# taz.de -- Antisemitische Fußballfans: Schmähgesänge gegen „Judenverein“ | |
> 154 Fußballfans sind in Amsterdam wegen antisemitischer Gesänge | |
> festgenommen worden. Dahinter steht ein strukturelles Problem in den | |
> Niederlanden. | |
Bild: Fans von Ajax Amsterdam mit israelischer Flagge | |
Das Antisemitismusproblem des niederländischen Fußballs ist seit | |
Samstagabend in aller Munde. Internationale Medien berichten über den Eklat | |
von Amsterdam, [1][wo 154 Fans des Spitzenklubs AZ aus Alkmaar festgenommen | |
wurden], nachdem sie, wie es heißt, „antisemitische Lieder“ gesungen | |
hätten. Kurz vor der Johan-Cruijff-Arena, dem Stadion des Gegners [2][Ajax | |
Amsterdam], ließ die Polizei die Metro, in der sie unterwegs waren, nach | |
mehreren Warnungen stoppen. Alle singenden Fans wurden wegen Beleidigen | |
einer Bevölkerungsgruppe verhaftet. | |
Bis auf elf von ihnen, denen auch Vandalismus vorgeworfen wird und die die | |
Nacht in der Zelle verbringen mussten, wurden sie kurz danach wieder | |
freigelassen. Die niederländische Polizei ermittelt freilich weiter. Eddo | |
Verdoner, der von der Regierung angestellte Koordinator zur | |
[3][Antisemitismusbekämpfung,] spricht von einem „wichtigen Signal“ dafür, | |
dass es Zeit sei, dass massenhaft geäußerte antisemitische Beleidigungen | |
nicht mehr straffrei bleiben. „Es dringt zu den Leuten durch, dass das | |
nicht mehr geht. Man sieht einen Umschwung, dass sich nun endlich etwas | |
verändert“, zitierte der öffentlich-rechtliche Sender NOS Verdoner. | |
Seine Worte weisen freilich auf ein strukturelles Problem der | |
niederländischen Fanszene hin: Vorfälle wie der nun in aller Welt bekannte | |
finden in der Ehrendivision an so gut wie jedem Spieltag statt – und zwar | |
immer dort, wo der erfolgreichste Klub des Landes, Ajax Amsterdam, jeweils | |
antritt. Die Supporters von Feyenoord Rotterdam, mit Ajax in einer tiefen | |
wechselseitigen Feindschaft verbunden, haben sich diesbezüglich eine ganz | |
besondere Reputation erarbeitet. | |
De facto aber gehört es zur Folklore, dass Fans des jeweiligen Ajax-Gegners | |
den vermeintlich jüdischen Klub mit den gröbsten antisemitischen | |
Beleidigungen überziehen. Kritik daran wird reflexhaft mit der Bemerkung | |
gekontert, man habe selbstverständlich nichts gegen „echte Jüd:innen“, nur | |
gegen den verhassten Kontrahenten. | |
## „Wir gehen auf ‚Judenjagd‘“ | |
„Mein Vater war bei den Kommandos, meine Mutter bei der SS. Zusammen | |
verbrannten sie Juden, denn Juden brennen am besten“, erklang es Samstag in | |
der Metro. Zum Standardrepertoire gehört [4][auch die Parole „Hamas, Hamas, | |
Juden ins Gas“], die in den letzten Jahren aus den Kurven ihren Weg auf | |
zahlreiche militante antiisraelische Demonstrationen gefunden hat. Auch | |
Zischgeräusche, die ausströmendes Gas imitieren sollen, erfreuen sich | |
großer Beliebtheit oder Reime wie „Adolf, hier laufen noch elf. Wenn du es | |
nicht tust, tun wir es selbst!“. | |
Lex Immers feierte 2011 als Spieler von ADO Den Haag einen überraschenden | |
Sieg gegen Ajax, indem er im Vereinsheim „Wir gehen auf Judenjagd“ | |
skandierte. Die begeisterten Fans fielen johlend ein. Frischer in | |
Erinnerung ist ein Vorfall aus 2021, als in Rotterdam nach dem Wechsel von | |
Feyenoord-Star Steven Berghuis zu Ajax ein Wandgemälde entdeckt wurde. Es | |
zeigte Berghuis mit Hakennase und Kippa, in KZ-Kleidung mit Judenstern, | |
dazu der Schriftzug „Juden laufen immer weg“. | |
Ajax Amsterdam, dessen früheres Stadion in der Nähe des einstigen jüdischen | |
Viertels der Stadt lag, war nie ein jüdischer Klub, hatte allerdings viele | |
jüdische Fans und gelegentlich auch Funktionäre und Spieler. Dass Teile der | |
Fans sich selbst Superjoden nennen und gerne Israel-Flaggen schwenken, | |
hindert sie freilich nicht daran, bei Spielen gegen Feyenoord die | |
Zerstörung Rotterdams durch die deutsche Luftwaffe am 14.Mai 1940 zu | |
besingen. Ein weiterer beliebter Ajax-Chant im Frage-Antwort-Stil zeugt von | |
besonders schlechter Kenntnis der eigenen Stadtgeschichte und ihrer | |
jahrhundertelangen jüdischen Prägung: „Wo kommen Juden noch mal her?“– | |
„Israel, weit weg von hier.“ | |
9 May 2023 | |
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## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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