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# taz.de -- Film „Maestro“ von Bradley Cooper: Szenen einer fast perfekten …
> Der Star spielt den Star – und führt Regie. Bradley Cooper schnappt sich
> in „Maestro“ den Überdirigenten Leonard Bernstein.
Bild: Geduld mit ihm: Felicia Montealegre (Carey Mulligan) und Leonard Bernstei…
Im letzten Drittel von „Maestro“, Bradley Coopers biografischer Annäherung
an den legendären Dirigenten Leonard Bernstein, gibt es eine Szene, in der
[1][Bernstein Mahlers 2. Symphonie dirigiert, ein auf Youtube verewigter
Auftritt in der Ely Cathedral]. Cooper ahmt Bernstein bis ins Detail nach,
wirbelt mit den Händen, die Haare wild, der Schweiß fliegt, so wie die
Kamera, die in einer minutenlangen Einstellung mal ganz nah an Coopers
Gesicht klebt, in dem die Emotion des Moments abzulesen sind, dann weit
aufzieht, den ganzen Raum zeigt, wo ein komplettes Orchester spielt und
hunderte Statisten sitzen.
Ein spektakulärer, musikalisch wie filmisch atemberaubender Moment, der die
ganze Ambition von Cooper, dem Regisseur, zeigt – aber auch die ganze
Eitelkeit von Cooper, dem Star.
Schon in seinem [2][Regiedebüt „A Star Is Born“ ging Cooper] aufs Ganze,
schrieb nicht nur am Drehbuch mit, sondern auch an den Songs von Lady Gaga,
agierte als Produzent, spielte die Hauptrolle, führte Regie. Diesmal wird
Cooper im Abspann „nur“ viermal erwähnt, dafür werden als Co-Produzenten
gleich Martin Scorsese und Steven Spielberg genannt, was ganz gut zeigt,
dass es Bradley Cooper nicht nur darum geht, Filme zu drehen, sondern
darum, große, bedeutende Werke zu schaffen.
Als Thema hat er sich diesmal also Leonard Bernstein ausgesucht, der als
erster großer US-amerikanischer Dirigent gilt, der die Musik zu den
Musicals „On the Town“ und [3][„West Side Story“] schrieb, der Jahrelang
Fixpunkt der New Yorker Society war, der mit der Schauspielerin Felicia
Montealegre (Carey Mulligan) ein scheinbar konventionelles Leben führte,
aber zahllose Affären hatte, vor allem mit Männern.
## Schauspielerische Meisterleistung
Zumindest in der Interpretation von Cooper war jedoch Felicia die große
Liebe Bernsteins, war die Frau an seiner Seite der Halt, den der impulsive,
umtriebige Künstler brauchte. Ein impressionistisches Geflecht aus
Momentaufnahmen zeigt Cooper, lose der Entwicklung der Beziehung des Paares
folgend, nicht so penibel chronologisch wie etwa gerade [4][Ridley Scott in
seinem „Napoleon“-Film], nicht im Bemühen, jeden Moment einzufangen.
Was dazu führt, dass wichtige Mitstreiter Bernsteins nur am Rande erwähnt
werden, sein musikalisches Schaffen oft in den Hintergrund rückt, aber auch
dazu, das Mulligan und Cooper in Szenen einer Ehe aufgehen können, die eine
schauspielerische Meisterleistung darstellen.
Anfangs in Schwarzweiß, vom brillanten Kameramann Matthew Libatique im
klassischen 4:3 Format kadriert, später in Farbe, aber nicht den modernen,
kalten Farben heutiger Filme, sondern den satten Farben des
Technicolor-Zeitalters, liebt und streitet sich das Paar, changiert immer
hart an der Mimikry vorbei und schafft es doch, den Kern einer
ungewöhnlichen Ehe einzufangen.
Ob die reale Felicia die zahllosen homosexuellen Affären von Bernstein
tatsächlich in dem Maße tolerierte, wie es der Film behauptet, sei
dahingestellt, als Evokation einer großen Liebe funktioniert diese Lesart
hervorragend.
## Intensives, emotionales Schauspiel
Vor allem bietet sie den beiden Hauptdarstellern Gelegenheit, das zu tun,
was in Hollywood gerne als „acting with a capital A“ bezeichnet wird, also
als Schauspiel, das zu Bewunderung einlädt, ja geradezu auffordert. Was
wiederum perfekt zu einem Film passt, der immer wieder seine
Kunstbeflissenheit ausstellt, immer wieder spektakuläre Bilder zeigt, die
offensichtlich schwer zu realisieren waren.
Für Bradley Cooper war es ein weiter Weg vom Hauptdarsteller der sehr
erfolgreichen [5][Brachialkomödien „Hangover“] zum respektierten
Schauspieler, der nun einen Weg als Filmemacher einschlägt, der fast ohne
Beispiel ist. Zwar gibt es ehemalige Schauspieler, die zur Regie wechselten
und in Personalunion auch als Hauptdarsteller agierten.
Besonders Woody Allen und Clint Eastwood kommen in den Sinn, doch beide
variierten als Schauspieler fast ausschließlich ihre typische Persona,
während sie als Regisseure zwar souveräne, aber stilistisch eher klassische
Filme inszenierten. Cooper aber scheint alles zu wollen: als Regisseur
spektakuläre, eindringliche Bilder inszenieren und gleichzeitig als
Schauspieler Rollen übernehmen, bei denen es mit bloßer physischer
Anwesenheit nicht getan ist, sondern die intensives, emotionales Spiel
verlangen.
Eine ähnliche Vielfachbelastung traute sich höchstens noch Barbra Streisand
in ihrem Regiedebüt „Yentl“ zu, und auch Streisand wurde für ihre Ambition
gleichermaßen bewundert wie belächelt. Gerade in Hollywood ist der Grat
zwischen Ambition und Eitelkeit schmal; so gerne die Traumfabrik zur Regie
gewechselte Schauspieler mit den höchsten Weihen – dem Oscar – auszeichnet,
so wenig schätzt sie Schauspieler, die zu viel wollen, die sich nach ein,
zwei Filmen, im selben Atemzug wie die Größen der Vergangenheit sehen, die
nicht nur nach Erfolg streben, sondern nach Verehrung.
Dass er enormes Talent hat, als Schauspieler, aber auch als Regisseur, hat
Bradley Cooper erneut bewiesen. Gelänge es ihm nun noch, seine Eitelkeit zu
zügeln, wird er in den nächsten Jahren große Filme drehen und nicht nur
Filme mit großen Momenten.
5 Dec 2023
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=FZEusNJLoRw
[2] /Lidokino-5--Hinweise-auf-Verletzlichkeit/!5529796
[3] /Remake-der-West-Side-Story-im-Kino/!5814623
[4] /Neuer-Film-Napoleon/!5971020
[5] /US-Komoedie-Hangover/!5159375
## AUTOREN
Michael Meyns
## TAGS
Film
Schauspieler
Regisseur
Gustav Mahler
Schwerpunkt Filmfestspiele Venedig
Spielfilm
Film noir
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