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# taz.de -- Soloalbum-Debüt von Don Letts: Selbstzufriedenheit in Dub
> Don Letts ist als DJ und Filmemacher einer der Pioniere der Londoner
> Punkszene. Mit 67 veröffentlicht er nun „Outta Sync“, sein Solodebüt.
Bild: Dubreggae meets Punk in Chelsea: Don Letts
Vor einem halben Jahrhundert, als die Londoner Einkaufsmeile King’s Road in
Chelsea noch nicht gentrifiziert, sondern Bühne für unterschiedlichste
Subkultur-Tribes war, [1][versuchte sich der junge Don Letts als Manager
eines Klamottenladens]. Mit dem wollte er dem benachbarten Geschäft von
Modedesignerin Vivienne Westwood und ihrem Freund Malcolm McLaren
Konkurrenz machen.
„Acme Attractions“ hieß Letts’ Shop, aus dem heraus er auch die Straße …
Reggae beschallte. Und damit seine Kundschaft auch nach Ladenschluss
zusammen abhängen konnte, mietete man kurzerhand einen Club: „Roxy“ wurde
1976 zur Anlaufstelle der entstehenden Punkszene.
Dort legte Letts zwischen Konzerten Musik auf. Reggae vor allem, anfangs
gab es kaum Punkplatten – womit er großen Einfluss auf die Entwicklung der
Szene nehmen sollte. [2][Besonders deutlich war der Reggae-Einfluss bei The
Clash zu hören].
[3][Letts hatte seine Lebensaufgabe gefunden: Nicht nur Brückenbauer
zwischen afrokaribisch und weiß geprägter Subkultur zu sein, sondern
zugleich der Chronist dieser Szenen]. Er begleitete die erste Tour von The
Clash mit einer Kamera, Filmemachen wurde sein Metier. Auf Letts’
abendfüllende Doku „The Punk Rock Movie“ (1978) sollten zahllose weitere
folgen. Er produzierte zudem Musikvideos.
## Chronist der Szene
Im Jahr 2021 erschien nach „Culture Clash: Dread Meets Punk Rockers“ (2006)
bereits seine zweite, ähnlich gelagerte Autobiografie: „There and Black
Again“. So sehr sich bei ihm alles um Musik dreht, abgesehen vom DJing und
einigen Samples und Soundeffekten, die er für die Band Big Audio Dynamite
von Mick Jones beisteuern sollte, ist sein eigener musikalischer Output
überschaubar geblieben.
Nun aber ist Letts mit dem Dub-Produzenten Gaudi ins Studio gegangen –
irgendwie, so erklärte er, musste er die Pandemie ja bewältigen. Sein
Debütalbum trägt den doppeldeutigen Titel „Outta Sync“: Aus dem Takt. Ist
Stolpern nicht sowieso produktiv? Allzu verstolpert klingt die Musik jedoch
nicht: Vor allem ertönt gemütlicher Reggaepop, anschlussfähig in viele
Richtungen, bisweilen jedoch etwas zu konturlos.
## Eine Family Affair
Für Hinhörmomente sorgen neben Letts’ abgehangenem Sprechgesang vor allem
seine Gäste: Der Ende 2022 verstorbene Terry Hall etwa, Sänger von The
Specials. Lovers-Rock-Queen Hollie Cook, die in jungen Jahren bei den
seinerzeit wiedervereinigten Slits mitwirkte und zudem die Tochter von Paul
Cook, ehedem Schlagzeuger der Sex Pistols, ist. Es ist eben eine family
affair, das Universum von Don Letts. Ein entfernter Verwandter, Wayne Coyne
von der US-Psychedelicband Flaming Lips, gibt den Sparringspartner beim
dubbigen „Present Dilemmas“.
Was Letts eigentlich zu erzählen hat, wirkt als Selbstverortung im
Titeltrack etwas eitel: „Now because of my duality / Raised on pop and bass
/ Didn’t really bother me / Cause it’s all about the taste / I’m the vinyl
generation / And that’s how I got my start.“ Die zweite Dualität, die ihn
geprägt hat, nämlich „Black and British“ zu sein, kommt dagegen in den
Texten etwas zu kurz.
Dabei waren die 1970er Jahre in England durchaus bewegte Zeiten. Auch wenn
die alten Kämpfe angesichts der Krisen der Gegenwart, der „preditions of
dystopia“, mit denen Letts sich konfrontiert sieht, eher als
soziokultureller Schluckauf in Erinnerung bleiben: Mehr Atmosphärisches
wäre schön gewesen, auf banal anmutende Allgemeinplätze wie „The young
ain’t what they used to be / But neither are the old“ könnte man dagegen
getrost verzichten.
Wenn Letts aus dem so selbstzufrieden gestarteten Titelsong mit lakonischem
Sarkasmus aussteigt, hört man doch noch mal genauer hin. „And everything I
used to fear / I find I now embrace / Because of all the problems / I won’t
be around to face.“
In diesem eher ratlosen Moment, wenn die Frage mitschwingt, was Popkultur
überhaupt erkämpft hat und was tatsächlich „Outta Sync“ gerät, klingt L…
interessanter, als wenn er, im Schaukelstuhl sitzend, aus dem Nähkästchen
plaudert. Dafür gibt es schließlich seine Bücher und Filme.
25 Oct 2023
## LINKS
[1] /Don-Letts-ueber-den-Einfluss-von-Dub/!5525720
[2] /Zum-Gedenken-an-Punkikone-Joe-Strummer/!5900391
[3] /Die-Geburt-des-modernen-Grossbritannien/!5941438
## AUTOREN
Stephanie Grimm
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Reggae
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Letts.
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