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# taz.de -- Krieg im Nahen Osten: Die Risse vertiefen sich
> Extremisten schüren den Hass zwischen Israelis und Palästinensern. Am Tag
> nach dem Krieg ist die Zivilbevölkerung gefragt, den Frieden neu
> anzutreiben.
Bild: Luftalarm im israelischen Holon, während Anghörige ihren Toten betrauern
Wie sieht der Tag nach dem Krieg aus? Man betrauert die Toten, versucht ein
Gefühl von Sicherheit wiederherzustellen in der Hoffnung, dass es vorerst
keine neuen Opfer geben wird. Blickt man in diesen Tagen auf den Landstrich
zwischen Mittelmeer und Jordan, auf den Schmerz, der die Menschen dort
erdrückt, und den Hass, der sich immer mehr ausbreitet, ist es schwer, sich
einen solchen Tag vorzustellen.
Und es wird einen solchen Tag auch nicht geben können, wenn nicht eine
Bedingung erfüllt ist: Die politischen Führungen auf beiden Seiten müssen
ausgewechselt werden. Dass die radikalislamische Hamas in ihrer jetzigen
Form nicht weiterexistieren darf, steht seit ihren Gräueltaten vom 7.
Oktober außer Frage. Spätestens jetzt ist klar, dass es der Hamas um
blutrünstiges Morden geht und die Vernichtung Israels.
Nicht um einen palästinensischen Befreiungskampf und auch nicht um die
palästinensische Bevölkerung, die sie weiterhin als zivile Schutzschilde
missbraucht. Doch es geht auch nicht ohne einen Regierungswechsel in
Israel. Nicht nur, weil die israelische Regierung am 7. Oktober und vor
allem im Vorfeld des Überfalls auf fatale Weise versagt hat. Nicht nur,
weil sie das Land zerreißt und die Familien der Geiseln im Stich zu lassen
droht. Sondern, weil auch sie den Hass schürt, der auf beiden Seiten immer
verbitterter wird.
Es ist ein Denken, das nur noch ein „Wir oder die anderen“ kennt. Der
rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit, [1][Itamar Ben-Gvir],
bewaffnet derzeit die jüdische israelische Bevölkerung mit 10.000
zusätzlichen Waffen in gemischten arabisch-jüdischen Städten, in
Grenzregionen und in Siedlungen im Westjordanland. Zugegeben: Die wenigen
unter den Bewohner*innen der südlichen Kibbuzim und Ortschaften, die am
7. Oktober eine Waffe hatten, haben sich und andere vor den Terroristen
schützen können.
Doch eine Bewaffnung der israelischen Zivilbevölkerung in der jetzigen
Atmosphäre ist gefährlich. Die Sicherheit muss anders gewährleistet werden:
durch die Entmachtung der Hamas, durch die Verhinderung eines erneuten
militärischen und geheimdienstlichen Versagens und durch politische
Lösungen.
## Brutale Polizeigewalt
Fatal ist das brutale Vorgehen der Polizei innerhalb Israels. Ja, es gab
die Jubelkommentare auf Facebook, worin palästinensische Israelis die
Gräueltaten der Hamas feierten. Das ist widerlich und in diesen Tagen kaum
zu ertragen. Doch die polizeiliche Verfolgung geht zu weit, sie trifft auch
diejenigen, die schlicht ihren Schmerz über die Bombardierung von Gaza
ausdrücken wollen, sie richtet sich auch gegen jüdische Aktivist*innen, die
weiterhin gegen die Besatzung protestieren.
Dazu kommen Drohungen aus der Bevölkerung. Aus Angst vor Übergriffen
wechselten schon einige linke jüdische Aktivist*innen ihre Wohnungen.
[2][Siedler*innen] verteilen in palästinensischen Orten im
Westjordanland Flugblätter, worin sie die „Große Nakba“ ankündigen,
geben den Palästinenser*innen „eine letzte Chance“, das
Westjordanland Richtung Jordanien zu verlassen. Sie wollen „jeden Feind
vernichten“ und die Palästinenser*innen mit Gewalt vertreiben.
Regierungsmitglieder sprechen sich dafür aus, alle
[3][Palästinenser*innen aus dem Gazastreifen auf die Sinaihalbinsel
abzuschieben]. Gaza solle ausgelöscht werden. Wie soll ein Zusammenleben
der jüdischen und palästinensischen Israelis aussehen, wie soll eine
politische Lösung zwischen einer zukünftigen palästinensischen Führung und
Israel möglich werden, wenn dieses Denken in alle Ritzen dringt?
Umfragen zeigen, wie sehr [4][die Unterstützung für die israelische
Regierung schrumpft]. Die Likud-Partei von Regierungschef Benjamin
Netanjahu fiele bei Neuwahlen von ihren aktuell 32 auf nur noch 19 Sitze.
Die ultrarechten Parteien, die derzeit mit 14 Mandaten die Geschicke des
Landes lenken, kämen nur noch auf vier oder fünf Sitze. Vieles hängt nun an
der israelischen Zivilbevölkerung. Sie hat in den letzten Monaten bewiesen,
[5][wie besorgt und wie wach sie ist, wie viel sie kann].
Wenn sie versteht, dass es nicht nur Demokratie, sondern auch neue
Friedensbemühungen braucht – allem Schmerz zum Trotz –, gibt es Hoffnung.
Sie hat starke Vordenker*innen in ihren Reihen: palästinensische und
jüdische Israelis, die nach wie vor zusammenstehen. Stimmen, die klarer als
je zuvor sagen, dass man gegen die israelische Besatzung der
palästinensischen Gebiete und die Hamas gleichzeitig kämpfen kann und muss.
Auf dass es den Tag nach dem Krieg geben möge, an dem Tote betrauert werden
können in dem Wissen, dass dem Konflikt auf absehbare Zeit keine weiteren
Menschen zum Opfer fallen werden.
3 Nov 2023
## LINKS
[1] https://www.newarab.com/news/israels-ben-gvir-arm-civilians-assault-rifles
[2] /Lage-im-Westjordanland/!5967869
[3] /Krieg-im-Gazastreifen/!5966908
[4] https://www.timesofisrael.com/liveblog_entry/poll-shows-backing-for-netanya…
[5] /Historiker-ueber-Proteste-in-Israel/!5946719
## AUTOREN
Judith Poppe
## TAGS
Israel
Hamas
Terrorangst
Benjamin Netanjahu
Justizreform
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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Jair Lapid
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