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# taz.de -- Kinotipp der Woche: Eskalierende Wirklichkeit
> Dokumentarfilme erweisen sich beim 4. Ukrainischen Filmfestival als
> politisches Medium. Eine Ivan Mykolaychuk-Werkschau und Georgien-Fokus
> begleiten.
Bild: Eröffnet das Filmfestival: Roman Liubyis Filmcollage „Iron Butterfly“
Während die Sirene noch heult in Lwiw macht sich Lyana Mytsko schon auf den
Weg ins Kunstzentrum der Stadt. Mytsko ist eine der Künstler_innen, deren
Arbeit der ukrainisch-US-amerikanische Regisseur David Gutnik in seinem
Dokumentarfilm „Rule of Two Walls“ zeigt.
Gutniks Film kreist um eine Handvoll Kreativer, die nach der russischen
Invasion im Februar 2022 beschlossen haben, dem Krieg mit ihrer
künstlerischen Arbeit zu begegnen. Gutnik montiert zwischen die Aufnahmen
aus Lwiw Szenen aus dem Osten der Ukraine, von Kämpfen, Bergungen und
Aufräumarbeiten.
„Rule of Two Walls“ ist einer der acht Filme aus der Ukraine, die, ergänzt
um zwei Kurzfilmprogramme, das Hauptprogramm des diesjährigen Ukrainischen
Filmfestivals in Berlin bilden.
Zur Eröffnung am kommenden Mittwoch (25. Oktober) läuft Roman Liubyis „Iron
Butterflies“, der in einer filmischen Collage die Tötung der 298 Insassen
des Malaysia-Airlines-Flug 17 durch russische Unterstützer des
Marionettenregimes in Donezk in den Verlauf jenes Kriegs einordnet, den
Russland seit 2014 auf ukrainischem Boden führt.
Liubyi kombiniert Archivmaterial zu jenem russischen
Boden-Luft-Raketensystem mit dem die Boeing 777 abgeschossen wurde mit
Spielszenen, Choreographien und dokumentarischen Aufnahmen, unter anderem
einige in denen Kämpfer des Donezker Marionettenregimes auf den
Trümmerteilen posieren.
Auch unter den weiteren Filmen des Programms sind die Dokumentarfilme in
der Mehrheit, was einerseits mit den drängenden Realitäten des Lebens in
der Ukraine zu tun haben dürfte, zugleich aber auch mit den
Produktionsbedingungen vor Ort. Die Ausnahme bildet Tonia Noyabriovas
Spielfilm „Do You Love Me“ über eine junge Frau, die sich mitten im
Zusammenbruch der Sowjetunion selbst finden muss.
Das Festival wird begleitet von einer kleinen Retrospektive mit drei Filmen
von Ivan Mykolaychuk. Ende der 1960er Jahren schrieb Mykolaychuk ein
parabelartiges Drehbuch über die Söhne einer Musikerfamilie in einem
Huzulen-Dorf im Westen der Ukraine in den Wirren des Zweiten Weltkriegs
zwischen Sowjetisierung, ukrainischem Nationalismus und rumänischer
Besetzung.
„The White Bird Marked with Black“ entstand 1971 unter der Regie von Yuri
Illienko. Ursprünglich wollte Mykolaychuk den facettenreicheren der Brüder
selbst spielen, was jedoch von den Zensoren unterbunden wurde.
Acht Jahre später folgte Mykolaychuks Regiedebüt „Babylon XX“. Auch
„Babylon XX“ ist in einem Dorf im Westen der Ukraine angesiedelt und greift
auf die Geschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurück.
Als dritten Programmteil gibt es eine Mini-Überblicksschau zum georgischen
Kino: Vor dem Hintergrund eines zunehmend komplizierten Verhältnisses
georgischer Filmemacher_innen zu den staatlichen Filminstitutionen ihres
Landes hat das Festival in diesem Jahr sein Programm für drei Beispiele des
zeitgenössischen georgischen Films geöffnet.
Auch im vierten Jahr bleibt das Ukrainische Filmfestival Berlin ein
Pflichttermin für alle, die sich für osteuropäisches Kino interessieren
oder für den Dokumentarfilm als Modus mit der eskalierenden Wirklichkeit
umzugehen.
21 Oct 2023
## AUTOREN
Fabian Tietke
## TAGS
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Georgien
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