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# taz.de -- Prozess um spekulativen Leerstand: Rückenwind für Mieterschutz
> Auch beim vierten Räumungsprozess gegen Mieter*innen der
> Habersaathstraße 40-48 sieht es nicht gut aus für den Eigentümer. Das
> Urteil fällt im November.
Bild: Ist die Habersaathstraße 40-48 abrissreif? Die Zweifel daran wachsen
Berlin taz | Der kleine Gerichtssaal ist so voll, dass die als Letzte
eintreffenden Zuschauer*innen die Verhandlung im Amtsgericht im Stehen
verfolgen müssen. Die dauert aber ohnehin nicht sehr lange: Eine gütliche
Einigung kommt nicht infrage, bilanziert die Richterin. Der Eigentümer der
Habersaathstraße 40–48, Andreas Pichotta, der seine langjährigen
Mieter*innen mit Räumungsklagen rauswerfen will, sowie die Mieterin und
die Anwälte nicken zustimmend.
Eine Beweiserörterung ist ebenfalls nicht nötig, denn die Fakten liegen
alle auf dem Tisch: Pichtotta, Geschäftsführer von Arcadia Estates, will
den noch bewohnten Plattenbau, der sich trotz Vernachlässigung in einem
durchaus passablen Zustand befindet, [1][abreißen lassen] und durch einen
profitableren Neubau mit Luxuswohnungen ersetzen. Mit
Verwertungskündigungen versucht er die zwölf verbliebenen
Altmieter*innen [2][trotz unbefristeter Verträge loszuwerden], die sich
dagegen wehren. So weit, so klar – es geht um spekulativen Abriss und die
typische Berliner Verdrängung von Alteingesessenen.
Die Richterin macht entsprechend kurzen Prozess und will am 20. November
das Urteil verkünden. Wohin die Reise geht, lässt sie allerdings schon
durchblicken: Das von Pichotta eingereichte Gutachten, das den Abriss des
Hauses begründet, sei – sie zögert einen Moment und scheint um die richtige
Wortwahl zu ringen – „im Wesentlichen eher ungeeignet beziehungsweise
unvollständig“, sagt sie schließlich. Und außerdem aus dem Jahr 2018 und
damit veraltet.
„Es ist ja auch [3][nicht das erste Verfahren]“, sagt sie mit Blick auf die
vielen Zuschauer*innen, die vor allem aus den anderen Bewohner*innen
des Hauses und ihren Unterstützer*innen bestehen. Ihre Befürchtung vor
Tumulten oder Zwischenrufen ist allerdings unbegründet, die Stimmung ist
entspannt.
## Mieterin wohnt seit 33 Jahren in dem Haus
Dazu gibt es auch allen Grund, denn dass die Richterin sich auf das erste
Urteil gegen einen Mieter beziehen will, macht Hoffnung: „Eine Wohnung ist
kein Aktienpaket“, hieß es Mitte August, zack, Räumungsklage abgewiesen,
die Freude unter den Bewohner*innen war groß. Ob es in diesem Fall
genauso ausgeht, wird sich im November zeigen.
Mieter Daniel Diekmann, dessen Urteil im Dezember fallen soll, glaubt fest
daran. „Der Gutachter ist bekannt dafür, Häuser runterzuschreiben“, sagt
er. Andreas Pichotta will nicht mit der taz reden, ihm hat die Überschrift
des [4][Artikels über den ersten Prozess] gar nicht gefallen, sagte er im
Vorfeld.
Die Bewohner*innen sind dafür umso auskunftsfreudiger. „Mir fällt ein
kleiner Stein vom Herzen“, sagt die beklagte Mieterin Angelika Schulz nach
der Verhandlung. Seit 33 Jahren wohnt sie bereits in dem Plattenbau. Und
das soll auch so bleiben. „Das ist mein Kiez“, sagt sie.
25 Oct 2023
## LINKS
[1] /Streit-um-Habersaathstrasse/!5861054
[2] /Immobilienspekulation-in-Berlin/!5963835
[3] /Spekulativer-Leerstand/!5950293
[4] /Spekulativer-Leerstand/!5950293
## AUTOREN
Marie Frank
## TAGS
Gerichtsprozess
Mieterschutz
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Verdrängung
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Lesestück Recherche und Reportage
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