| # taz.de -- Stahlbranche schlägt Alarm: Umbau der Industrie in Gefahr | |
| > Nach dem Haushaltsurteil des Verfassungsgerichts ist vieles offen. Die | |
| > Stahlbranche fordert von der Regierung Ansagen zum Umbau der Wirtschaft. | |
| Bild: Stahlarbeiter bei ThyssenKrupp in Duisburg: Noch sind die Co2-Emissionen … | |
| Berlin taz | Die Stahlbranche macht Druck auf die Bundesregierung, nach dem | |
| Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts rasch zu entscheiden, wie es | |
| mit der Förderung des klimagerechten Umbaus der Industrie weitergeht. | |
| Unternehmen brauchten Planungssicherheit, sagte Bernhard Osburg, Präsident | |
| der Wirtschaftsvereinigung Stahl am Donnerstag vor Journalist:innen. | |
| „Die Politik ist aufgefordert, schnell und verlässlich Antworten zu finden, | |
| wie die Transformation der Industrie verlässlich finanziert werden kann“, | |
| sagte Osburg, der auch Chef des größten deutschen Stahlkonzerns | |
| ThyssenKrupp Steel Europe ist. Ohne eine Anschubfinanzierung für | |
| Unternehmen drohe der Verlust industrieller Substanz, warnte er. Gemeinsam | |
| mit dem Bundesverband der Erneuerbaren Energien (BEE) fordert er von der | |
| Bundesregierung die Einberufung eines „Transformationsgipfels“, um | |
| verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. | |
| In der vergangenen Woche hat das [1][Bundesverfassungsgericht das | |
| Verschieben von Kreditermächtigungen für Coronahilfen in Höhe von 60 | |
| Milliarden in den Klima- und Transformationsfonds (KTF)] untersagt. Das | |
| Urteil hat weitreichende Auswirkungen, etwa auf weitere Finanzierungstöpfe | |
| und die Bundeshaushalte 2023 und 2024 – welche genau, ist noch unklar. | |
| Bundesfinanzminister [2][Christian Lindner (FDP) hat eine Haushaltssperre | |
| verhängt]. Die Stahlbranche und der BEE fürchten, dass infolge des Urteils | |
| die Finanzierung des klimagerechten Umbaus der Industrie insgesamt ins | |
| Wanken gerät. Die Stahlindustrie ist ein wichtiger Faktor auf diesem Weg. | |
| Ein Drittel aller industriellen CO2-Emmissionen stammen laut Osburg aus der | |
| Stahlproduktion. | |
| Über [3][den KTF sollten ursprünglich bis 2027 rund 212 Milliarden Euro für | |
| den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft] zur Verfügung stehen. Durch das | |
| Urteil ist mehr als ein Viertel davon weggebrochen. Es sei völlig unklar, | |
| welche Projekte für die Industrie bestand haben und welche nicht, | |
| kritisierte Osburg. Bewilligte Förderungen sind nicht gefährdet. Das gilt | |
| aber nur für ein Projekt von ThyssenKrupp und eines von der Salzgitter AG. | |
| ## Umstieg von Kohle auf Strom | |
| Die Branche fürchtet, dass unter anderem die sogenannten Klimaverträge zur | |
| Disposition stehen, die bislang über den KTF finanziert werden sollten. Bei | |
| diesen Verträgen unterstützt der Staat unter bestimmten Voraussetzungen | |
| Investitionen in klimafreundliche Technologien, bei Erfolg fließt Geld | |
| zurück. Bei der konventionellen Stahlproduktion gehe es darum, in den | |
| kommenden Jahren den Umstieg von Kohle als Energieträger auf Strom zu | |
| bewältigen, sagte Osburg. „Wenn das nicht finanziert wird, hat das Folgen | |
| für die Wettbewerbsfähigkeit und die Klimaziele.“ Die Unternehmen müssten | |
| jetzt Investitionsentscheidungen treffen. Dazu bräuchten sie schnell | |
| Planungssicherheit. | |
| In der Stahlbranche arbeiten nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung direkt | |
| 80.000 Beschäftigte. Weil viele Produkte aus Stahl hergestellt werden, | |
| biete die Branche den Angaben zufolge indirekt 4 Millionen Jobs. Zwei | |
| Drittel aller Exporte stehen in enger Verbindung mit Stahl, sagte Osburg. | |
| „Stahl ist ein zentrales Produkt für die Transformation insgesamt“, betonte | |
| er. | |
| Das sieht auch BEE-Präsidentin Simone Peter so. „Die Erneuerbaren-Industrie | |
| in Deutschland braucht zentrale Grundstoffe wie Stahl und die Industrie | |
| eine bezahlbare und zuverlässige Energieversorgung“, sagte sie. Windräder | |
| etwa bestehen aus Stahl, auch Rohre für den Wasserstofftransport. Bei dem | |
| von Peter und Osburg geforderten Transformationsgipfel soll es darum gehen, | |
| die verlorene Planungs- und Investitionssicherheit für die Unternehmen | |
| wiederherzustellen. An dem Gipfel sollen Vertreter:innen von | |
| Unternehmen, Gewerkschaften, Bund und Ländern teilnehmen. | |
| Die Stahlhersteller treibt die Furcht um, dass die Bundesregierung nun die | |
| Mittel zur Dämpfung der hohen Stromkosten in der Industrie streicht, die | |
| sie nach langem Ringen beschlossen hat. Schon vor dem Urteil des | |
| Verfassungsgerichts war die Lage für zahlreiche Unternehmen schwierig. | |
| Aufgrund hoher Energiekosten ist die Produktion in Elektrostahlwerken, die | |
| Schrott verarbeiten, massiv eingebrochen. Im Oktober 2023 wurde nach | |
| Angaben des Branchenverbands fast ein Drittel weniger Stahl in diesen | |
| Werken produziert als im Oktober 2020. | |
| Die Bundesregierung ist derzeit nicht dazu in der Lage, den Sorgen der | |
| Industrie etwas entgegenzusetzen. Unter Federführung des Finanzministeriums | |
| wertet sie das Urteil weiterhin aus. Auch die Aufstellung eines neuen | |
| Finanzplans für den KTF dauert an. „Das erfordert angesichts der komplexen | |
| Aufgabe Sorgfalt und etwas Zeit“, sagte eine Sprecherin des | |
| Bundeswirtschaftsministeriums. Zu „spezifischen Fragen und Programmen“ | |
| könnten aktuell keine Angaben gemacht werden. | |
| 24 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Anja Krüger | |
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