# taz.de -- Hamas und Israel: Krieg der Bilder | |
> Die Hamas hat ihren Krieg penibel vorbereitet, um den Image-Schaden für | |
> Israel möglichst groß ausfallen zu lassen. Aber nicht nur deshalb | |
> bröckelt die internationale Solidarität mit Israel. | |
Bild: Zeichen der Kontrolle: Eine israelische Flagge im Gazastreifen am 15. Nov… | |
Was sich in Nahost abspielt, ist auch ein Krieg der Bilder, ein Kampf um | |
Narrative, um Verständnis und Solidarität. Als diese Woche Babys in einem | |
Krankenhaus in Gaza in Lebensgefahr schwebten, stellte sich in Israel eine | |
Frau, weiß gekleidet wie eine Krankenpflegerin, vor einige Brutkästen und | |
sagte in die Kamera: „Israel ist bereit zu helfen.“ Die Armee werde die | |
Brutkästen nach Gaza liefern. „Unser Krieg ist gegen die Hamas, nicht gegen | |
die Menschen in Gaza.“ | |
Eine klare Nachricht an alle, die nicht wahrhaben wollen, dass Israel von | |
einer Terrororganisation in diesen Krieg gezwungen wurde und offenbar – | |
trotz der enorm hohen Zahl getöteter Zivilist*innen – bemüht ist, das | |
Allerschlimmste zu verhindern. [1][Armeesprecher Daniel Hagari] fuhr selbst | |
ins Kriegsgebiet nach Gaza-Stadt, um in fließendem Englisch durch | |
Waffenlager und Geiselverstecke der Hamas zu führen, die Israels Truppen | |
dort eigenen Angaben zufolge unter Krankenhäusern entdeckt hatten. | |
Die Aufnahmen erreichten die Wohnzimmer weltweit. Auch die „Tagesschau“ | |
brachte die Bilder. Im Netz bekommen die [2][Posts der israelischen Armee] | |
regelmäßig hunderttausende Klicks. Die Liste der öffentlichkeitswirksamen | |
Aktionen und Medienarbeit ist lang und nicht auf das Netz beschränkt. In | |
Berlin, Paris und Washington haben die Parlamentarier*innen einen | |
grauenhaften 40-minütigen Film zu sehen bekommen, ein Zusammenschnitt von | |
Aufnahmen des Hamas-Massakers. | |
Auch die taz und andere Medien wurden in der israelischen Botschaft | |
empfangen, um sich das „Rohmaterial“ anzuschauen. Professionelle | |
Öffentlichkeitsarbeit, so scheint es, die der Terrorpropaganda der Hamas | |
und ihrer antiisraelischen Sympathisanten ein anderes Bild entgegensetzt: | |
das eines Staates, der sich berechtigterweise gegen Terroristen verteidigt, | |
dabei aber Humanität bewahrt und palästinensische Zivilist*innen | |
verschont. | |
## Strategisch katastrophal | |
Man muss sich allerdings verwundert die Augen reiben, wenn man hört, wie | |
ein israelischer Minister tatsächlich von einer „Gaza-Nakba“ spricht; ein | |
anderer empfiehlt „freiwillige Migration“ der Palästinenser*innen als | |
„humanitäre Lösung“. Und aus Regierungskreisen in Jerusalem wird ein | |
Dokument geleakt, in dem die Vertreibung der gesamten Bevölkerung aus dem | |
Gazastreifen empfohlen wird. Hieß es nicht, dieser Krieg gelte allein der | |
Hamas, nicht der Bevölkerung? | |
Regierungschef Benjamin Netanjahu pfiff letzte Woche seine | |
Minister*innen zurück. Wer sich öffentlich äußere, müsse mehr | |
Fingerspitzengefühl zeigen. Kontraproduktiv in ihrer Außenwirkung ist auch | |
die Armee unterwegs: Wozu das [3][Foto schwer bewaffneter Soldaten], die | |
diese Woche mit Israelflagge im frisch eingenommenen Parlamentsgebäude von | |
Gaza-Stadt vor der Kamera posierten? Natürlich: Das existenziell bedrohte | |
Land muss nach dem Schock vom 7. Oktober seine Abschreckungskraft | |
wiederherstellen. | |
Und klar: Anzunehmen, dass die Israelis im Gazastreifen selbst als Befreier | |
statt als Eroberer empfangen werden, wäre ohnehin weltfremd. Aber den | |
militärischen Erfolg derart als Eroberung in Szene zu setzen und die | |
Öffentlichkeit im Westen und auch in den arabischen Ländern mit | |
entsprechenden Bildern zu versorgen, ist strategisch katastrophal – und | |
untergräbt Israels aufwendige Öffentlichkeitsarbeit. | |
Wirklich tragisch ist, dass jede Eroberungsgeste und jede Nakba-Äußerung | |
der Hamas direkt in die Hände spielt. Der Terrorgruppe geht es nicht darum, | |
die weit überlegene israelische Armee militärisch zu besiegen, sondern | |
darum, den jüdischen Staat zu delegitimieren. Sie hat diesen Krieg lange | |
und penibel vorbereitet, um den Image-Schaden für Israel möglichst groß | |
ausfallen zu lassen. Dazu dienen ihr [4][die Krankenhäuser], unter denen | |
sich die Terroristen mutmaßlich verstecken. | |
Dazu dient ihr das weite Tunnelnetzwerk unter ziviler Infrastruktur, in dem | |
die Kriegsführung für Israel enorm schwierig ist, vorausgesetzt, man will | |
sich so weit wie nur möglich an völkerrechtliche Standards halten. Die | |
Zerstörung des gesamten Netzwerks würde mit einem „[5][zivilen | |
Kollateralschaden]“ einhergehen, der international kaum akzeptiert werden | |
würde. Israel kann es also nur falsch machen. | |
Vor diesem Hintergrund bieten Israels Armee und die derzeitige in Teilen | |
rechtsextreme Regierung eine enorme Angriffsfläche. Wer zweifelt, ob sich | |
Israel wirklich nur gegen die Terroristen der Hamas selbst verteidigt, | |
findet reichlich Stoff für Gegenargumente. Je mehr sich Israel als Eroberer | |
in Szene setzt und je öfter Minister*innen von Nakba, Vertreibung, ja | |
sogar von einem Atomwaffeneinsatz im Gazastreifen faseln, desto weiter | |
rückt das Ziel in die Ferne, Verständnis für und Solidarität mit Israel zu | |
erzeugen in diesem berechtigten Krieg gegen die Hamas. | |
17 Nov 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Krieg-in-Nahost/!5973086 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=XETak6S8GKQ | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=KKnvifQHYUE | |
[4] /Israelisches-Militaer-in-Gaza/!5973357 | |
[5] /Opfer-im-Gaza-Krieg/!5969294 | |
## AUTOREN | |
Jannis Hagmann | |
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