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# taz.de -- Nahost-Konflikt: Krieg der Bilder
> Die Hamas benutzt auch Social Media für ihren Kampf gegen Israel. Bei der
> Verbreitung ihrer Propaganda helfen ihr die Algorithmen der Plattformen.
Bild: Ein Israeli wird von Palästinensern aus dem Kfar Azza-Kibbuz entführt: …
Am 17. Oktober, zehn Tage nach [1][dem Angriff der Hamas auf Israel,]
veröffentlichte die Terrororganisation auf ihrem Telegram-Kanal ein Video,
in dem eine junge Frau zu sehen ist: Mia Shem, die von der Hamas entführt
wurde. Die Aufnahmen zeigen, wie Shems verletzter Arm behandelt wird. Sie
sagt auf Hebräisch, dass es ihr gut geht, dass man sich um sie kümmert, und
bittet darum, so schnell wie möglich zu ihrer Familie zurückgebracht zu
werden.
Der strategische Einsatz sozialer Medien in der Kriegsführung der Hamas
begann bereits am Tag des Angriffs. Videos auf X (ehemals Twitter),
Telegram, Instagram und Facebook zeigen, wie die schwer bewaffneten
Mitglieder der Terrororganisation auf Geländefahrzeugen und Motorrädern den
Sicherheitszaun zu Israel erreichen, andere Videos, wie sie den
Sicherheitszaun durchbrechen und die Terroristen die Grenze zu Israel
überqueren. Es ist der 7. Oktober 2023, Schabbatmorgen während des Festes
Sukkot, und schon bald darauf kann die Welt in den sozialen Medien
miterleben, wie die Terroristen [2][auf einem Musikfestival ein Massaker
verüben], mehrere Kibbuzim überfallen und deren Bewohner entführen, foltern
und ermorden. Sie greifen Erwachsene, Kinder, Menschen mit Behinderungen,
ältere Menschen und Holocaust-Überlebende an.
Die Beweise für all diese Verbrechen kursieren in Form sorgfältig durch die
Hamas produzierter Videos in den sozialen Medien. So tragen
Social-Media-Plattformen maßgeblich zur Verbreitung von Terror und Angst
einerseits und zur Anstachelung von Hass und Gewalt andererseits bei. Nun
sind bestimmte Telegram-Kanäle der Hamas in Deutschland gesperrt, und auch
TikTok hat gewaltvolle Inhalte entfernt. Auf X allerdings kursieren viele
Videos der Terrororganisation weiterhin – und befeuern mitunter
[3][Proteste auf der Straße].
Die Videos und Bilder, die die Hamas produziert hat und die von ihren
Anhängern weiter verbreitet werden, sind schrecklich. Da die Terroristen
Kameras an ihren Waffen befestigt hatten, sieht man ihre Opfer, sowohl als
sie noch leben, als auch nachdem sie ermordet wurden. In einigen Fällen
zeigen die Aufnahmen die Schändung der Leichen.
## Schreckliche Videos
Andere Hamas-Videos zeigen entführte und teilweise verletzte und blutende
israelische Frauen. In einem Video liegt eine halbnackte Frau leblos auf
der Ladefläche eines Lastwagens zwischen den Stiefeln von Terroristen. Man
sieht, wie Männer an die Ladefläche herantreten und den Körper bespucken.
Es gibt ein von der Hamas verbreitetes Video, das eine ältere, offenbar
bettlägerige Frau in ihrem Bett zeigt, ihre Betreuerin kniet vor dem Bett,
neben ihr steht ein bewaffneter und maskierter Terrorist. Es gibt viele
Videos von israelischen Geiseln, verletzt, verängstigt. Ein Video zeigt,
wie ein circa 4-jähriges israelisches Kind, offenbar gekidnappt, geschubst
und verspottet wird.
Nicht alle Videos sind verifiziert worden, aber immer wieder zeigen
israelische Nachrichten, wie Familienangehörige der Entführten oder
Ermordeten ihre Verwandten in den schrecklichen Szenen entdecken. Die von
Premierminister Benjamin Netanjahu auf X geposteten Beweisbilder, die
ermordete israelische Babys vom Terroranschlag auf die Kibbuzim im Süden
Israels zeigen, sind zurzeit auf der Plattform nicht mehr aufrufbar (Anm.
d. Red., 22. Oktober 2023, 13 Uhr: [4][Der Tweet ist wieder abrufbar.])
Nachdem die Bilder mehrere Tage auf X waren, hat die Hamas ihre
Social-Media-Strategie angepasst.
## „Das sind Freiheitskämpfer“
Ein kürzlich gepostetes Video, das wohl in einem überfallenen Kibbuz
entstanden ist, zeigt, wie Terroristen israelische Babys aus den Betten
heben und schaukeln, Kleinkindern die Schuhe anziehen und ihnen etwas zu
trinken geben. Ein anderes Video auf Telegram, das, so der englische Text
„unsere Seite der Geschichte“ zeigen will, endet mit dem Bild der
bewaffneten Terroristen in Uniformen, und dazu dem Text „Das sind keine
Terroristen, das sind Freiheitskämpfer“. Durch diesen Narrativwechsel
können anhand der verschiedenen Erzählungen auf internationaler Ebene
sämtliche politische Lager bedient werden.
Algorithmen in den sozialen Medien verbreiten vor allem Inhalte weiter, die
hohes Engagement durch Likes, Kommentare und Shares aufweisen. [5][Mehrfach
haben Studien gezeigt], dass vor allem gewaltvolle Inhalte in den sozialen
Medien viel Aufmerksamkeit bekommen. Daher kann man davon ausgehen, dass
die gewaltvollen Propagandavideos der Hamas eine besonders hohe Reichweite
erzielen. Von dieser Reichweite profitieren Social-Media-Unternehmen – und
damit davon, der Hamas eine Plattform zu geben. Das sieht man
beispielsweise daran, dass im Feed bei X zwischen den grausamen Fotos und
Videos Werbeanzeigen für Mode- und Kosmetikmarken erscheinen. Womit die
Aufmerksamkeit erzeugt wird, ist dem Algorithmus nicht wichtig, er soll den
Werbekunden nur möglichst viele Views garantieren.
## Algorithmische Kriegsführung
Auch wenn manche Social-Media-Nutzer diese krassen Bilder und Videos nur
auf ihren Profilen teilen, um über diese Verbrechen zu informieren,
verbreiten sie damit doch Hamas-Propaganda. So werden User*innen in den
Netzwerken Teil der erfolgreichen algorithmischen Kriegsführung der Hamas.
Aufgrund des strategischen Einsatzes ist davon auszugehen, dass die Hamas
die Effektivität von sozialen Medien bei der Verbreitung von Propaganda
sowie die Bereitschaft der Plattformen, diese zu hosten, bei der Planung
der Terrorattacken einkalkuliert hat.
Indem man die Gräueltaten auf den sozialen Medien teilt, werden aber nicht
nur Hamas-Propagandavideos weiterverbreitet, vor allem werden die
Betroffenen mit jedem Aufruf der Bilder erneut zu Opfern. So sind auch die
oben genannten Videos und Bilder von entblößten und missbrauchten Frauen
Teil der Kriegsführung in den sozialen Medien. Für Menschen mit
israelischen und jüdischen Familien oder solche, die zuvor Gewalt erlitten
haben, können die Bilder eine retraumatisierende Wirkung haben.
## Viele englische Videos
Unter den Millionen von Posts, die Bilder von Gewalttaten zeigen, gibt es
viele Kommentare, die diese Taten feiern und in Memes, Gifs und anderen
Formaten in den Netzwerken weiterverbreiten.
Auffällig ist, dass viele Bilder und Videos, die von der Hamas
veröffentlicht wurden, mit Texten in englischer Sprache versehen sind. Es
scheint, dass die Hamas weit über Israel hinaus Gewalt gegen
Jüdinnen*Juden und Israelis anstiften will. Ein Beispiel dafür, wie
schnell, einfach und kostenlos Hass international gegen Israelis und
Jüdinnen*Juden verbreitet werden, zeigt ein Meme auf einem hamas-nahen
Profil, das auf einem dunkelroten Hintergrund unter anderem weinende und
schreiende israelische Soldaten zeigt.
X ermöglicht es den Nutzer*innen, aus mehreren Versionen eines Memes auf
Englisch oder Arabisch zu wählen. Man klickt zum Beispiel auf die englische
Option „Tweet #EndOfIsrael“ und bekommt das oben beschriebene Meme, das man
dann mit nur einem weiteren Klick postet. Es braucht nur zwei Klicks, um
Hass zu verbreiten.
19 Oct 2023
## LINKS
[1] /Hamas-Angriff-auf-Israel/!5963411
[2] /Angriff-auf-Israel/!5965719
[3] /Pro-Palaestina-Protest-in-Neukoelln/!5966118
[4] https://x.com/IsraeliPM/status/1712471782303867144?s=20
[5] https://theconversation.com/there-is-a-lot-of-antisemitic-hate-speech-on-so…
## AUTOREN
Monika Hübscher
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