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# taz.de -- Heuschreckenschwärme in Uganda: Wann kommen sie endlich wieder?
> Zur Adventszeit fliegen eigentlich unzählige Heuschrecken über die Felder
> Ugandas. Doch dieses Jahr bleiben sie aus – zum Leid vieler
> Feinschmecker.
Bild: Als das Angebot auf den Märkten in Kampala noch üppig war
Kampala taz | Auf sämtlichen sozialen Medien beschäftigt die Menschen in
Uganda nur noch ein Thema. „Ich vermisse euch so sehr“, schreibt etwa eine
Userin auf X (früher Twitter). Ein Kommentar darunter lautet: „All
denjenigen, die Nsenene essen, was ist eigentlich euer Problem?“ Auch in
Radio- und Fernsehtalkshows: Uganda diskutiert über das Ausbleiben der
diesjährigen Heuschreckenschwärme in Ostafrika. Denn gerupft und in
Zwiebeln und Tomatenmark frittiert werden die proteinreichen Insekten, in
der lokalen Sprache Luganda [1][„Nsenene“ genannt, als Snack in der
Adventszeit vernascht].
Doch dieses Jahr ist das anders. Bislang wurde kaum ein einziger Grashüpfer
gesichtet – geschweige denn die gigantischen Schwärme, die sich
normalerweise in dieser Jahreszeit über das Land ergießen.
Was in der Bibel als Plage steht, ist in Uganda ein wirtschaftlicher Segen:
„Normalerweise ist jetzt Hochsaison, und wir könnten so viel Geld machen“,
erklärt ein Farmer gegenüber der ugandischen Tageszeitung Daily Monitor.
„Ich hatte so viel Hoffnung, dass ich diese Saison richtig viel Geld
verdiene, weil es so viel geregnet hat, doch dann kam es anders“, klagt ein
weiterer Bauer.
Im landwirtschaftlich geprägten Land lebt ein ganzer Wirtschaftszweig von
Nsenene. Farmer bauen jährlich im Oktober Fallen auf, um die fliegenden
Hüpfer zu fangen. Dazu schleppen sie Dieselgeneratoren in die Sumpfgebiete,
bauen grelle Scheinwerfer auf und richten sie in den Himmel. Das soll die
Schwärme anziehen – sie fliegen vor allem nachts.
## Knusprige Insektensnacks
Unter die Lichtkegel spannen die Bauern reflektierende Wellbleche und
Netze, sodass sich die Insekten darin verfangen und in eine Tonne rutschen.
Darin betäubt sie Rauch. Ist die Tonne voll, rupfen viele flinke Finger den
Insekten die Flügel und waschen sie. Eine Armada an Frauen frittieren sie
dann zu knusprigen Snacks.
Restaurants und Sportsbars werben sonst um diese Jahreszeit mit ihren
Nsenene-Angeboten. Entlang der Hauptverkehrsstraßen, wo sich in Stoßzeiten
die Autos stauen, werden die Nsenene normalerweise aus Eimern heraus in
kleine Plastiktüten abgefüllt und an die wartenden Autofahrer verkauft.
Gerade in der Vorweihnachtszeit, wenn Ugander zu Partys einladen, darf
dieser Snack auf keinem Buffet fehlen.
Doch warum sind die Heuschreckenfallen in diesem Jahr leer? Darüber
spekuliert das ganze Land. Selbst Ugandas Präsident Yoweri Museveni äußerte
sich dazu. Es sei der Monat der Heuschrecken, schrieb er auf seinem
X-Account, doch: „Wo sind sie? Ist es der Klimawandel?“ Er selbst esse
Nsenene zwar nicht, wünsche den Fans allerdings viel Glück, so der
Präsident. Man solle ihm Bescheid geben, wenn sie auftauchen.
Die Frage beschäftigt auch Wissenschaftler – und die schlagen nun Alarm.
„Die Bevölkerung muss ihre [2][Haltung gegenüber der Umwelt verändern]“,
mahnt Philip Nyeko, einer der führenden Insektenforscher an Ugandas
staatlicher Makerere-Universität. Die meisten Grashüpfer brüten in den
Sumpfgebieten entlang des Nils oder rund um den Victoriasee. Doch diese
Feuchtbiotope, die zwar per Gesetz geschützt sind, werden zunehmend
zerstört. „Die meisten unserer essbaren Insekten werden für immer
verschwinden, wenn wir ihre Brutgebiete nicht schützen“, warnt er.
Ein weiterer Insektenforscher, Javira Beturumura, nennt den zunehmenden
Klimawandel als weitere Ursache. In diesem Jahr führt das sogenannte
El-Nino-Wetterphänomen im Pazifik wieder zu starken Regenfällen in der
Region. Doch bei Nässe schlüpfen die Grashüpfer nicht aus den Eiern.
Wer Nsenene mag, hofft nun auf ein Nachlassen der Regenzeit. Unterdessen
tauschen sich Heuschrecken-Farmer jede Nacht auf X aus, wo vereinzelt
Heuschrecken auftauchen. Am Donnerstagmorgen dann endlich: Das erste Video,
nachts aufgenommen, von einer Wolke fliegender Hüpfer. „Sie sind endlich da
… sie sind herzlich willkommen! Unsere [3][ugandische Delikatesse!]“, heißt
es darunter.
27 Nov 2023
## LINKS
[1] /Grashuepfer-Snack-bei-Uganda-Airlines/!5826748
[2] /Neue-Studie-zu-Insektensterben/!5962842
[3] /Insekten-als-Delikatesse/!5907696
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Insekten
Uganda
Ernährung
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