| # taz.de -- Urteil des EuGH: Schranken für die Schufa | |
| > Der Europäische Gerichtshof schränkt das umstrittene Scoring der | |
| > Auskunftei ein. Laut Experten könnte auch das Geschäftsgeheimnis ins | |
| > Wanken geraten. | |
| Bild: Wie darf ich beim Online-Shopping zahlen? Darüber entscheidet häufig de… | |
| Berlin/Freiburg taz | Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit zwei | |
| [1][Urteilen] einen wichtigen Teil des Geschäftsmodells der [2][Auskunftei | |
| Schufa] weitgehend infrage gestellt. Deren Bonitätseinschätzungen werden | |
| derzeit wohl ohne Rechtsgrundlage erstellt und wären damit rechtswidrig, | |
| das heißt, die Schufa müsste alle sogenannten Scoring-Werte der | |
| Bundesbürger:innen löschen. | |
| Die Schufa hat Informationen über 68 Millionen Menschen gespeichert. Ihre | |
| Computer berechnen aus diesen Daten nach einem geheimen Algorithmus, die | |
| Wahrscheinlichkeit, ob jemand in der Lage ist, etwa die Rechnung für einen | |
| Mobilfunk-Vertrag zu begleichen oder einen Kredit zurückzuzahlen. Der EuGH | |
| musste sich auf Vorlage des Verwaltungsgerichts (VG) Wiesbaden in zwei | |
| Verfahren mit der Schufa beschäftigen. | |
| Im ersten Urteil stellte der EuGH fest, dass die Erstellung der | |
| „Wahrscheinlichkeitswerte“ durch die Schufa eine automatisierte | |
| „Entscheidung“ ist, die gemäß Artikel 22 der Datenschutz-Grundverordnung | |
| (DSGVO) grundsätzlich verboten ist. Der EuGH wies das Argument der Schufa | |
| zurück, sie bereite nur die Entscheidungen der Banken und | |
| Mobilfunkunternehmen vor. | |
| Bereits die Bonitätseinstufung der Schufa könne die Betroffenen „zumindest | |
| erheblich beeinträchtigen“, weil sie laut VG Wiesbaden „maßgeblich“ fü… | |
| Bereitschaft der Unternehmen ist, einen Vertrag abzuschließen. Würde erst | |
| auf das Handeln der Banken und Mobilfunkunternehmen abgestellt, käme es | |
| laut EuGH zu „Rechtsschutzlücken“. | |
| Zwar ermöglicht Artikel 22 DSGVO, dass automatisierte Entscheidungen durch | |
| andere EU- oder nationale Gesetze erlaubt werden. In Deutschland gilt | |
| bisher Paragraf 31 Bundesdatenschutzgesetz als Erlaubnis des Scorings. Der | |
| EuGH hat gegen diese Norm jedoch „durchgreifende Bedenken“. Wenn das VG | |
| Wiesbaden dem folgt, handelt die Schufa bei ihren Bonitätseinstufungen ohne | |
| Rechtsgrundlage und damit generell rechtswidrig. | |
| ## Bonitätseinstufungen versus Grundrechte | |
| Theoretisch kann der Bundestag Paragraf 31 nachbessern, um das Geschäft der | |
| Schufa und ähnlicher Auskunfteien wie Creditreform zu retten. Dabei muss er | |
| aber die Anforderungen des EuGH aus seinem zweiten Schufa-Urteil beachten. | |
| Danach müssen die berechtigten Interessen der Schufa und auch der deutschen | |
| Wirtschaft an kurzfristig verfügbaren Bonitätseinstufungen stets mit den | |
| Grundrechten der gespeicherten Bürger:innen abgewogen werden. | |
| Wie streng der EuGH dabei ist, zeigt er im konkreten Fall: So dürfe die | |
| Schufa Daten über eine Restschuldbefreiung nicht drei Jahre speichern, wenn | |
| sie im staatlichen Insolvenzregister nach sechs Monaten gelöscht werden | |
| muss. [3][Die Schufa hat das geahnt und schon vor dem Urteil die | |
| Speicherung auf sechs Monate verkürzt.] Doch auch eine sechsmonatige | |
| Speicherung könnte unzulässig sein, weil die Daten ja bereits im | |
| Insolvenzregister zur Verfügung stehen. Dies muss aber letztlich noch das | |
| VG Wiesbaden entscheiden. | |
| Was das alles für Verbraucher:innen bedeutet, ist noch nicht | |
| abzuschätzen. Zunächst ist abzuwarten, wie die Schufa, deutsche Gerichte | |
| und der Gesetzgeber mit dem EuGH-Urteil umgehen. | |
| Der Verbraucherschutzverband Finanzwende begrüßte das Urteil. Es werde die | |
| Auskunftei zwingen, verantwortungsvoller als bisher mit ihrer | |
| Quasimonopolstellung umzugehen. „Die Macht der Schufa bröckelt – das wird | |
| auch höchste Zeit“, so Finanzwende-Mitarbeiter Michael Möller. | |
| Der Datenschutzjurist Peter Hense von der Kanzlei Spirit Legal spricht vom | |
| Ende eines „seit Jahren rechtswidrigen“ Geschäftsmodells: „Diese | |
| rechtswidrigen Schufa-Scores haben ihre toxische Wirkung entfaltet, indem | |
| sie von verschiedenen Unternehmen – von Banken über Versicherungen bis hin | |
| zu E-Commerce-Unternehmen – als verlässliche Indikatoren angesehen wurden.“ | |
| Das stelle sich nun als falsch heraus. | |
| Laut dem Verbraucherrechtsanwalt Christian Solmecke könnte die Schufa in | |
| weiteren Gerichtsverfahren dazu gezwungen werden, genauer zu erklären, wie | |
| der Score berechnet wird – also welche Faktoren eine Rolle spielen und wie | |
| sie gewichtet werden. [4][Bislang macht die Schufa hier nur einen | |
| Ausschnitt öffentlich]. „Je nachdem, wie deutsche Gerichte das EuGH-Urteil | |
| interpretieren, könnte damit das Geschäftsgeheimnis der Schufa ebenfalls | |
| ins Wanken kommen“, so Solmecke. | |
| Die Schufa selbst hingegen teilte in ihrer Einschätzung mit, dass die | |
| Mehrheit ihrer Geschäftskunden – etwa Banken, Mobilfunkanbieter oder | |
| Online-Händler – die Scoring-Daten weiter nutzen könne. Vorstand Ole | |
| Schröder wünscht sich allerdings von der Bundesregierung, das | |
| Bundesdatenschutzgesetz so anzupassen, dass die rechtlichen Bedenken des | |
| EuGH ausgeräumt würden. | |
| 7 Dec 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=280426&… | |
| [2] /Vor-EuGH-Urteil-zur-Schufa/!5978270 | |
| [3] /Zugestaendnis-der-Schufa/!5927575 | |
| [4] /Transparenz-bei-der-Schufa/!5945036 | |
| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
| Christian Rath | |
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