# taz.de -- Studie zu Fröschen: Selbstbestimmter Sex im See | |
> Menschliche Genderklischees reichen bis ins Tierreich. Zwei | |
> Biolog*innen räumen nun beim Grasfroschweibchen damit auf. | |
Bild: Grasfroschpaar zwischen Laicballen | |
Zum Sex gehören mindestens zwei. Jedenfalls bei ziemlich vielen Spezies. | |
Umso merkwürdiger, dass eine der Parteien oft unter dem wissenschaftlichen | |
Radar fliegt. So ging es auch den Grasfroschweibchen – Teil einer Spezies, | |
deren Fortpflanzungsverhalten die Biologie „explosiv“ nennt. In dem weniger | |
als zwei Wochen andauernden Spektakel Tausender sich am [1][See tummelnder | |
Frösche], müssen Weibchen immer wieder vermeiden, unter einem Haufen | |
interessierter Männchen erdrückt zu werden. | |
Die Wissenschaft ging daher lange davon aus, dass diese das ganze eher | |
stoisch hinnehmen, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.Eine neue | |
Studie rüttelt an dieser Vorstellung und deckt auf, wie Weibchen die | |
Selektion in die eigene Hand nehmen. | |
## Die Studie | |
Carolin Dittrich und Mark-Oliver Rödel, Biolog*innen des Berliner | |
Museums für Naturkunde, haben für [2][ihre Studie] Frösche gesammelt und | |
Männchen und unterschiedlich große Weibchen in eine wassergefüllte | |
Plastikkiste gesetzt. Das Setting war offenbar anregend genug, denn die | |
Männchen klammerten sich begehrlich an die Weibchen. Diese reagierten | |
darauf mittel begeistert: 33 Prozent stellten sich umgehend tot. Viele | |
begannen zu grunzen und fast alle initiierten eine Drehbewegung, die das | |
Männchen unter die Wasseroberfläche schickt. | |
Das, was sich Forschende lange als ziemlich passiv vorgestellt haben, sieht | |
in 83 Prozent der Fälle eher so aus, dass sich das Froschpaar um die eigene | |
Achse dreht und abwechselnd einer von beiden schnappatmend aus dem Wasser | |
guckt. Wobei das Männchen in 46 Prozent der Fälle entnervt aufgibt. | |
Die Forschenden erklären auch, wie die Männchen mit ihren Hinterbeinen | |
verzweifelt versuchen, sich gegen die Drehbewegung zu stemmen und, dass | |
besonders kleine Weibchen sich gut durchsetzen – erst recht, wenn die | |
Männchen eher grobmotorisch groß sind. Damit rütteln sie gleichzeitig an | |
der häufigen Vermutung, dass Größe im Tierreich gleichbedeutend mit | |
Dominanz ist. | |
## Was bringt’s? | |
So lange die Biologie verzerrt wird, braucht es akkurate Gegenerzählungen. | |
Denn die Wissenschaft stellte sich speziesübergreifend lange alles weiblich | |
Konnotierte als passiv vor. Angefangen mit der Idee vom Wettrennen der | |
Spermien zu einem indifferenten Ei. Heute erforscht sie endlich, was | |
[3][Eizellen] zur Selektion beitragen. Gut, wenn sie auch die | |
Selbstbestimmung der Fröschin entdeckt. | |
Was man bei der Neuerzählung allerdings vermeiden sollte, ist, die ganze | |
Wunderwelt der Natur in eine heteronormative Zweigeschlechtlichkeit zu | |
zwängen, die schon auf Menschen nicht wirklich passt. Oder auch, auf die – | |
ebenso sexistische – Erzählung zurückzufallen, dass Sex etwas ist, was | |
Männchen wollen und Weibchen per se höchstens mürrisch hinnehmen. | |
18 Oct 2023 | |
## LINKS | |
[1] /BUND-Kleingewaesser-Report-2023/!5943772 | |
[2] https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsos.230742 | |
[3] /Mutter-werden-oder-nicht/!5954838 | |
## AUTOREN | |
Franca Parianen | |
## TAGS | |
wochentaz | |
Zukunft | |
Stereotype | |
Frosch | |
sexuelle Selbstbestimmung | |
Archäologie | |
Frauenkörper | |
Geschlechter | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Archäologie zu Geschlechteridentitäten: Nicht-binäre Wikinger:innen | |
Ausgrabungen zeigen, dass es vor Tausenden Jahren Menschen gab, bei denen | |
das biologische und das soziale Geschlecht nicht übereinstimmten. | |
Elinor Cleghorn über Gendermedizin: „Der weibliche Körper als Instrument“ | |
Die Autorin Elinor Cleghorn schreibt über die Geschichte der Gendermedizin. | |
Sie zeigt, wie alte Stereotype noch heute zu Fehldiagnosen führen können. | |
Gesundheit von Frauen: „Die Brust ist extrem sexualisiert“ | |
Frauen bekommen keinen Herzinfarkt? Von wegen! Die Expertin für | |
Gendermedizin Gertraud Stadler erklärt, wie Patientenstereotype wirken. |