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# taz.de -- Die Wahrheit: Hänsel und Gretel und Söder
> Reporter allein im Wald: Als Strategiemaßnahme der Ampelregierung öffnet
> Deutschlands erste Anti-Einsamkeits-Behörde.
Bild: Überall kann das Teufelchen Einsamkeit lauern
Dunkel ist es und kalt. Und die Wölfe heulen. Als wir nach stundenlangem
Querfeldeinmarsch aus der bayerischen Waldwildnis auf die verwunschene
Lichtung stolpern, sind wir endlich am Ziel. Die Fenster des hutzeligen
Fachwerkhauses sind hell erleuchtet. Gerüche von Lebkuchen und gebrannten
Mandeln scheinen uns förmlich an der Nase in Richtung der offenen Haustür
zu ziehen.
Sehnsüchtig erwartet uns bereits die Pfitzenhuber Resi. „Herzlich
willkommen in der Bundeszentrale für Isolationsprävention und echt
effektive Einsamkeits-Bekämpfung. Kurz: BIEEEB!“, säuselt die nie und
nimmer 61-Jährige, gefolgt von einem schrillen und verstörend ausladenden
Kichern.
Kürzlich hatte die Bundesregierung 111 Strategien gegen die Einsamkeit
beschlossen. Pfitzenhubers geselliges Knusperhäuschen gehört zu dem
Maßnahmenpaket. Noch im Eingangsbereich stopft uns die Chefin nach der
langen Wanderung durch den dunklen Wald mit süßen Kalorienbomben voll. Weil
allerdings die Vorführbäckerei gerade geschlossen ist, beginnt die Tour
durch das brandneue Prestigeprojekt der Ampelregierung direkt im
überraschend weitläufigen, vor Geschäftigkeit nur so brummenden
Großraumbüro, in dem sämtliche Angestellten telefonieren.
„Kontakte mit unserer bundesweiten Hotline, die man bei den ersten
Anzeichen von Einsamkeit konsultieren kann, sollten im besten Fall nicht
nur trösten und informieren, sondern auch richtig Spaß machen“, fachsimpelt
die BIEEEB-Bossin. „Deswegen haben wir aufwändig viele tausend Festnetz-
und Handynummern hacken lassen und können Klienten aus ganz Deutschland per
Knopfdruck für stundenlange Gespräche mit ihrem Wunsch-Gesprächspartner
verbinden. Von Carsten Linnemann über Sahra Wagenknecht und Udo Lindenberg
bis zu Richard David Precht haben wir so gut wie alle maßgeblichen und
beliebten Dampfplauderer dabei. Sehen Sie?“ Die Direktorin streckt uns
einen Hörer entgegen: „Grüß Gott. Söder hier. Hallo? Haalloo?“
## Politiker als Paten
Pfitzenhuber legt auf. „Außerdem vermitteln wir von hier aus einseitig
Politiker-Patenschaften. Die sind sehr nützlich, wenn man sich allein
fühlt, aber nicht sofort Hilfe bekommen kann. So nehmen tägliche Visiten
von Friedrich Merz über einen limitierten Zeitraum den Betroffenen später
einen großen Teil ihres Leidensdrucks. Diesbezüglich geht Frank-Walter
Steinmeier übrigens auch mit gutem Beispiel voran. In seinem Büro wohnt
mittlerweile ein pensioniertes Lehrerpaar, das ihn zu allen öffentlichen
Auftritten begleitet. Während der Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten
werden die beiden vermutlich neben ihm sitzen und Abendbrot essen oder
Kreuzworträtsel lösen. Hier entlang, bitte.“
Pfitzenhuber führt uns in einen Bereich, in dem ein Angestellter gerade
VR-Brillen mit dem Behördenlogo in Kartons verpackt. Vor dem Zukleben und
Adressieren lässt er noch eben eine Handvoll Gummibärchentüten
hineinregnen. „Während Menschen mit Geselligkeitsdefizit auf einen freien
Besuchstermin eines Außendienstmitarbeiters warten, kann unser digitales
Angebot die Zeit mit virtuellen Kurzzeit-Schockerlebnissen verkürzen.
Mithilfe der Geräte können Sie sich innerhalb von Sekunden auf dem
CSU-Parteitag im rappelvollen Bayernzelt eine Blasmusik-Schalldusche
abholen oder während der Karnevalssitzung im Kölner Gürzenich übergriffige
Jecke abwehren. Na, wollen Sie mal?“
## Pöbel im Bundestag
Kaum haben wir die Brille aufgesetzt, harren wir an einer wirklich
hoffnungslos übervölkerten Haltestelle der Deutschen Bahn aus und sehen
einen ebenfalls bis zum Bersten gefüllten Regionalexpress bimmelnd
einfahren. Danach finden wir uns im Bundestag inmitten der grölend
pöbelnden AfD-Fraktion wieder. Entsetzt reißen wir uns die Teufelsmaschinen
herunter und lassen sie angewidert in einen Karton fallen. Erstaunlich! Wir
wären jetzt tatsächlich gern ein bisschen allein.
Nach einem Blick auf die Uhr erschrickt die Oberamtsrätin und muss unsere
aufschlussreiche Tour leider abkürzen. Wie sie uns berichtet, habe sie in
zehn Minuten eine vertrauliche Intensivberatung via Skype mit einem der
einsamsten Menschen Deutschlands. Ihre Frage, ob wir vorher noch eben in
den Backofen des Besuchercafés kriechen können, um dort eine defekte Birne
auszuwechseln, können wir zum Glück nicht mehr beantworten, da Olaf Scholz
sich bereits auf der riesigen Videoleinwand räuspert.
Lieber lügen wir der kontaktfreudigen Frau Pfitzenhuber dreist ins Gesicht,
dass wir im nächsten Jahr mit ordentlich Winterspeck auf den Rippen
wiederkommen. Damit wir den Weg in die Behörde finden, will sie ab dem
Frühling sogar regelmäßig Brotkrumen für uns ausstreuen. Wiederkommen? Mal
im Ernst: Wir sind doch nicht bescheuert!
19 Dec 2023
## AUTOREN
Patric Hemgesberg
## TAGS
Einsamkeit
Bundesregierung
Strategie
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