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# taz.de -- NSDAP-Ausweis bei Königsfamilie entdeckt: Prinz mit Gedächtnislü…
> Prinz Bernhard war Prinz im niederländischen Königshaus und schwor vor
> seinem Tod, nie NSDAP-Mitglied gewesen zu sein. Nun wurde sein
> Parteiausweis gefunden.
Bild: Königin Juliana und Prinz Bernhard
Amsterdam taz | Dass Prinz Bernhard, der aus Deutschland stammende Gemahl
der früheren niederländischen koningin Juliana, nie ein Nazi war, konnte er
„mit der Hand auf der Bibel“ schwören. Niemals habe er einen
Mitgliedsausweis besessen, sagte er der Tageszeitung Volkskrant kurz vor
seinem Tod 2004. Entsprechende Anschuldigungen wollte der Prinz so ins
Reich der Fabeln verbannen. Genützt hat es wenig: Sie haben ihn überdauert.
Zu Recht, wie sich Anfang Oktober herausstellen sollte: Der einstige
Direktor des königlichen Archivs enthüllte, er habe Bernhards Parteiausweis
2019 in dessen Privatarchiv entdeckt. Dass dieser Mitglied der Reiter-SS
war, hatte er zu Lebzeiten zugegeben. Auch fanden Historiker 1996 eine
Kopie des NSDAP-Ausweises. 1936, im Jahr seiner Verlobung mit der
Prinzessin, wurde seine Mitgliedschaft beendet.
Später, im Londoner Exil der königlichen Familie während des Kriegs, wurde
Bernhard Verbindungsoffizier zwischen britischer und niederländischer Armee
und nahm als Kampfpilot an alliierten Einsätzen teil. In den Niederlanden
hielt sich jedoch der Eindruck, er sei vor allem zu jeder Zeit ein
Opportunist gewesen.
Die Nachricht vom Beweis seiner NSDAP-Mitgliedschaft belebt diese
Diskussion nun erneut. Der vom Prinzen ins Leben gerufene und nach ihm
benannte Kulturfonds ist „unangenehm überrascht“ und erwägt eine
Namensänderung. Naomi Mestrum, Direktorin des Israel-Dokumentations- und
Informationszentrums CIDI, fordert eine Untersuchung der Aktivitäten
Bernhards im Dritten Reich. „Wieder eine Enthüllung, die eine schwarze
Seite an einen schmerzhaften Teil der jüngeren niederländischen Geschichte
zufügt“.
## „Laxe Haltung gegenüber jüdischer Bevölkerung“
Mitten im einstigen jüdischen Viertel der Hauptstadt, das heute vor allem
musealen Charakter hat, herrscht eine Woche später viel Betrieb. Vor allem
Tourist*innen und Schulklassen besuchen [1][das Holocaust-Monument mit
den Namen der 102.000 niederländischen Ermordeten] – prozentual so viele
wie in keinem anderen Land Westeuropas.
Eine Grundschullehrerin, die mit ihrer Klasse am Eingang sitzt und anonym
bleiben will, möchte die Angehörigen Bernhards nicht mehr mit der Sache
belasten. „Das ist schmerzhaft. Man sollte die Familie damit in Ruhe
lassen, es ist Vergangenheit.“ Anders sieht das Matthijs Guijt, ein
Geschichtslehrer der Sekundarstufe. „Natürlich war das Ganze einigermaßen
bekannt. Aber es zeigt die ambivalente, laxe Haltung von Staat und
Beamtenapparat gegenüber der jüdischen Bevölkerung.“
[2][Der Holocaust-Überlebende Salo Muller] sieht die Sache eher nüchtern:
„Man hat das doch schon lange gewusst. Mir jedenfalls war klar, dass
Bernhard nichts taugte. Natürlich war er in der Partei, bis 1936. Gut, dass
man die Karte gefunden hat, doch was kann eine Untersuchung zu dem zufügen,
was wir schon wissen? Relevant wäre das nur, wenn wir erfahren, ob er Juden
verraten hat“.
Muller, einst Physiotherapeut bei Ajax Amsterdam, ist gewiss niemand, der
die Vergangenheit ruhen lassen will. Nach jahrelangem Verhandeln erreichte
er, dass die niederländische Eisenbahn die Nachfahren deportierter Juden
entschädigte. Derzeit versucht er das Gleiche bei der Deutschen Bahn zu
erreichen. Dem Königshaus wirft er vor, es habe „den Deutschen näher
gestanden als der niederländischen Bevölkerung“. Dem heutigen König sei
dies aber nicht anzukreiden.
## König kündigt Öffnung der Archive für alle an
Willem-Alexander kritisierte 2020 öffentlich die Rolle des Königshauses und
seiner Urgroßmutter Wilhelmina – im selben Jahr, als Premier Rutte sich für
die Kooperation der Behörden mit den deutschen Besatzern entschuldigte. Nun
räumt der König ein, die Neuigkeiten über seinen Großvater hätten „einen
großen Effekt“ und lösten viele Emotionen aus, „gerade bei der jüdischen
Gemeinschaft“. Er kündigte an, die königlichen Archive ab 2024 allen offen
zu stellen.
„Der König tut das einzig Richtige: völlige Offenheit“, kommentiert
Direktor Emile Schrijver per Mail aus dem Jüdischen Museum. Den Umgang des
Königshauses mit der Rolle Bernhards nennt er „vorbildlich“. Eine
Untersuchung, die sich auf neue Quellen stütze, könne sinnvoll sein. „Sie
darf aber nicht ablenken von der Hauptsache: dem wachsenden Verständnis der
Niederlande über die eigene Mitschuld, und Alarmiertheit für heutigen
Antisemitismus und Holocaustleugnung.“
13 Oct 2023
## LINKS
[1] /Holocaust-Mahnmal-in-den-Niederlanden/!5797697
[2] /Entschaedigung-fuer-Holocaustueberlebende/!5721216
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
Kolumne Stadtgespräch
Niederlande
Schwerpunkt Nationalsozialismus
NSDAP
Königshaus
Judenverfolgung
Antisemitismus
Lesestück Recherche und Reportage
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