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# taz.de -- Abschluss der COP28: Pathos nach dem Hammerfall
> Die Weltklimakonferenz in Dubai stellt ein Ende der Nutzung
> klimaschädlicher Energien in Aussicht. Leider bleibt das Abschlusspapier
> vage.
Bild: Der wohl umstrittenste COP-Chef bisher: Sultan Ahmed Al-Jaber
Dubai taz | Kurz kann er sein Glück selbst kaum fassen: [1][Sultan Ahmed
al-Jaber] hat den Hammer fallen lassen. Die Augen des Präsidenten der
Weltklimakonferenz in Dubai wandern nach links, nach rechts. Ein Lächeln
breitet sich auf seinem Gesicht aus. Hat er es an diesem Mittwochvormittag
wirklich geschafft, nur Minuten nach Beginn des Abschlussplenums von fast
200 Ländern, den wichtigsten Beschluss in trockene Tücher zu bekommen?
In der sogenannten Globalen Bestandsaufnahme haben die Regierungen damit
gemeinsam festgehalten, wo sie die Welt beim Klimaschutz sehen – und wo sie
sie noch hinbringen wollen.
Was nicht vereinbart wurde, war während der zweiwöchigen Verhandlungen das
größte Streitthema gewesen: Ein Ausstieg aus den fossilen Energien.
Stattdessen werden Staaten „ersucht“, zu einem Übergang weg von fossilen
Kraftstoffen in Energiesystemen „beizutragen“. Eine weiche Formulierung
also. Trotzdem ist es das erste Mal, dass die Weltklimakonferenz ein Ende
fossiler Energien für das Klima überhaupt in Aussicht stellt. Einzelne
Länder haben das natürlich schon getan, aber alle fast 200 zusammen bisher
nicht.
Auch die Delegierten der einzelnen Teilnehmerstaaten scheinen kurz
überrascht zu sein, als der Hammer des COP-Präsidenten fällt. Ein paar
Sekunden verstreichen, bevor der übliche Applaus beginnt. Normalerweise
enden die Klimakonferenzen nicht reibungslos. Vor jeglichem Beschluss will
doch mit Sicherheit noch mal Indien weniger Fokus auf Kohle, Brasilien mehr
Geld, irgendwie so etwas. Und diesmal: Niemand? Im Prinzip hat al-Jaber
schlicht nicht genug Zeit für solche Zwischenmeldungen gelassen und alle
ein wenig überrumpelt. Und so geht er dann auch schnellstens nach dem
Hammerfall dazu über, mit allem Pathos der Welt die anwesenden Regierungen
zu loben.
„Lassen Sie mich zuerst aus tiefstem Herzen Salam Aleikum und Danke sagen“,
sagt al-Jaber. Um eine bessere Zukunft „für unsere Menschen und unseren
Planeten“ zu sichern, habe man zwei Wochen lang hart gearbeitet. Die Welt
müsse auf einen neuen Pfad kommen. „Indem wir unserem Polarstern gefolgt
sind, haben wir diesen Pfad gefunden.“
## Kritik von Inselstaat-Vertreterin
Polarstern – so hat al-Jaber schon den ganzen Gipfel über das 1,5-Grad-Ziel
genannt. Laut Pariser Weltklimaabkommen wollen die Staaten die Erderhitzung
bei deutlich unter 2 Grad gegenüber den vorindustriellen Zeiten begrenzen –
möglichst nicht mehr als 1,5 Grad ist die Zielmarke.
Aktuell [2][sind diese 1,5 Grad schon fast erreicht], man ist nur noch etwa
0,3 Grad entfernt. Und die bisherige Erderhitzung hat nachweislich schon
etliche Katastrophen begünstigt: das Ahrtalhochwasser 2021 zum Beispiel,
die enormen Fluten in Pakistan ein Jahr später, zahlreiche tödliche
Hitzewellen überall in der Welt, die Liste ist lang. Um die Erwärmung bei
1,5 Grad zu begrenzen, müssten die CO2-Emissionen sich bis zum Ende des
Jahrzehnts ungefähr halbieren – um bis 2050 praktisch bei null zu liegen.
Im Saal in Dubai nun doch noch eine Wortmeldung aus dem Plenum: „Wir sind
ein bisschen verwirrt darüber, was gerade passiert ist“, sagt eine
Vertreterin vom kleinen Inselstaat Samoa, der nordöstlich von Fidschi im
Pazifischen Ozean liegt. „Es scheint, als hätten Sie den Hammer fallen
lassen, als die kleinen Inselstaaten noch gar nicht im Raum waren“, beklagt
sie an den Konferenzpräsidenten al-Jaber gerichtet. „Der Entwurf, den Sie
uns präsentiert haben, enthält gute Elemente. Die Frage ist: Sind sie gut
genug?“ Nein, findet Samoa. Der Inselstaat läuft Gefahr, vom steigenden
Ozeanpegel schlicht verschluckt zu werden. „Dieser Prozess hat uns im Stich
gelassen“, rekapituliert die Vertreterin Samoas die vergangenen
Konferenztage.
[3][Al-Jabers großer Auftritt ist nun akut in Gefahr]: Viele Delegierte im
Plenarsaal stehen auf, spenden der Vertreter*in aus Samoa rauschenden
Applaus, sogar Jubel. Und der Konferenzpräsident guckt griesgrämig. Aber
beschlossen ist beschlossen: Die Anmerkung aus Samoa geht ins Protokoll.
Aber hat die Vertreterin des Inselstaats Recht – r[4][eicht schon wieder
alles nicht], was mühsam an Klimakompromissen errungen wurde?
„Der COP 28-Abschluss wird die Welt nicht in die Lage versetzen, die
1,5-Grad-Grenze einzuhalten“, sagt Klimawissenschaftler Johan Rockström,
Co-Chef des renommierten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Von
einem „entscheidenden Meilenstein“ spricht er trotzdem. „Die Aussage zur
Abkehr von fossilen Brennstoffen bleibt jedoch zu vage und es gibt keine
harten und nachvollziehbaren Grenzen für 2030, 2040 und 2050.“ Es gebe
keinen überzeugenden Plan, wie der Übergang weg von fossilen Brennstoffen
erfolgen soll. „Wir wissen, dass dies nicht allein durch nationale
freiwillige Maßnahmen geschehen wird“, so Rockström. „Es sind auch
kollektive, globale Vereinbarungen über die Finanzierung, die Bepreisung
von Kohlenstoff und den Technologieaustausch erforderlich, und zwar in
einem Umfang, der weit über das hinausgeht, was derzeit auf dem Tisch
liegt.“
## Finanziell verantwortungslos
Neben der Abkehr von fossilen Kraftstoffen haben sich die Staaten in der
Globalen Bestandsaufnahme vorgenommen, die Kapazität an erneuerbarer
Energie bis 2030 zu verdreifachen sowie das Tempo bei der Steigerung der
Energieeffizienz zu verdoppeln.
Es sind auch weitere Beschlüsse gefallen, ein globales Anpassungsziel
beispielsweise. Es soll helfen, die Welt auf die Folgen der Klimakrise
vorzubereiten, die nicht mehr zu verhindern sind – damit mehr Menschen
Hitze, Starkregen, Dürre, Fluten und Meeresspiegelanstieg überleben. Das
betrifft [5][sämtliche Länder, aber besonders den Globalen Süden]. Dort
fehlt es an Geld, um die nötigen Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen.
„Die Weltgemeinschaft zeigt sich empathisch für die Nöte und den
Überlebenskampf derjenigen in der Klimakrise, die sie nicht verursacht
haben, aber am stärksten betroffen sind“, meint Sabine Minninger von Brot
für die Welt. „Jedoch mangelt es bei den Verursachern der Klimakrise
erheblich am politischen Willen, auch finanziell Verantwortung zu
übernehmen.“
Also wird nächstes Jahr weiterverhandelt. 2024 zieht die COP nach
Aserbaidschan. Klar war, dass dem üblichen Turnus entsprechend ein Land aus
Osteuropa, Kaukasus oder Zentralasien dran ist. Russland blockierte
Bewerbungen von EU-Ländern. Und auch Aserbaidschan kam durch den Angriff
auf Armenien nicht infrage – bis es doch eine Übereinkunft gab. Wie die
Vereinigten Arabischen Emirate gehört Aserbaidschan zu den Ländern, deren
Wirtschaftskraft stark auf dem Export von fossilem Öl beruht.
13 Dec 2023
## LINKS
[1] /COP28-Praesident-in-der-Defensive/!5978223
[2] /Reaktionen-auf-Klimakonferenz-COP/!5980245
[3] /Berater-ueber-Klima-Verhandlungen/!5979081
[4] /Ausgang-der-Weltklimakonferenz-COP28/!5976301
[5] /Nahost-Frage-beim-Klimagipfel/!5976174
## AUTOREN
Susanne Schwarz
## TAGS
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Schwerpunkt Klimawandel
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