Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Relevanz der Klassenfrage: Weihnachten heißt Privilegien-Check
> Wenn es um die eigene Hautfarbe geht, hilft Selbstkritik wenig. Doch beim
> Privileg Reichtum kann man konkret handeln: umverteilen.
Bild: Zeige mir, ob und wie du Weihnachten feierst, und ich sage dir, wo du wir…
Über die Feiertage ist es zur Abwechslung mal ruhig hier:
Wahlberliner*innen haben sich kurz vor Weihnachten in einen
überfüllten ICE gequetscht oder in einen Autostau eingereiht, um für ein
paar Tage in ihre Herkunftsfamilien zurückzukehren.
Dort erklären sie ihren Großeltern dann den Sinn hinter ihren verwirrenden
Berufsbezeichnungen. Nach einem gemütlichen Spaziergang durch die angenehm
ruhige Stadt will ich Fotos sehen: Weihnachtsfotos zeigen einen Teil von
uns, der sonst eigentlich eher im Verborgenen bleibt.
Auf Social Media zeigen Menschen, was sie erreicht haben oder wo sie
hinwollen, aber selten, wo sie herkommen. Zugegeben: In meinem Umfeld sind
das meist westdeutsche Kleinstädte, und wären die nicht so austauschbar,
wären wir wohl nicht alle in Berlin gelandet.
## Zeig mir, wie du feierst und ich sag dir, wo du herkommst
Trotzdem sind unter den Weihnachtsbildern meiner Freund*innen immer
wieder kleine und große Überraschungsmomente: Wie groß ist deine Familie
bitte? Du zockst mit deiner Oma MarioKart? Und haha, sorry, aber dein Vater
und dein Boyfriend sehen sich irritierend ähnlich, willst du darüber
sprechen?
Tatsächlich geben diese kleinen Einblicke viel preis: Weihnachten ist ein
Privilegien-Check. Zeige mir, ob und wie du Weihnachten feierst, und ich
sage dir, wo du wirklich herkommst. Wir teilen buchstäblich, aus welchem
Elternhaus wir kommen und wer überhaupt eines hat, das sich besuchen lässt.
Das stimmt nicht immer mit dem Bild überein, das sich unser heutiges Umfeld
von uns gemacht hat oder damit, wie wir wahrgenommen werden wollen und was
wir so performen. Darum folgt auf die Familienbilder im Netz regelmäßig
eine Diskussion über [1][soziale Herkunft].
Darüber, ob Leute, die in Einfamilienhäusern aufgewachsen sind, eigentlich
reich sind, oder wer spricht, als wäre er in Neukölln aufgewachsen, obwohl
er offensichtlich aus einer weißen bürgerlichen Familie kommt.
## „Privilegien abgeben“ hätte handfeste Bedeutung
Ob uns Klassismus als Diskriminierungskategorie weiterbringt oder nur vom
Klassenkampf ablenkt, ist ein Thema für sich. Aber wenn wir schon Klasse in
den Privilegien-Diskurs einbringen und wir darüber reden, wer mit wie
vielen Ressourcen ins Leben gestartet ist, dann lasst uns doch den Blick
auf die wirklich Reichen lenken und bitte das Konzept der Critical Richness
(kritisches Reichsein) einführen.
Wenn [2][„Critical Whiteness“] (kritisches Weißsein) ein Tool gegen
Rassismus ist, könnte „Critical Richness“ dasselbe bei Klassismus sein.
„Check your privilege“ meint dann nicht „beschäftige dich mit deinem
Weißsein“, sondern sich mit Ausbeutung und Eigentumsverhältnissen zu
befassen. Würde das Privileg, reich zu sein, endlich stärker im Vordergrund
stehen, hätte „Privilegien abgeben“ eine handfeste Bedeutung. Denn dann
wären Vermögende nicht aus dem Schneider, wenn sie „Ich als weiße Person �…
vor den Redebeitrag setzen.
Critical Whiteness bleibt performativ, denn aus seiner Haut kann man nicht
raus. Besitz aber lässt sich umverteilen.
28 Dec 2023
## LINKS
[1] /Soziale-Herkunft-und-Bildungschancen/!vn5793694
[2] https://www.deutschlandfunkkultur.de/critical-whiteness-diskriminierung-im-…
## AUTOREN
Simone Dede Ayivi
## TAGS
Critical Whiteness
weiße Privilegien
Kolumne Diskurspogo
Klassenkampf
Weihnachten
Klassismus
Herkunft
Kolumne Aus dem Leben einer Boomerin
Black Community
Krisenmanagement
Rezension
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Rassismus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Alleinstehende an Weihnachten: Warum Ältere an Weihnachten klar im Vorteil sind
Die Festtage eher traditionell oder ironisch feiern? Unsere Autorin kann
sich im Gegensatz zu anderen selbst aussuchen, wie sie die Tage verbringt.
Black History Month 2024: Organisiert euch
In Deutschland wird auf Großdemos gegen Rechte protestiert. Unsere Autorin
fordert: Es ist Zeit für einen Schwarzen schwarzen Block.
Schreiben in Krisenzeiten: Überall brennt's, ich bin im Büro
Rechtsextreme Netzwerke, ein zerstörter Planet, die Welt in der Dauerkrise.
Unsere Autorin fragt sich: Was ist der richtige Weg darüber zu schreiben?
Buch über linke Lethargie: Klassenbewusstsein als Willensakt
Jean-Philippe Kindlers Buch versucht, linke Debatten vom Individualismus zu
befreien. Dabei lässt es Antisemitismus weitgehend aus.
Rassismustheorie auf dem Prüfstand: Theorie statt Bekenntnis
Ein Sammelband zeigt die Leerstellen aktueller Rassismustheorie. Statt um
die Bedingungen seiner Entstehung geht es oft nur um Bekenntnisse.
Sammelband des Kulturtheoretikers Hall: Rassismus als Prisma
„Selected Writings on Race and Difference“ vereint Texte des Soziologen
Stuart Hall. Der Band bietet Impulse für die Debatte über
Identitätspolitik.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.