# taz.de -- Feste feiern mit migrantischen Nachbarn: Die Zahnparty | |
> Eigentlich müssten Hamburger*innen nicht wegfliegen, um andere | |
> Kulturen kennen zu lernen. Es würde reichen, ihre migrantische | |
> Nachbarschaft zu besuchen. | |
Bild: Schnell feiern: der ersten Zahn bleibt nicht lang allein | |
Vor ein paar Wochen wurden meine Frau und ich von einer Bekannten zu einer | |
Zahnparty eingeladen. Die Bekannte ist deutsch-griechisch-ägyptisch. Ihr | |
Mann ist Afghane, der in Griechenland aufgewachsen ist. Auf der Party war | |
auch ein Pakistani, der eine Afghanin geheiratet hat, und noch einige | |
andere Afghan*innen. | |
Es war das erste Mal, dass ich an einer Zahnparty teilnahm. In unserer | |
Familie machen wir so etwas nicht, aber in vielen anderen syrischen und | |
migrantischen Familien feiern sie, wenn das Baby den ersten Zahn bekommt. | |
Wie bei vielen Festen wird viel gekocht, es gibt Süßigkeiten und auch halal | |
Getränke. Ähnlich wie bei jeder [1][Weihnachtsparty] in deutschen Familien | |
ohne Migrationshintergrund. Ich habe gelernt, dass Migrant*innen viel | |
feiern und sich immer wieder neue Feste oder Partys überlegen. Vielleicht, | |
weil sie immer versuchen, mit Feiern gegen das Exil und das Heimweh | |
anzukämpfen. Vielleicht versuchen wir, eine neue familiäre Gesellschaft | |
auch in unseren neuen Heimaten zu schaffen. | |
Als ich dort war und die Vielfalt an Essen aus unterschiedlichen Kulturen | |
sah, dachte ich, dass Deutschland die ganze Welt eingeladen hat und eine | |
[2][neue deutsche Welt] geschaffen hat, in der Menschen aus verschiedenen | |
Kulturen zusammen feiern und ihre Kinder zusammen feiern lassen, dabei | |
verschiedene Kulturen und Sprachen kennenlernen. | |
## Immer mehr Deutsche in migrantischen Communitys | |
In Syrien hatte ich früher nicht viel Kontakt zu fremden Menschen, außer zu | |
meinen Nachbar*innen und meinen Freunden in der Schule, die alle aus der | |
Nähe von Damaskus kamen. Wenn sie doch aus einer anderen Stadt kamen, dann | |
wurden sie bei uns aufgenommen und „diabiesiert“ (unser Stadtteil heißt | |
Diabia). Das erste Mal, dass ich viele Leute außerhalb meiner | |
Verwandtschaft traf, war an der Universität, wo ich Menschen aus ganz | |
Syrien, manchmal aber auch aus anderen arabischen Ländern kennenlernte. | |
Obwohl wir fast alle aus Syrien kamen, hatten wir unterschiedliche | |
Kulturen, Akzente, Traditionen und Speisen. Das war für mich damals wie ein | |
Kulturschock. Meine neuen Freunde und ich machten manchmal Witze | |
übereinander und darüber, wie die anderen etwas sagten, die mehr Spaß als | |
Beleidigung waren. | |
In Deutschland treffe ich fast jeden Tag [3][Menschen aus der ganzen Welt]. | |
Aber wenn ich an die Deutschen ohne Migrationsgeschichte denke, sehe ich, | |
dass auch viele von ihnen keine Bekanntschaften außerhalb ihres Kreises | |
machen. Andererseits kennen sie viele Rezepte und Essen aus der ganzen | |
Welt, während ich nur die syrische Küche kannte. Außer [4][Pizza], die | |
hatte es auch nach Syrien geschafft. | |
In Hamburg vermischen sich viele Kulturen in kleinen Wohnungen, um die | |
neuen Zähne eines Babys zu feiern. Meiner Erfahrung nach sind die meisten | |
dieser Partys davon immer noch unter migrantischen Communitys, bei denen | |
nur wenige Deutsche eingeladen werden oder teilnehmen möchten. Auch wenn | |
sich das seit 2015 durch neue Bekanntschaften und ehrenamtliche Tätigkeiten | |
verändert hat. | |
Hamburg ist so vielfältig, mit Menschen aus der ganzen Welt. Wer weiß, | |
vielleicht sind einige von ihnen deine Nachbar*innen? Eigentlich müssten | |
viele Hamburger*innen seltener um die halbe Welt fliegen, sondern nur | |
zu ihrer migrantischen Nachbarschaft gehen. | |
6 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Hussam Al Zaher | |
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