwierig. | |
Eingetreten ist zuletzt beides. | |
Es war immer nur eine Frage der Zeit. Äußere Entwicklungen sind nicht | |
alles. Signa hat hochriskant kalkuliert und Transparenz vermieden. Bilanzen | |
wurden nicht gelegt, Strafzahlungen dafür in Kauf genommen. Das ist | |
hochgradig fragwürdig. Bereits aus der Bilanz der Signa Prime Holding 2019 | |
geht hervor, dass mit extrem niedrigen Kapitalisierungs- und | |
Diskontierungszinssätzen kalkuliert wurde. Im Immobilienbereich sind Zinsen | |
einer der wichtigsten Kostenfaktoren überhaupt. Wenn eine Bilanz nach | |
Zinsen negativ ist, ist das ein Alarmsignal. Die Investoren haben das aber | |
definitiv gesehen. [2][Sie wussten, dass sie in ein risikoreiches Geschäft | |
einsteigen und bei steigenden Zinsen schwer unter Druck geraten werden], | |
nahmen das aber in Kauf. Man hätte viel früher den radikalen Wachstumspfad | |
verlassen und stattdessen auf Konsolidierung setzen müssen. Jetzt ist es | |
für viele Dinge zu spät. | |
Die Geschäfte sollen in Eigenverwaltung fortgeführt werden. Was sind die | |
Herausforderungen bei der Sanierung? | |
Voraussetzung für jede Fortführung ist, dass die Gläubiger auf etwas | |
verzichten, gleichzeitig die Anteilsinhaber etwas nachschießen. Das wird | |
schwierig. Manche sind ja auf Holding-Ebene, andere hingegen nur bei | |
Tochterfirmen oder auch nur auf Projektebene investiert. Die werden sich | |
fragen: Warum soll ich der Holding aushelfen? Es gibt große | |
Interessenkonflikte innerhalb und zwischen diesen Gruppen. | |
Wo haben denn die Kontrollinstanzen versagt? | |
Einerseits natürlich innerhalb der Signa: Man muss die Aufsichtsräte | |
fragen, warum sie da mitgespielt haben. Teilweise saßen nur zwei Personen | |
in den Sitzungen, auch das muss hinterfragt werden. Zweitens die | |
Bankenaufsicht. Warum Raiffeisen International und UniCredit (die gemeinsam | |
mehr als 2,2 Milliarden Euro an Signa vergeben haben – die Red.) noch bis | |
vor etwa zwei Jahren Geld zugeschossen haben. Damals war schon klar, dass | |
der Cashflow nicht für die Tilgung reicht. Die Banken hätten hier | |
vorsichtiger sein müssen. Immerhin hat die EZB im Sommer 2023 nachgefragt, | |
das muss man zuerkennen. Drittens: die Finanzmarktaufsicht. Unternehmen | |
sind verpflichtet, Bilanzen zu legen. Die Frage ist, warum man nicht früher | |
hingesehen hat, was die Umgehung von Transparenzregeln betrifft. | |
Ist da der Immobilienbereich besonders betroffen? | |
Der [3][Immobilienmarkt ist besonders anfällig für Spekulation], weil die | |
Laufzeiten so lang sind. Weil langfristig gebundenes Kapital teilweise | |
umgewandelt wird in kurzfristige Verbindlichkeiten. Und das führt zu sehr | |
spekulativen Investments. Weil die Zyklen so lang sind, kann das sehr lang | |
gut gehen. Liquiditätskrisen tendieren jedoch dazu, sich selbst zu | |
verstärken. Niemand ist mehr bereit, im Voraus etwas zu leisten. Und wenn | |
sie so akut ist, bekomme ich nichts mehr verkauft. Selbst wer glaubt, jetzt | |
ein Schnäppchen machen zu können, muss Angst haben, dass der Verkauf bei | |
einer Insolvenz angefochten wird. Eine enorme Rechtsunsicherheit. Der | |
Insolvenzantrag ist insofern vielleicht doch eine kleine Chance, wieder | |
handlungsfähig zu werden. | |
Die [4][erste Signa-Insolvenz Ende November betraf die Signa Real | |
EstateManagement] in Deutschland. | |
Das war sehr überraschend. Sie ist vergleichsweise klein, aber für die | |
Gruppe sehr zentral und wichtig. Dort werden Menschen beschäftigt und | |
Immobilien verwaltet. Bei einer wirklich geordneten Abwicklung hätte man | |
die nicht als Erstes in die Insolvenz geschickt. Man hätte vieles | |
wahrscheinlich schon früher vorbereiten müssen. | |
Wie geht’s jetzt weiter? | |
Die Abwicklung wird sehr schwierig. Man muss die unterschiedlichen Akteure | |
zusammenbringen. Es wird wirklich darum gehen, ob jene Transparenz | |
hergestellt werden kann, die vorher gefehlt hat. Wenn das gelingt, gibt es | |
vielleicht eine Chance. Wenn nicht, dann wird es schwierig. Spannend wird | |
auch, ob nun nach der Holding auch die Signa Development und die | |
Luxusimmobiliensparte Signa Prime in die Insolvenz folgen. | |
Sehen Sie auch systemische Risiken? | |
Signa wird wohl bestimmte Rechnungen nicht mehr zahlen können, das kann | |
durchaus andere Unternehmen mitreißen. Es kann sein, dass Banken jetzt | |
übervorsichtig werden und bei anderen noch genauer hinsehen. Große | |
systemische Risiken sehe ich aber vorerst nicht. | |
Was bedeutet das für Deutschland, vor allem die Galeria Kaufhof Karstadt? | |
Für [5][die Kaufhäuser wird es richtig eng]. Vielleicht gibt es noch | |
Lösungen, die jetzt noch nicht erkennbar sind. Etwa eine Ausgliederung von | |
Teilen der Warenhäuser in eine eigene Gesellschaft, die dann in Konkurs | |
geschickt wird – und zwar wegen der derzeit nicht leistbaren Signa-Mieten, | |
von denen das Handelsblatt berichtete. Die Folgen werden uns jedenfalls | |
noch sehr lang beschäftigen. | |
18 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Florian Bayer | |
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