# taz.de -- Serie „Lubi“ in der ARD-Mediathek: Ex-Cop auf Koks | |
> Lubi ist Polizist in Berlin und bricht Menschen im Görlitzer Park die | |
> Knochen. Dann scheidet er wegen Rücken aus – und wird selbst zum | |
> Kriminellen. | |
Bild: Der Polizist Rolf L. führt ein Doppelleben, Szene der Doku-Serie | |
Görli – Kotti – Warschauer Brücke: Im Jargon der Berliner Polizei ist das | |
also die „Achse des Bösen“. Gebäude und eine Brücke könnte man zur Not … | |
abreißen – und per Strafexpedition vielleicht noch eine fiese Stadtautobahn | |
mitten durch Kreuzberg bauen? Aber was macht man mit einem Park? In guter | |
alter Tradition eine Mauer oder einen großen Zaun drumrumbauen, in Berlin | |
gerne auch mal Schutzwall genannt, und keinen mehr reinlassen, zumindest | |
nachts? | |
[1][Kein Witz, genau das ist der aktuelle Plan] der [2][CDU-geführten | |
Berliner Regierung]. Deren Vorgängerinnen jedenfalls ist auch nichts | |
Besseres eingefallen, als die Polizeipräsenz zu erhöhen, um den vornehmlich | |
aus Westafrika migrierten Drogendealern das Handwerk zu legen. Ohne Erfolg, | |
was sollen sie auch anderes machen, wenn sie nichts Legales machen dürfen. | |
Aber das ist ein anderes Thema – oder auch nicht, im Grunde. | |
Die Variante des Themas – in der es zuvor schon [3][in einem fünfteiligen | |
Podcast] und nun auch wahlweise in einem 90-minütigen Film oder einer | |
vierteiligen Fernsehserie geht – lautet: Was soll ein gestandener Polizist, | |
Teamführer in der „Brennpunkt-Streife Görli“, machen, wenn er keine Dealer | |
im Park mehr jagen darf? Weil der Arzt es ihm verboten hat. | |
## Gebrochene Knochen gegen Widerstände | |
Kein Witz auch das. „Ein perfekter Job für Lubi“, sagt sein bester Freund. | |
„Also, ick wollt nicht da auf’n Abschnitt, wo man Pilze pflücken kann“, | |
sagt Rolf L. aka Lubi selbst, „sondern ick wolllt da immer hin, wo’s halt | |
brennt, wo halt was zu tun ist. Weil ick bin halt eher so die Macher-Person | |
und nich halt derjenige, der sich hinterm Schreibtisch versteckt.“ Und | |
„wenn’s dann Widerstände gab, dann gab’s halt auch meistens irgendwelche | |
gebrochenen Knochen. Also nicht bei mir.“ | |
Hätte immer so weiterlaufen können – hätte Lubi nicht eines Tages einmal so | |
unglücklich zugelangt, dass fortan sein eigener Rücken Widerstand leistete | |
und der Amtsarzt die Macher-Person nur noch hinter den Schreibtisch setzen | |
wollte. | |
## Auf Koks auf der Straße | |
Wie genau dann der Kontakt mit dem „John“ genannten Autoschieber zustande | |
kam, darüber geht auch die in Sachen Ausführlichkeit ansonsten wenig zu | |
wünschen übrig lassende Serienfassung von „Lubi“ (Creator, Drehbuchautor | |
und Regisseur: Jan Peter) etwas schnell hinweg. John hatte da jedenfalls | |
einen wahnsinnig heißen, wahnsinnig auffälligen Lambo, für dessen | |
wahnsinnig riskante Überführung von Schöneberg nach Moabit er schon ein | |
Salär von 10.000 Euro eingeplant hatte. Lubi würde es für schlappe 150 Euro | |
machen. | |
Die Touren werden bald länger, führen ihn von Berlin nach Holland: „Von | |
Holland aus nach Italien. Von Italien aus nach Belgien. Von Belgien aus | |
nach Polen. Und von Polen aus nach Berlin. Ohne Pause.“ Immer auf Koks, das | |
für den Polizisten im Görli doch buchstäblich auf der Straße gelegen hatte. | |
Ach, der Görli … | |
Dass der görligestählte Polizist zunächst gar nicht begriffen haben will, | |
dass er da mit gestohlenen Autos unterwegs war – wenn er mit Tempo 350 die | |
Lkws auf dem Standstreifen der Autobahn rechts überholt hat –, das mag man | |
(ihm) kaum glauben. Was man auch kaum glauben kann: dass einer mit dem | |
gestohlenen Auto, kleiner Umweg nur, in den Familienurlaub fährt, Sardinien | |
und Rom, sich von der italienischen Polizei erwischen lässt – und danach | |
immer noch weitermacht. Dümmer, als die Polizei erlaubt, möchte man sagen – | |
„Selbstmord auf Raten“ sagt er heute selbst dazu. | |
Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die lieben Kollegen Lubi endlich | |
schnappen mussten. Und dass sie ihn – für dessen kriminelle Autofahrten sie | |
ihm am Ende einen Stundenlohn von 5 Euro ausgerechnet haben – lange für das | |
Mastermind eines internationalen Verbrechersyndikats gehalten haben, hat so | |
viel komisches Potenzial, dass man die filmische Aufbereitung des Stoffs | |
bereits als Komödie im Stile von Claude Zidis „Die Bestechlichen“ vor dem | |
inneren Auge ablaufen sieht. | |
## Verdrängen | |
Nur sind wir halt nicht in Frankreich – und das gerade angesagte Genre | |
heißt „True Crime“ und hat mit Komik nichts im Sinn. Mit „Lubi“ dürft… | |
vielen Zuschauern ähnlich gehen wie seinem Anwalt: „Und dann sitzt dir | |
jemand gegenüber, der alles verdrängen will. Der das vielleicht auch nicht | |
ganz wahrhaben will. Der vieles relativiert – und auf der anderen Seite | |
dann auch noch gerne über seine Vergangenheit spricht. Über die Zeit, bevor | |
es zu den Taten kam.“ | |
Die für Lubi, der schon als Kind nichts anderes wollte als Polizist zu | |
werden, bedeuten, dass er nie wieder in diesem Beruf arbeiten wird, auch | |
nicht, nachdem er seine vier Jahre Knast abgesessen hat. | |
Schlimm für ihn, keine Frage, aber als Fernsehzuschauer muss man nur eine | |
Minute die Fernsehnachrichten einschalten, um viel Schlimmeres zu sehen. | |
Und Berührenderes. | |
10 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Sicherheit-um-den-Goerlitzer-Park/!5959927 | |
[2] /Schwarz-rote-Koalition-in-Berlin/!t5924436 | |
[3] https://www.ardaudiothek.de/sendung/lubi-ein-polizist-stuerzt-ab/12608053/ | |
## AUTOREN | |
Jens Müller | |
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