Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinotipp der Woche: Großmutter des Goth
> Zum 85. Geburtstag widmet das Soundwatch Music Film Festival der Sängerin
> Nico zwei Abende mit Film und musikalischer Lesung.
Bild: Nico in der Opéra Comique, Paris, 1972
Christa Päffgen, besser bekannt als Nico, wäre am 16. Oktober 85 Jahre alt
geworden, starb aber bereits vor 35 Jahren auf Ibiza. Sie fiel von ihrem
Fahrrad, landete in einem Graben und stand nie wieder auf. Wie so vieles
rund um diese Frau, bleibt auch die genaue Todesursache bis heute ein
Mysterium.
Als Muse von Andy Warhol und der weiblichen Stimme auf dem unsterblichen
Debütalbum von The Velvet Underground, kämpfte sie ihr Leben lang mit der
Abhängigkeit von Drogen aller Art. Dennoch hat sie wunderbare Soloalben
herausgebracht und gilt als Großmutter des Goth. Sie hatte die
glamourösesten Liebschaften und genießt bis heute weltweit den Ruf als
teutonische femme fatale der Sonderklasse.
Anlass genug, mal wieder Leben und Werk von Nico zu würdigen, die im
Berliner Grunewald begraben wurde. Lutz Graf-Ulbrich, besser bekannt als
Lüül, wird das [1][an ihrem Todestag im Lichtblick Kino übernehmen] und aus
seinem vor einigen Jahren erschienenen Buch „[2][Nico – im Schatten der
Mondgöttin]“ vortragen, dazu Aufnahmen von der Sängerin aus seinem
Privatarchiv zeigen.
Lüül war Jahre lang Musiker in einer von Nicos Bands und hatte eine
Beziehung mit ihr. Man kann ihn also als einen echten Nico-Kenner
bezeichnen.
Einen Tag vor Lüüls Vortrag geht es in einem Dokumentarfilm zumindest
beiläufig auch um sie. „[3][Ghosts of the Chelsea Hotel (and Other
Rock'n'Roll Stories]“ (2023) von Danny Garcia erzählt die Geschichte des
berühmtesten Künstlerhotels der Welt, in dem auch Nico eine ganze Weile
lebte (ihre erste Soloplatte hieß „Chelsea Girl“).
In Garcias Film wird sie von dem Rockmusiker und einstigen
Chelsea-Hotel-Bewohner Neon Leon als Person beschrieben, die immer auf der
Suche nach Drogen war, nachts auf ihrem berühmten Harmonium spielte und
dabei Lieder anstimmte, die man auf einem Begräbnis hätte laufen lassen
können.
Das Chelsea Hotel entwickelte sich Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts zur
beliebten Absteige für Bohemians, Schriftsteller und Künstler. Sie
übernachteten hier nicht bloß für ein paar Tage, sondern lebten hier. Mark
Twain, Arthur Miller und Salvador Dali etwa waren Bewohner. Was das Hotel
für so manche Künstler attraktiv machte, war, dass sie, noch am Anfang
ihrer Karriere stehend und mal wieder pleite am Monatsende, die Miete auch
mit Kunstwerken abgleichen konnten.
In den Sechzigern entwickelte sich das Haus dann zum Rock'n'Roll-Hotel.
Janis Joplin, Jimi Hendrix, Patti Smith und viele andere zogen ein. Dabei
durften sie sich ausdrücklich wohnlich einrichten. Ein Hotel-Bewohner hatte
ein Zimmer gar eingerichtet wie einen Miniatur-Dschungel, in dem zig
Papageien herumflatterten.
Das Hotel war Habitat für Freaks und Drop-outs, für Avantgardisten,
Szene-Sternchen und Wannabe-Stars. Unzählige Mythen und Legenden ranken
sich um diese Zeit und Regisseur Danny Garcia ist darum bemüht, diese von
einstigen Bewohnern des Hotels wie am Fließband abzugreifen.
Da geht es dann um den mit Drogenproblemen kämpfenden Dee Dee Ramone, den
Tod von Sid Vicious, nachdem er im Raum 100 vermutlich seine Freundin Nancy
Spungen erstochen hatte. Und einer nach dem anderen berichtet dann auch
noch von Gespenstersichtungen innerhalb des alten Gemäuers. Alle sind sich
einig: Hier spukt's.
Leider hat die Dokumentation im Großen und Ganzen die Anmutung eines vor
der Kamera vorgelesenen Wikipedia-Eintrags. Der und die wohnte hier und
dann ist Folgendes passiert, so läuft das die ganze Zeit. Und ständig
erklingt im Hintergrund aus unerklärlichen Gründen nervige Musik.
11 Oct 2023
## LINKS
[1] https://lichtblick-kino.org/special/23-10-16-sw-bt-nico-im-schatten-der-mon…
[2] https://luul.de/produkt/nico-im-schatten-der-mondgoettin/
[3] https://lichtblick-kino.org/special/23-10-15-sw-bt-ghosts-of-the-chelsea-ho…
## AUTOREN
Andreas Hartmann
## TAGS
taz Plan
Filmgeschichte
Musikgeschichte
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
Filmgeschichte
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kinotipp der Woche: Lücken schließen
Für die 8. Ausgabe des Film Restored Festivals hat die Deutsche Kinemathek
unter dem diesjährigen Titel „Absence“ verschollene Filme neu restauriert.
Kinotipp der Woche: Eskalierende Wirklichkeit
Dokumentarfilme erweisen sich beim 4. Ukrainischen Filmfestival als
politisches Medium. Eine Ivan Mykolaychuk-Werkschau und Georgien-Fokus
begleiten.
Neue Musik aus Berlin: Trip zum fernen Ufer
Michael Lapuks veröffentlicht mit „Distant Shore“ ein auf 200 Exemplare
limitiertes Album mit geradezu optischer Musik – auf vielen Ebenen.
Neue Musik aus Berlin: Luftig und dialektisch
Vor 15 Jahren spielte sie in einer Swingband. Heute ist die
Multiinstrumentalistin Kiki Bohemia subtil noiseaffin unterwegs.
Kinotipp der Woche: Kino in Extremform
Das Arsenal zeigt noch bis Ende des Jahres eine Reihe mit über 60 Filmen,
die sein Publikum unbedingt gesehen haben sollte.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.