# taz.de -- Bauen ohne den Rohstoff Sand: Kaffeepause für den Sand | |
> Sand ist eine der wichtigsten Ressourcen und vor allem als Baustoff | |
> bisher unersetzlich. Weltweit suchen Forschende nach Alternativen. | |
Bild: Sieht aus, als gäbe es Sand wie Sand am Meer, täuscht aber | |
Was haben Zahnpasta, Computerchips und Klebstoff gemeinsam? In allen | |
Produkten ist Sand enthalten. Der ist nach Wasser die weltweit | |
zweitwichtigste Ressource. Besonders für den Bau von Straßen, Dämmen und | |
Häusern sind die feinen Körner unerlässlich, da sie für die | |
Betonherstellung oder die Aufschüttung von Land benutzt werden. | |
Laut einem [1][Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep)] | |
aus dem Jahr 2022 werden weltweit jährlich [2][50 Milliarden Tonnen Sand] | |
und Kies verbraucht. Das ist mehr als 16 Mal so viel, wie in Deutschland | |
Lastwagen jedes Jahr an Gütern transportieren. | |
Doch Sand ist keine unendliche Ressource. Der Nachschub wird knapper und | |
die globale Nachfrage steigt. Allein für Beton liegt der Mehrbedarf pro | |
Jahr bei 5,5 Prozent. Hinzu kommt: Sand ist nicht gleich Sand. Korngröße | |
und Inhaltsstoffe sind entscheidend – Wüstensand eignet sich beispielsweise | |
nicht zur Betonherstellung, da der Wind die Körner zu rund geschliffen hat. | |
Daher suchen Forscher:innen weltweit nach Alternativen. | |
Kaffeesatz | |
Fast vier Tassen Kaffee trinken Deutsche jeden Tag im Durchschnitt. Dabei | |
bleiben jährlich etwa 20 Millionen Tonnen Kaffeesatz übrig. Dieser wird | |
überwiegend entsorgt. Eine mögliche Lösung für seine Weiterverwertung haben | |
australische Forscher im August 2023 [3][in einer Studie] in der | |
Fachzeitschrift Journal of Cleaner Production vorgestellt. | |
„Wir wollten einen innovativen Weg finden, dem Kaffee eine doppelte Chance | |
zu geben“, erklärt Rajeev Roychand von der RMIT University in Melbourne, | |
der Hauptautor der Studie. Die Forscher erhitzten das gebrauchte | |
Kaffeepulver im Vakuum auf 350 Grad Celsius. | |
Durch dieses sogenannte Niedrigenergieverfahren entsteht ein | |
kohlenstoffreiches poröses Material: Kaffee-Biokohle. Die Kohle verwendete | |
die Forschergruppe in unterschiedlicher Konzentration als Ersatz für Sand – | |
bis zu 20 Prozent des Sandes tauschten sie in mehreren Schritten damit aus. | |
Durch ihre Porenstruktur und den Kohlenstoffgehalt speichert die Biokohle | |
Wasser. Das kann sie bei Bedarf an den ausgehärteten Beton abgeben und so | |
Mikrorisse, die beim Austrocknen entstehen könnten, verhindern. | |
Durch diesen Prozess soll die Betonfestigkeit verbessert werden. | |
Kaffeesatz-Biokohle, die bei 350 Grad hergestellt und als 15-prozentiger | |
Volumenersatz für Sand verwendet wird, erhöhe die Betonfestigkeit um etwa | |
30 Prozent, sagen die australischen Forscher. | |
Doch kann Kaffeesatz im Massenbau eine Alternative zu Sand bieten? Johannes | |
Kreißig, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB), | |
stellt das infrage. Er sehe bei Kaffeesatz keine skalierbare Lösung, die | |
uns in Sachen Ressourcenschonung und somit bei dem Kampf gegen | |
Verschmutzung weiterbringe, sagt Kreißig. „Selbst wenn aller Kaffeesatz | |
gesammelt wird, kann damit nur ein verschwindend kleiner Bruchteil des | |
gesamten Bausandbedarfs gedeckt werden. Zudem sind die mit den Transporten | |
verbundenen CO2-Emissionen in den Blick zu nehmen.“ | |
Gebrauchte Windeln | |
Mit einem kuriosen Sandersatz könnte die Baubranche bald in Indonesien | |
planen: [4][gebrauchte Windeln]. Ein Forschungsteam der japanischen | |
Universität Kitakyushu will Bauen in Indonesien bezahlbarer machen und | |
zugleich Mülldeponien entlasten. Das berichteten sie [5][im Mai 2023 in der | |
Fachzeitschrift Scientific Reports]. | |
Die Wissenschaftler:innen um Bauingenieurin Siswanti Zuraida nahmen | |
für die Studie als Ausgangsmaterial entsorgte Windeln. Gereinigt, | |
desinfiziert und geschreddert wurden die Windeln in verschiedenen Anteilen | |
in Betonmischungen gegeben. Nachdem die Mischungen nach 28 Tagen | |
ausgehärtet waren, prüften die Forscher:innen die Druckfestigkeit und | |
mechanischen Eigenschaften der Baustoffproben. | |
Sie kamen zu dem Ergebnis, dass bei einem dreistöckigen Haus der | |
Feinkornanteil maximal zu 10 Prozent durch Windeln ersetzt werden kann. Bei | |
einem einstöckigen Gebäude sind es bis zu 27 Prozent. Je höher das Gebäude, | |
desto niedriger somit der Anteil an Windeln. | |
Im Mörtel für Bodenplatten, im Haus oder auf der Terrasse, können die | |
geschredderten Windeln laut der Studie bis zu 9 Prozent des Sands ersetzen. | |
Die Forschungsgruppe erklärt, dass das Projekt derzeit noch nicht ohne | |
Weiteres umzusetzen sei. Zum einen gebe es bislang keine Firmen, die | |
Einwegwindeln als Recyclingmaterial verwenden, denn bisher werden Windeln | |
mehrheitlich verbrannt. | |
Zum anderen erlauben die Bauvorschriften Indonesiens aktuell nur | |
konventionelle Baumaterialien. Hinzu kommen Probleme bei der Aufbereitung | |
der Windeln: Der Bedarf an Maschinen zur Zerkleinerung des Abfalls ist | |
ebenfalls entscheidend für die Produktion von Windelbeton in großem | |
Maßstab. | |
Annette Hillebrandt, Architektin und Professorin für Baukonstruktion an der | |
Bergischen Universität Wuppertal warnt vor der Gefahr des Downcycling. Die | |
in den Windeln enthaltenen Kunststoffe bekommt man nicht ohne | |
Komplikationen aus dem Beton heraus. „Wir basteln uns gerade die | |
Entsorgungsproblematik der Zukunft, wenn verschiedene Stoffgruppen, hier | |
mineralische und kunststoffbasierte nicht getrennt werden.“ Ähnliche | |
Bedenken äußert Kreißig. Neben den Schwierigkeiten des Recyclings ist die | |
Reinigung und das Desinfizieren der Windeln mit einem hohen CO2-Ausstoß | |
verbunden. | |
Müllverbrennungsasche | |
Auf deutschen Deponien lagern riesige Mengen von | |
Hausmüllverbrennungsschlacken. Und jährlich kommen über fünf Millionen | |
Tonnen Rückstände dazu. Diese Endprodukte dürfen die Mülldeponien nicht | |
entsorgen, da sie beispielsweise Schwermetalle, Chloride oder Sulfate | |
enthalten. | |
Das führe zu einer „Schönrechnung“, sagt Volker Thome vom Frauenhofer | |
Institut für Bauphysik (IBP). „Sie verlassen die Deponien nicht, gelten | |
aber als recycelt.“ Dabei ginge noch mehr: In Müllverbrennungsschlacken | |
sind Schmelzgranulate enthalten, die extrem hart sind. Diese Stoffe können | |
ohne weiteres als Sandersatz im Beton verwendet werden, sagt Thome. „Das | |
ist eine Quelle, die nicht versiegt. Denn solange es Menschen gibt, wird es | |
Müll geben; solange es Menschen gibt, wird es auch | |
Müllverbrennungsschlacken geben.“ | |
Damit Müllverbrennungsaschen als Ausgangsstoff von Beton verwendet werden | |
können, müssen die Aschebestandteile und insbesondere die mineralische | |
Rückständen aus der Müllverbrennungen möglichst sortenrein getrennt werden. | |
Dafür wird bei der Aufbereitung zunächst der Grobschrott entfernt, dann | |
Nicht-Eisenmetalle wie Kupfer oder Messing. Somit werden nicht nur | |
Schmelzgranulate gewonnen, sondern auch große Mengen an Rohstoffen wie | |
Kupfer oder Aluminium. | |
Befinden sich im aufbereiteten Ausgangsstoff Bestandteile wie Metalle oder | |
Glas, könnte das nachteilige Effekte auf die Eigenschaft von Beton haben. | |
Derzeit werden Schmelzgranulate noch nicht als [6][Sandersatz] eingesetzt, | |
da sie zum Beispiel noch Sulfate erhalten. Das Ziel: reine Granulate ohne | |
Störstoffe. Unterschiedliche Einrichtungen forschen zurzeit daran, diese | |
Aschen oder Schlacken aufzubereiten. Auch beim Fraunhofer-Institut für | |
Bauphysik läuft dazu [7][ein öffentliches Projekt namens „ASHCON“.] Aus d… | |
aufbereiteten Aschen sollen Pflastersteine hergestellt werden. | |
„Bislang haben wir keine Nachteile feststellen können, alle | |
betontechnologischen Prüfungen gaben bislang keine Beanstandungen“, sagt | |
Thome. Sollten weitere Untersuchungen positiv verlaufen, strebt das IBP | |
eine Zulassung beim Deutschen Institut für Bautechnik an. Dann kann die | |
Verwertung von Hausmüllverbrennungsaschen auf dem Markt umgesetzt werden. | |
4 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.unep.org/resources/report/sand-and-sustainability-10-strategic-… | |
[2] /Kinder-fragen-die-taz-antwortet/!5825720 | |
[3] https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0959652623023636 | |
[4] /Windeln/!t5261365 | |
[5] https://www.nature.com/articles/s41598-023-32981-y | |
[6] /Umweltschaeden-durch-Sandabbau/!5452581 | |
[7] https://www.th-koeln.de/bauingenieurwesen-und-umwelttechnik/einsatz-von-auf… | |
## AUTOREN | |
Manuel Rank | |
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