# taz.de -- Vor EuGH-Urteil zur Schufa: Gegenwind für Schufa-Score | |
> Der EuGH entscheidet am Donnerstag über die Bonitätseinstufung durch die | |
> Schufa. Die Auskunftei will am „Scoring“ festhalten – trotz aller Kriti… | |
Bild: Fußgängerzone Gelsenkirchen: Ein Mobilfunkanbieter wirbt für einen Ver… | |
BERLIN taz | Ist das Scoring, also die Bonitätseinschätzung der Schufa und | |
deren Einsatz bei Unternehmen wie Banken oder Mobilfunkanbietern, eine | |
automatisierte Entscheidung? Was nach einer etwas sperrigen Frage klingt, | |
beschäftigt die Branche seit Monaten. Denn diesen Donnerstag wird der | |
Europäische Gerichtshof (EuGH) darüber entscheiden. Und folgen die | |
Richter:innen dem Votum des Generalanwalts oder gehen sogar darüber | |
hinaus, wird die Schufa für ihre ohnehin schon umstrittene Praxis des | |
[1][Scoring] noch stärkeren Gegenwind bekommen. | |
Die Schufa ist Deutschlands größte Auskunftei im Verbraucherbereich. Rund | |
300.000 Mal täglich fragen etwa Banken, Händler und Mobilfunkunternehmen | |
bei ihr Daten zu der Bonität von Kund:innen an. Mithilfe dieser Daten | |
entscheiden die Unternehmen beispielsweise, ob und zu welchen Konditionen | |
jemand einen Kredit erhält, einen Mobilfunkvertrag oder die Möglichkeit, | |
bei der Onlinebestellung per Rechnung zu zahlen. Die Scores der Schufa | |
sollen dabei vorhersagen, mit welcher prozentualer Wahrscheinlichkeit der | |
Kunde oder die Kundin die Zahlungsverpflichtung erfüllen wird. | |
Auslöser für die vor dem EuGH gelandete Scoring-Frage war ein Kunde, dem | |
ein Kredit verweigert wurde. Er verlangte die Daten von der Schufa, erhielt | |
diese nicht und wandte sich an die zuständige Datenschutzaufsichtsbehörde. | |
Denn die Datenschutz-Grundverordnung sieht für automatisierte | |
Entscheidungen bestimmte Regeln vor – etwa Informationspflichten gegenüber | |
den Betroffenen. Ist der Schufa-Score also eine solche Entscheidung einer | |
Maschine über einen Menschen? Das ist eine der Fragen, die das | |
Verwaltungsgericht Wiesbaden, wo der Fall schließlich landete, dem EuGH | |
vorlegte. | |
[2][Der Generalanwalt des Gerichts, Priit Pikamäe, positionierte sich dazu | |
im Frühjahr eindeutig]: Ja. Er sei der Ansicht „dass bereits die | |
automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Fähigkeit | |
einer betroffenen Person, künftig einen Kredit zu bedienen“, so eine | |
automatisierte Entscheidung ist. Die Schufa schrieb daraufhin ihre | |
Geschäftskunden – also beispielsweise die Banken – an und fragte, wie | |
entscheidend der Score denn ist, zum Beispiel für die Frage: Kredit ja oder | |
nein? | |
Bei einem Pressegespräch Ende November sagte Felix Sperling, | |
Datenschutzbeauftragter der Schufa: „Es ist Konsens zwischen der Schufa und | |
ihren Kunden, dass die Schufa selbst keine Entscheidungen trifft.“ Der | |
Score führe auch nicht dazu, dass etwa eine Kreditwürdigkeitsprüfung | |
automatisch abgebrochen werde. | |
## Rechte für Verbraucher:innen | |
Für die Schufa ist das Geschäft mit dem Scoring zwar einer der kleineren | |
Posten in der Bilanz: Nach Unternehmensangaben macht das Scoring-Geschäft | |
aktuell 13 Prozent des Umsatzes aus. Der Großteil davon entfalle auf | |
Banken. Doch auch, wenn der EuGH seinem Generalanwalt folgt – am Scoring | |
festhalten will die Schufa trotzdem. | |
So stellte sie bei dem Gespräch Ende November verschiedene Strategien vor, | |
um das Scoring dennoch in der aktuellen Form weiterführen zu können: etwa | |
spezielle Verträge, um die Datenverarbeitung abzusichern, Einwilligungen | |
seitens der betroffenen Verbraucher:innen oder eine gesetzliche | |
Grundlage im Bundesdatenschutzgesetz. Die Datenschutz-Grundverordnung | |
(DSGVO) sieht hier ausdrücklich eine Öffnungsklausel vor. | |
Relevant könnte für Verbraucher:innen ein weiterer Punkt werden: Wenn | |
sie Betroffene einer automatisierten Entscheidung sind, haben sie laut | |
DSGVO weitergehende Auskunftsrechte. So muss das Unternehmen beispielsweise | |
die „involvierte Logik“ der Entscheidung erklären. | |
„Es könnte tatsächlich sein, dass dafür am Ende der Algorithmus offengelegt | |
werden muss“, sagt Matthias Spielkamp von der Menschenrechtsorganisation | |
Algorithmwatch. Das würde aber wohl nur dann passieren, wenn Gerichte in | |
weiteren Verfahren eine entsprechende Entscheidung treffen. Bislang gilt | |
ein Urteil des Bundesgerichtshofs, [3][das die Berechnung der Scores als | |
Geschäftsgeheimnis eingestuft hat.] | |
Spielkamp fordert eine grundsätzliche Debatte über das Scoring. „Es ist | |
volkswirtschaftlich sicher gut, dass man eine Bonitätsprüfung hat, weil so | |
Risiken vermieden werden, für die sonst jemand zahlen müsste.“ Zum Beispiel | |
sei es möglich, dass ohne eine Bonitätsprüfung die Ausfallquoten bei | |
Krediten stiegen und es so für alle teurer werde, einen Kredit aufzunehmen. | |
Aber, so Spielkamp: Es sei durchaus denkbar, dass die Banken diese Prüfung | |
selbst erledigten, ohne Daten der Schufa. Und wenn es doch eine Auskunftei | |
sein soll, dann solle die besser als öffentlich-rechtliches Unternehmen | |
organisiert sein – ohne die Absicht, aus der Datenverarbeitung Gewinne zu | |
erzielen. | |
6 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Transparenz-bei-der-Schufa/!5945036 | |
[2] https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=271343&… | |
[3] /Urteil-zum-Informationsanspruch/!5049798 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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