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# taz.de -- Krieg zwischen Israel und Hamas: Die Bodenoffensive kommt erst noch
> Israels Militär ist nun auch mit Truppen in Nordgaza aktiv.
> Hamas-Terroristen verstecken sich in Tunneln, die Zivilbevölkerung
> leidet.
Bild: Rauch steigt auf über Nordgaza am 28. Oktober
Berlin taz | In der größten Bodenoffensive seit Beginn des derzeitigen
Krieges zwischen Israel und der Hamas ist die israelische Armee (IDF) in
der Nacht von Freitag zu Samstag in die nördlichen Gebiete des
Küstenstreifens vorgedrungen. Gleichzeitig weitete Israel seine Luftschläge
aus.
Der IDF-Stabschef Herzi Halevi sagte am Samstagabend in einer
Videobotschaft: Um die Geiseln zu befreien und die Hamas zu zerstören,
müsse Israel eine Bodenoffensive durchführen. Der Krieg bestehe aus Phasen
und „heute begeben wir uns in eine neue Phase“, sagte Halevi.
Auch Verteidigungsminister Yoav Galant sprach von einer „neuen Phase“ des
Krieges gegen die Hamas. Das israelische Militär habe „über und unter der
Erde“ angegriffen. Bereits am Samstagmorgen gab die IDF an, man habe etwa
150 unterirdische Ziele – darunter Bunker und die berüchtigten
[1][Hamas-Tunnel] – zerstört, außerdem mehrere hochrangige Mitglieder der
militanten Palästinenserorganisation getötet. Darunter soll auch Issam Abu
Rukbeh sein, der zuständig für die Luftangriffe sowie -verteidigung der
Hamas ist und die Angriffe aus der Luft auf Israel am 7. Oktober
koordiniert haben soll. Das Kommando gegenüber den Truppen sei klar:
weitermachen, bis ein neuer Befehl kommt, sagte Gallant.
Noch hat die bereits länger angekündigte, wegen diplomatischer
Verhandlungen weiter aufgeschobene volle Bodenoffensive nicht begonnen. An
der Nordgrenze des Gazastreifens hat sich das Militär aber bereits
positioniert, außerdem wurden über 300.000 Reservisten einberufen. Die
derzeitige Ausweitung der Bodenoperationen in Gaza dient wohl der
Vorbereitung einer vollen Offensive.
Eine solche ist in Gaza ein gefährliches Unterfangen für die israelische
Armee. Das Gelände ist unübersichtlich, ein Häuserkampf wäre unvermeidlich.
Die Hamas ist dafür bekannt, sich hinter Zivilisten zu verstecken und etwa
improvisierte Sprengvorrichtungen in Wohnungen zu deponieren. Sie verfügt
außerdem über mehrere hundert Kilometer an Tunneln, die sich unter dem
Gazastreifen wie ein Spinnennetz durch die Erde ziehen.
Israel hatte auch im Krieg mit der Hamas im Jahr 2014 versucht, die Tunnel
zu zerstören, damals erlitt die israelische Armee große Verluste. Dort
sollen Waffen lagern, aber sich auch die Führungsriege der Hamas zeitweise
verstecken. Dass sich die von der Hamas und der Terrorgruppe
Palästinensischer Islamischer Jihad (PIJ) am 7. Oktober aus Israel
entführten Geiseln ebenfalls in den Tunneln aufhalten, gilt mittlerweile
als gesichert.
Eine der jüngst befreiten Geiseln gab an, sie sei stundenlang durch die
Tunnel geführt worden. Die Hamas selbst erklärte, dass durch die
israelischen Luftschläge bereits dutzende Geiseln gestorben seien, diese
Angabe ist aber nicht verifiziert. Knapp 220 Entführte warten derzeit in
Gaza auf ihre Rettung.
In dem Sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter) veröffentlichte die IDF
[2][ein Video], dass sich – mit arabischen Untertiteln – an die Bewohner
Gazas richtet und erneut zur Evakuierung der nördlichen Gebiete auffordert.
Dort – vor allem in Beit Hanoun, Beit Lahia und Jabaliya – waren am Freitag
und Samstag auch Bodentruppen aktiv.
Gaza Stadt sei nun ebenfalls Teil des Kampfgebiets, gaben die IDF außerdem
auf Flugblättern bekannt, die am Samstag über Gaza Stadt abgeworfen wurden.
Auch darin forderte sie die Bewohner erneut auf, sich in Richtung Süden zu
begeben. Nach Angaben mehrerer Medien hindert die Hamas gezielt Zivilisten
daran, in den Süden zu fliehen.
## Humanitäre Lage in Gaza katastrophal
Derweil gibt es aus Gaza selbst kaum mehr Informationen. Seit Freitagabend
gegen 18 Uhr Ortszeit ist die [3][Netzwerkverbindung] des Landstreifens
unterbrochen. Nach Angaben von Alp Toker von Netblocks, einer Organisation,
die unter anderem Netzwerkunterbrechungen weltweit dokumentiert, sei der
derzeitige Netzausfall der größte seit Beginn des Konflikts. Die
Unterbrechung stehe im Zusammenhang mit den israelischen Bombardierungen
und sei wahrscheinlich durch die physische Zerstörung der Hauptleitungen
bedingt, erklärte er auf Anfrage der taz.
Die humanitäre Lage hat sich aber weiter verschlechtert: Israel hatte nach
den Angriffen am 7. Oktober die Stromversorgung Gazas gekappt. Auch das
Kraftwerk von Gaza ging wegen Mangels an Treibstoff mittlerweile vom Netz.
Es fehlt außerdem an Wasser und Nahrungsmitteln. Israel hält seine Grenze
zu Gaza fest geschlossen, über den einzigen Grenzübergang mit Ägypten,
Rafah, kommen seit einigen Tagen humanitäre Hilfslieferungen. Die seien
aber viel zu wenig, [4][beklagten Hilfsorganisationen] im Ausland und vor
Ort, bevor der Kontakt am Freitagabend abbrach.
Vor etwa einer Woche konnte die taz mit einem jungen Mann aus Gaza
sprechen, [5][der zu Protokoll gab], wie er mit seiner Familie aus dem
Norden des Küstenstreifens in den Süden geflohen war. Am Freitagnachmittag
war er zuletzt zu erreichen, seitdem werden keine Nachrichten mehr an seine
Nummer zugestellt.
Am Donnerstag hatte er einige Videos an die taz geschickt, die die
Situation im Süden Gazas zeigen. Zu sehen sind etwa Kinder, die vor langen
bunten Zeltreihen in der Sonne Ball spielen, eine ältere Frau, die in einer
Plastikschüssel Kleidung wäscht, und eine Kanne Kaffee, die über brennendem
Gras und behelfsmäßig zwischen Backsteine eingeklemmt kocht. In den Videos
sieht man immer wieder lange Reihen heller Zelte, dazwischen gespannte
Leinen mit trocknender Wäsche. Der Boden ist nicht asphaltiert, er besteht
aus Sand. Der genaue Ort und die genaue Aufnahmezeit der Videos konnten
nicht unabhängig verifiziert werden.
## Weiter Angriffe auf Israel
Am Samstag heulten in mehreren Gegenden in Israel die Raketensirenen, unter
anderem in Tel Aviv, Aschkelon und der Wüstenstadt Dimona.
Auch an der Nordgrenze kam es zu Explosionen: Mehrere Raketen wurden aus
dem Südlibanon in Richtung Israel abgefeuert. Auch in einem Camp der auf
libanesischer Seite der Grenze stationierten UNIFIL-Truppen landete eine
Rakete. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP handelte es sich wohl um
ein israelisches Geschoss.
Israel kämpft an drei Fronten: Gegen die Hamas in Gaza mit Luftschlägen und
Bodentruppen, gegen die Hamas und andere militante Organisationen im
Westjordanland, und gegen die libanesische Miliz Hisbollah an der
Nordgrenze. Hamas, der PIJ und Hisbollah haben gemeinsam, dass sie vom Iran
unterstützt und finanziert werden. Die Islamische Republik bezeichnet ihre
Proxy-Milizen in der Region als „Achse des Widerstandes“, die Vernichtung
Israels ist Staatsräson.
Ob der Iran über seine Milizen in einen größeren Krieg gegen Israel
einsteigt, könnte auch daran hängen, ob eine Bodenoffensive erfolgt und wie
hoch die Zahl ihrer palästinensischen Opfer ist. Bisher sollen nach
Hamas-Angaben über 7.000 Menschen in Gaza getötet worden sein, die Angaben
sind aber nicht unabhängig verifiziert. Israel hat über 1.400 Todesopfer zu
beklagen, die meisten von ihnen wurden am und um den 7. Oktober getötet,
als Hamas-Kämpfer und andere Militante aus Gaza nach Israel eindrangen.
Irans Außenminister Hossein Amirabdollahian hatte am späten Freitag die
„Kriegstreiber“ gewarnt: Sollte der Krieg anhalten, werde das „schwere
Konsequenzen“ haben. Würde nicht bald eine Lösung gefunden, bestehe „die
Wahrscheinlichkeit, dass es in der Region zu unvorhergesehenen
Zwischenfällen kommt“.
28 Oct 2023
## LINKS
[1] /Militaerexperte-ueber-Terror-in-Nahost/!5964481
[2] https://x.com/IDF/status/1718240244129059167?s=20
[3] https://twitter.com/netblocks/status/1717942556703551590?s=20
[4] /Hilfsgueter-fuer-Menschen-in-Gaza/!5969219
[5] /Stimmen-aus-Gaza/!5964988
## AUTOREN
Lisa Schneider
## TAGS
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Gaza
Hamas
Bodentruppen
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