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# taz.de -- Neues Holocaust-Museum in Amsterdam: Eröffnung in gespaltenen Zeit…
> Das Nationale Holocaust-Museum in Amsterdam wird in Zeiten des sichtbaren
> Antisemitismus eröffnet. Es ist das erste, das nach dem 7. Oktober
> öffnete.
Bild: Anita Leeser-Gassan, Überlebende des KZ Bergen-Belsen, wird im neuen Ams…
Amsterdam bekommt an diesem Sonntag ein neues Unikat: das Nationale
Holocaust-Museum, mitten im ehemaligen jüdischen Viertel der Stadt gelegen,
nur wenige Geh-Minuten vom Joods Museum und der sephardischen Synagoge
entfernt. Zur Eröffnung kommen König Willem-Alexander, der österreichische
Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Manuela Schwesig, die deutsche
Bundesratsvorsitzende. Die Presse darf schon mal vorher schauen.
Was das Museum einzigartig macht? Da ist zunächst einmal der Standort, ein
tatsächlicher Schauplatz des Holocaust: Damals war hier eine Schule zur
Lehrer*innenausbildung, gegenüber eine Sammelstelle für bei Razzien
festgenommene Jüd*innen, nebenan ein jüdischer Kindergarten.
Dazu kommt das Ambiente: Wer die Räumlichkeiten von früher kennt, bemerkt
gleich, dass das alte Schulgebäude heller, ansprechender geworden ist. Ein
Detail, das den Anspruch zeigt, einerseits die Opfer wieder zu
„vermenschlichen“, zugleich aber auch die Verfolgung der niederländischen
Jüd*innen, die in der Öffentlichkeit lange Zeit verschwiegen wurde,
endlich sichtbar zu machen, so Museumsdirektor Emile Schrijver.
102.000 niederländische Jüd*innen wurden deportiert und ermordet, drei
Viertel der jüdischen Bevölkerung, ein größerer Anteil als in jedem anderen
Land des besetzten Westeuropa. Beklemmend sichtbar wird das im
Obergeschoss. Dessen Wände sind voller amtlicher Verordnungen, welche die
Opfer erst vom Rest der Bevölkerung trennten, bevor sie wehr- und schutzlos
der NS-Mordmaschine samt einheimischen Kollaborateur*innen
ausgeliefert waren.
## Seit dem 7. Oktober wird der Antisemitismus sichtbarer
Wer diesen Teil der niederländischen Geschichte oder seine Dimension bisher
nicht kannte, könnte nach dem Museumsbesuch einen anderen Blick auf das
Land haben. Auch was das eisige Schweigen betrifft, das den Überlebenden in
der Nachkriegsgesellschaft entgegenschlug. Heute ist das einstige jüdische
Viertel im Stadtzentrum vor allem museal, während die jüdische Bevölkerung
Amsterdams am südlichen Stadtrand lebt.
Dass das Museum nun die Geschichte des Holocaust in den Niederlanden
erzählt, für sich stehend und nicht, wie sonst oft als Unterkapitel von
Krieg, Besetzung und Befreiung, ist für sie „ungeheuer bedeutend“, sagt
Direktor Schrijver.
Es gibt noch einen dritten Aspekt, der das Nationaal Holocaust Museum
einzigartig macht. Es ist das erste, das nach dem Hamas-Massaker vom 7.
Oktober eröffnet wurde und damit in einem [1][gesellschaftlichen Klima, in
dem der Antisemitismus] in Wort und Tat verstärkt in der Öffentlichkeit
zutage tritt. Kuratorin Annemiek Gringold wollte dieser Entwicklung, die
sich seit Jahren abzeichnet, Rechnung tragen, indem sie die
Besucher*innen an einer Stelle mit heutigen antisemitischen Aussagen
konfrontiert.
## „800 Prozent gestiegen“
Die riesigen Felsblöcke, die vor dem Museum gegen potenzielle
Terroranschläge per Auto schützen sollen, erinnern die Besucher*innen
unweigerlich daran, dass Rob Oudkerk, ein jüdischer ehemaliger
sozialdemokratischer Lokalpolitiker, unlängst in einem Interview sagte, der
Antisemitismus im Land sei um „800 Prozent“ gestiegen. Das Interview wurde
inzwischen von der Website amsterdam.nl entfernt, weil es, so
Bürgermeisterin Femke Halsema, „vielen Leser*innen ein einseitiges Bild“
vermittelte.
Für Direktor Schrijver ist all dies erst recht ein Grund, das Museum genau
in dieser Form zu eröffnen. „Die gesellschaftliche Dringlichkeit eines
Ortes, der zeigt, was geschieht, wenn man einander nicht mehr als Menschen
wahrnimmt, wird jeden Tag größer.“
In einer Ecke gibt die Zeitzeugin Anita Leeser-Gassan, eine frühere
Richterin, die als Kind das KZ Bergen-Belsen überlebte, einem Lokalsender
ein Interview. Ob das Museum zeigen soll, dass so etwas nie mehr passieren
werde, will die Reporterin wissen. Leeser-Gassan verzieht ungläubig das
Gesicht: „Wenn das nur wahr wäre!“
9 Mar 2024
## LINKS
[1] /Antisemitische-Fussballfans/!5932673
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
Antisemitismus
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Niederlande
Amsterdam
Holocaust
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NS-Straftäter
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