# taz.de -- Prozess nach Pick-Up-Amokfahrt: AfD-Funktionär im Zeugenstand | |
> Der mutmaßliche Attentäter von Henstedt-Ulzburg war in der AfD. Im | |
> Prozess sagte nun ein Parteimitglied aus. Er blieb nicht immer bei der | |
> Wahrheit. | |
Bild: Den mutmaßlichen Attentäter von Henstedt-Ulzburg will die AfD beim „G… | |
HENSTEDT-ULZBURG taz | „Ich erwarte, dass man sich im Umfeld einer | |
Parteiveranstaltung so verhält, dass man nicht selbst die Meldung des Tages | |
wird“ – und wenn nicht, dann wird der Austritt nahegelegt: Julian Flak, | |
Kreissprecher der AfD für Segeberg und heute stellvertretender | |
Landesparteivorsitzender, schilderte beim Prozess gegen Melvin S., welche | |
Maßnahmen er unternahm, um den damals 19-Jährigen aus der Partei zu | |
entfernen. S. wird versuchter Totschlag vorgeworfen. | |
Es geht um eine [1][Fahrt mit einem Pick-Up, bei der mehrere Personen | |
verletzt wurden], die im Herbst 2020 an einer Kundgebung gegen eine | |
AfD-Veranstaltung teilnahmen. Es sei eine „dumme Aktion“ gewesen, überhaupt | |
zu der Kundgebung zu gehen, befand Flak. Ihm sei bereits am Abend der Tat | |
klar gewesen, dass es sich um „ein außergewöhnliches Ereignis handelte, das | |
der Partei schaden könnte“. | |
Damit übersah der AfD-Funktionär die Lage offenbar [2][besser als die | |
Polizei, die die Tat zunächst als „Verkehrsunglück“ einstufte]. Einen | |
Fehler hatte Flaks Aussage: Ein Gespräch mit Melvin S. am Küchentisch, dass | |
der Zeuge ausführlich schilderte, hat gar nicht stattgefunden. Und auch | |
wenn sich der AfD-Funktionär vor Gericht von Gewalt als Mittel der | |
Auseinandersetzung distanzierte, war in einem Flugblatt, dass die AfD kurz | |
nach der Tat im Ort verteilte, viel von „linken Störungen“, aber nicht von | |
der Amokfahrt die Rede. | |
Die Geräusche der Gegendemonstration habe er drinnen im Saal des | |
Bürgerhauses gehört, dann berichtete die Lokalzeitung online über einen | |
Warnschuss. Kurz darauf war von einem Vorfall mit einem Auto die Rede, | |
schilderte Flak den Abend. Als Kreissprecher war er der lokal | |
Verantwortliche, entsprechend habe er sich sofort bemüht, Informationen zu | |
erhalten. Gegen 21 Uhr habe er mit dem Parteimitglied Melvin S. | |
telefoniert, das er von Veranstaltungen und Stammtischen kannte. „Ich | |
musste Bescheid wissen, etwa wenn Presseanfragen kommen“, sagt der | |
41-Jährige, der im Hauptberuf Referent der AfD-Bundestagsfraktion ist. | |
Seine Einschätzung stand rasch fest: Für die Partei könnte der Vorfall mit | |
mehreren Verletzten negative Folgen haben. „Auch wenn zu dem Zeitpunkt | |
nicht der Vorwurf im Raum stand, der heute erhoben wird, habe ich ihm | |
zugeraten auszutreten, das erschien mir für Partei und für ihn das Beste“, | |
sagte Flak. | |
## AfD-Mann spricht von „Kurzschlusshandlung“ | |
Dazu habe es am folgenden Tag ein Gespräch gegeben – mit Melvin S. und | |
einem Kumpel, wie Flak zunächst schilderte: „Wir saßen uns am Küchentisch | |
gegenüber, ich musste ihnen die Geschichte aus der Nase ziehen, die | |
Stimmung war gedrückt.“ Warum S. mit dem schweren Wagen auf den Gehsteig | |
gefahren sei, habe sich ihm nicht erschlossen: „Er hat dazu nichts | |
Plausibles gesagt.“ Es sei wohl eine „Kurzschlusshandlung“ gewesen. Den | |
Vorschlag, die Partei zu verlassen, habe S. akzeptiert. Am folgenden Tag | |
sei, nach weiteren Mails und Telefonaten, sein Austrittsgesuch per Mail | |
eingegangen: „Ich war froh“, sagte Flak. | |
Allerdings war wohl Melvin S. bei der Küchentischrunde gar nicht dabei | |
gewesen – so steht es in Flaks Aussage bei der Polizei, mit der Richterin | |
Maja Brommann den Zeugen konfrontierte. Offenbar habe er das falsch in | |
Erinnerung, so Flak. Doch grundsätzlich blieb er bei seinen Aussagen, und | |
das Gericht glaubte ihm, dass es sich um ein Versehen handelte. | |
Für das „Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg“, das den Prozess mit Kundgebung… | |
vor dem Gericht begleitet, zeige sich an der Person des AfD-Funktionärs | |
„exemplarisch das Handeln der AfD: Hass und Hetze verbreiten, bei | |
Widerspruch etwas zurückrudern und danneinfach weiter machen.“ Rechte | |
Gewalttäter seien in der AfD willkommen, so lange sie nicht bekannt würden, | |
heißt es in einer Stellungnahme des Bündnisses. Julian Flak selbst habe | |
sein Feindbild klar gemacht: „Gemeinsam #Antifa zur Strecke bringen!“, | |
lautet ein Post von ihm. Die Flugblätter, die die AfD nach der Tat | |
verteilte, seien „widerliche Täter-Opfer-Umkehr“. | |
Jan Kürschner, rechtspolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion, | |
sagte der taz: „Damals hat Herr Flak zunächst behauptet, der Fahrer habe | |
mit der AfD nichts zu tun. Das war gelogen. Eine Distanzierung der AfD von | |
dem Vorfall ist nie erfolgt.“ | |
Als weitere Zeugin sagte eine Ex-Freundin des Angeklagten aus. Weitere | |
Verhandlungstage sind für November geplant. | |
28 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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