# taz.de -- Film „Die Geschichte vom Holzfäller“: Der Film hat die Ruhe weg | |
> Der Spielfilm „Die Geschichte vom Holzfäller“, das Debüt des finnischen | |
> Regisseurs Mikko Myllylahti, ist nicht von dieser Welt. Nun erscheint er | |
> auf DVD. | |
Bild: Im finnischen Film „Die Geschichte vom Holzfäller“ bewegen sich die … | |
Pepe, sagt ein Freund über ihn, ist einer, für den ist das Glas immer halb | |
voll und niemals halb leer. So nimmt Pepe es erstaunliche gleichmütig hin, | |
dass die Holzmühle schließt, für die er und dieser Freund und viele | |
Menschen in der kleinen Stadt arbeiten. Meist steht er da, draußen im | |
Schnee, die Pelzmütze auf dem Kopf, die ihm beim Abnehmen immer den schönen | |
Überkämmer zerstört, oder er sitzt, oder liegt, in der Kneipe oder zu | |
Hause, und blickt staunend auf das, was ihm oder anderen widerfährt. Und | |
Widerfahrnisse gibt es reichlich, manche sind von dieser Welt, andere sind | |
es nicht. | |
Da ist der Jobverlust nur der Beginn. Eben glitten auf der sehr breiten | |
Leinwand die Baumstämme noch hinter den Menschen dahin. Dann kamen in | |
schwarzen Autos die Bosse, die Bosse machen nicht viele Worte, der Laden | |
ist dicht, es findet sich für manche, auch Pepe, andere Arbeit, sie tragen | |
weiße Säcke von hier nach da, und von da wieder nach hier. In der Kneipe | |
hatte einer der Arbeiter, der auch sonst recht existenzialistisch drauf | |
ist, gefragt. Wer ist der Mensch? Woher kommen wir? Wohin gehen wir? | |
Die Antwort des Films scheint zu lauten: Wir kommen von rechts im Bild und | |
gehen nach links. Oder wir bewegen uns von vorne nach hinten. Oder stehen | |
nur da, mit aufgerissenem Mund. Und manchmal sinken wir zu Tode erschöpft | |
von der Sinnlosigkeit in den Schnee. | |
Pepe aber ist der, der wieder aufstehen wird. Als seine Mutter stirbt, die | |
ihn bei seinem letzten Besuch im Krankenhaus auch noch beschimpft. Und | |
auch, als er von oben, durch ein Loch in der Decke, mit ansehen muss, wie | |
sein bester Freund den Liebhaber seiner Frau mit der Axt erschlägt. Und | |
auch, als Pepes Frau sich mit dem gemeinsamen Sohn in den Bus setzt, weil | |
sie es in der Öde, im Schnee, mit der Sinnlosigkeit und dem Mörder nicht | |
mehr aushält. | |
Der Sohn allerdings steigt unterwegs aus dem Bus und kehrt in das Städtchen | |
im Schnee und zum Vater zurück. Den er allerdings bald darauf wieder | |
verlässt, als ein komischer Heiliger auftaucht und die Verbindung zu den | |
Toten herzustellen verspricht. Zu dem zieht der Sohn, aber Pepe macht | |
weiter, auch als der Heilige ihm auf der Bühne vor Publikum blutig die Nase | |
einschlägt. | |
## Ein schwarzes Zottelwesen | |
Das sind die Dinge, die in Mikko Myllylahtis Langfilmdebüt von dieser Welt | |
sind, auch wenn vieles daran etwas merkwürdig ist. Aber dann gibt es noch | |
das Auto, das in finsterer Nacht die Straße entlangfährt und brennt und als | |
fahrende Fackel die finstere Nacht ein wenig erhellt. Es gibt ein schwarzes | |
Zottelwesen, nicht Schaf und nicht Bär und nicht Hund, das erscheint, dann | |
verschwindet es wieder. Vater und Sohn fliehen vor dem brennenden Auto in | |
eine Hütte, die auf dem Eis eines Sees steht. Aus dem Loch im Boden der | |
Hütte streckt ein Fisch seinen Kopf und spricht krächzend zu ihnen. | |
„Die Geschichte vom Holzfäller“ ist die Geschichte von einem, der fast | |
nichts hat und auch das noch verliert. Der Film hat dabei die Ruhe weg, die | |
Einstellungen sind schön komponiert, immer wieder spielt Musik, mal | |
elegisch, mal pumpend, sie hat manchmal durchaus andere Dinge im Sinn als | |
die Lakonik, die nicht das Geschehen, das oft genug wild ist, aber seine | |
Darstellung prägt. Irgendwo steckt da immer auch verschrobene Komik, sie | |
scheint jedoch nicht das, worauf der Film am Ende hinaus will. | |
Was das Milieu und die Lakonik betrifft, liegt der Vergleich mit dem großen | |
[1][Finnen Aki Kaurismäki] recht nahe. Die Seltsamkeiten erinnern an den | |
[2][Schweden Roy Andersson]. Selbst an David Lynch kann man hier und da | |
denken. Mikko Myllylahti findet aber doch einen ganz eigenen Ton, so dass | |
man gespannt sein darf, was ihm in Zukunft noch einfallen wird. | |
25 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Ekkehard Knörer | |
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