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# taz.de -- Radrowdies auf Berlins Gehwegen: Das Rollen neben der Straße
> Auf dem Gehweg Fahrrad fahren? Aber das machen doch alle! Ein flottes und
> unbekümmertes Rollen – unsere Kolumnistin hat das sowas von satt.
Bild: Die normale Berliner Gehweg-Perspektive: Von überall her rollt's einem m…
Regelmäßige Leser*innen meiner Kolumne mögen sich schon gefragt haben,
warum ich als Fußgängerin denn noch gar nichts über das Problem der
Fahrradfahrenden auf dem Gehweg geschrieben habe.
Das liegt daran, dass ich es so furchtbar satthabe: Ich habe es satt, dass
Radler*innen mich in rasantem Tempo umfahren, wenn sie auf der vollen
Straße in ihrem Tempo gerade nicht weiterkommen und den Gehweg als
Ausweichspur betrachten, und ich habe es ebenso satt, wenn sie das abends
im Dunklen tun, weil das Licht an ihrem Rad mal wieder nicht geht und
zwischen den Autos ja ihnen etwas passieren könnte. Ich habe es satt, dass
Radler freihändig eiernd an mir vorbeifahren, weil sie gerade eine
Nachricht auf dem Handy schreiben wollen. Ich habe es satt, wenn eine
Gruppe von Tourist*innen auf E-Bikes mir in voller Breite entgegenkommt,
weil ihnen irgendein Fahrradverleiher angeblich erklärt hat, in Berlin
dürfe man auch auf dem Gehweg Fahrrad fahren, „dooooch! Ganz bestimmt, das
darf man! Machen doch alle!“
Ja, genau.
Und ich habe es vor allem satt, wenn mir mal wieder irgendein Blödmann auf
dem Rad auf dem Gehweg beim Vorbeirasen so ein herablassend gedehntes
„Jaaajaaa …“ zuwirft, wenn ich ihn frage, was denn gegen den breiten, mit
Plastikpollern gesicherten Radweg einzuwenden sei, der direkt neben dem
Bürgersteig verläuft. Denn es ist dies das überhebliche „Jaja“ derjenige…
die eigentlich denken: „Zeter du nur, mit euch räumen wir auch noch auf!“
Und es verwundert, verletzt und beschämt mich aus verschiedenen Gründen.
Es verwundert mich, weil ich denke, dass Radfahrer*innen doch manchmal
wohl auch zu Fuß gehen müssen und dabei selbst erleben, wie gefährlich es
ist, auf dem Gehweg schnell Rad zu fahren, übrigens ja auch für die
Radfahrenden!
Es verletzt mich, weil ich als zu Fuß Gehende in der vollen Großstadt, in
der auch [1][der öffentliche Raum ein Luxusgut] geworden ist, ebenso wie
alle anderen Verkehrsteilnehmer*innen gesehen und akzeptiert werden,
Raum und Rechte haben will. Ich bitte um Entschuldigung, aber es muss doch
auch dem dümmsten Fahrradfahrer klar sein, dass nicht jede*r jede*rzeit
Fahrrad fahren kann oder will (irgendwann zum Beispiel auch er selber auf
Krücken nach dem Zusammenstoß mit einer Fußgängerin …). Nein, uns
Fußgänger*innen werdet ihr nicht los, andersherum wird ein Schuh
daraus: Ihr werdet alt und/oder krank und den Gehweg zu Fuß benutzen
müssen, und dann wollen wir mal sehen, wer zetert!
## Ich will das nicht sein
Und da sind wir beim dritten Punkt, dass es mich beschämt – denn ich will
ja gar nicht so sein! Ich will keine zeternde Alte sein, die Radrowdies
auf dem Gehweg „Arschloch“ hinterherruft (ja, leider schon passiert,
sorry!), und ich bin mir selber peinlich, wenn ich im Internet nachschaue,
was „Fahrrad schieben“ auf Englisch heißt („push your bike“), damit ich
auch ausländischen Tourist*innen korrekte Auskunft geben kann.
Ich bin einfach nur Fußgängerin: kein starres Hindernis, sondern ein
bewegliches Subjekt, das auf dem Gehweg mal plötzlich nach rechts geht, um
die Straße zu überqueren, mal nach links schlendert, um in ein Schaufenster
zu schauen, mal im Zickzack überholend unterwegs ist, weil sie es eilig
hat, mal kurz stehen bleibt, um mit Bekannten zu plaudern. Und die das
darf. Ja, sie darf das. Und jetzt ist auch genug gezetert.
(Moment noch: Allen Radfahrer*innen, die nun fiese Kommentare unter diese
Kolumne schreiben wollen, rufe ich jetzt schon zu: „Jaajaa …! Schiebt
einfach ab.“)
20 Nov 2023
## LINKS
[1] /Wohnen-in-Berlin-als-Luxusproblem/!5926478
## AUTOREN
Alke Wierth
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