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# taz.de -- AfD-Verbot und Aktivismus: Die linke Lust am Verbot
> Das Zentrum für Politische Schönheit hat ein AfD-Verbot gefordert. Doch
> sind staatliche Strukturen die richtigen Verbündeten gegen Rechtsaußen?
Bild: „Man sieht sich immer zweimal im Leben.“ (Björn Hoecke)
Das Zentrum für Politische Schönheit will die AfD verbieten. Vor dem
Kanzleramt stellte die Künstlergruppe Plakate auf, auf denen eingeknastete
AfD-Politiker zu sehen sind.
Auf einer Webseite zur Aktion kann man durch eine Galerie AfDler scrollen,
die hinter Gittern sitzen. Sich gegen Hass, Nationalismus und die
arbeitnehmer- und armenfeindliche Politik der AfD einzusetzen in Ehre –
aber denken diese Künstler wirklich, einer Partei, die in manchen Umfragen
bei 30 Prozent steht, ist nur mit Knast beizukommen?
Die Lust an Verboten, an Strafen und Repression ist bis weit ins liberale
und linke Spektrum verbreitet.
Wie kommen Menschen, die sich als Linke oder Liberale betrachten, dazu, zu
fordern, der Rechtsstaat müsse mit der ganzen Härte des Gesetzes gegen ihre
ideologischen Gegner vorgehen? Wird ihnen nicht mulmig? Sind sie sich
sicher, dass das nie auf sie zurückfallen wird?
## Erstaunliches Vertrauen
Ganz abgesehen von der zutiefst undemokratischen Mentalität, die solche
Forderungen offenbaren: Sie müssen sich sehr sicher sein, dass dieser Staat
ein guter Verbündeter ist. Bei den vielen Fällen von Rechtsextremen in
Polizei, Militär, Geheimdienst und Justiz, von Hessen bis Berlin, ist
dieses Vertrauen doch erstaunlich. Auch jenseits von Neonazis bei den
Bullen, von verschleppter Aufklärung rechtsextremer Anschläge, [1][Helfern
des NSU] und so weiter, sind staatliche Strukturen auch im besten Fall
nicht die idealen Verbündeten.
Das Konzept der Verfassungsfeindlichkeit traf in der BRD bisher die Rechten
viel weniger hart als progressive Kräfte. [2][Unter Adenauer] saßen
waschechte Nazis mit in der Regierung und bauten den
Bundesnachrichtendienst auf. Ihre Opfer, die sich unter anderem in der
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) organisierten, galten
für Adenauer als Verfassungsfeinde.
Erst 2019 versuchte der deutsche Staat schon wieder gegen den VVN-BdA
vorzugehen und entzog ihm die Gemeinnützigkeit. Manche denken wirklich, so
ein Staat steht auf der Seite der Freiheit und Demokratie.
Die Idee, dass man mit Repression und Verboten gegen Feinde der Demokratie
vorgehen sollte, ruht auf einer grundsätzlich falschen Analyse darüber, wie
die NS-Diktatur geboren wurde. Schon der Begriff Machtergreifung ist falsch
– in Wahrheit wurde die Macht übergeben. Es war ebenjener Staat und
diejenigen, die ihn kontrollierten, die den Nazis die Schlüssel übergaben.
Die Wirtschaftsführer, der Adel, die Oberschicht wollte lieber mit Hitler
paktieren, als etwas von ihrer Macht und ihrem Reichtum herzugeben.
Hitler hatte leichtes Spiel. Schon seit 1930 regierte Reichskanzler Brüning
mit autoritären Mitteln, der demokratische Damm hatte schon lange Risse
bekommen, bevor er einbrach. Wer heute fordert, politische Gegner
einzuknasten oder Grundrechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit
einzuschränken, arbeitet an der Legitimation autoritären Handelns, schlägt
Risse in den Damm der Demokratie.
Wenn die Mächtigen in diesem Land mit den Rechtsextremen paktieren, wie sie
es in der Geschichte oft getan haben, werden solche Forderungen dafür
gesorgt haben, dass sie damit die Mittel in die Hand bekommen, gegen ihre
eigenen politischen Gegner mit aller Härte des Rechtsstaats vorzugehen:
gegen euch.
Der Staat kann jedoch mehr als strafen. [3][In den richtigen Händen] könnte
er auch die Interessen der Mehrheit, der Arbeitnehmer, der Mittelschicht
und der Armen, gegen die Interessen der Minderheit, der Reichen,
durchsetzen.
Er kann die Gesellschaft so gestalten, dass die Lebensbedingungen der
Mehrheit gut sind. Das ist der effektivste Weg gegen den Faschismus. Ein
Aspekt von Brünings Regierung wird heute gern vergessen: Er versuchte,
Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu bekämpfen, indem er sparte. Seine
[4][Austeritätspolitik] inmitten eines Wirtschaftseinbruchs gilt allen
ernstzunehmenden Historikern als wichtiger Faktor beim Aufstieg der Nazis.
Gerade sieht es so aus, als würde Olaf Scholz darauf abzielen, als Brüning
2.0 in die Geschichte einzugehen. Da helfen auch keine Verbote mehr. Und
schon gar keine Kunst.
28 Nov 2023
## LINKS
[1] /Landtagswahl-in-Hessen/!5960498
[2] /Miniserie-Bonn/!5906263
[3] /Jahrestag-des-Mordes-an-Walter-Luebcke/!5688581
[4] /Deutschlands-Wirtschaftsschwaeche/!5949077
## AUTOREN
Caspar Shaller
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Rechtsextremismus
GNS
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Zukunftsvision
Schwerpunkt AfD
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