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# taz.de -- Neuer Lisbeth-Salander-Roman: Fortsetzung eines Bestsellers
> Ghostwriter für einen Toten: Lisbeth-Salander-Romane von Larsson sind
> blutig, aber sie sterben nicht. Eine neue Folge, geschrieben von Karin
> Smirnoff.
Bild: Lisbeth Salander in einer Verfilmung der ersten Millenium-Romane von Stie…
Es muss wahnsinnig gut bezahlt sein. Das ist wohl die beste Erklärung
dafür, warum vor einigen Jahren der [1][Autor David Lagercrantz und nun
auch Karin Smirnoff] sich überzeugen ließen, als Ghostwriter für einen
Toten anzutreten, den man nicht mehr nach seinem Einverständnis fragen
konnte, und Stieg Larssons sogenannte „Millennium“-Reihe fortzusetzen.
Stieg Larsson starb 2004 mit nur fünfzig Jahren und wurde erst posthum mit
den drei Lisbeth-Salander-Thrillern berühmt, die sich in seinem Nachlass
fanden.
Immer noch lässt sich mit seinem Namen gut Geld machen; auf dem Cover des
jüngsten Lisbeth-Salander-Romans ist er fast genauso groß gedruckt wie der
Name der eigentlichen Autorin. Diese wiederum ist für alle beteiligten
Verlage ein tausendmal besserer Fang als ihr Ghostwriter-Vorgänger; denn
anders als jener ist Smirnoff international, zumal auf dem deutschen Markt
– dem Hauptabsatzmarkt für Krimis aus Skandinavien – gut eingeführt als
Romanautorin.
Hinzu kommt, dass ihre Themen prinzipiell gut anschlussfähig sind an den
Lisbeth-Salander-Kosmos: Da geht es um Männergewalt, toxische Beziehungen,
Kindesmissbrauch und -vernachlässigung, Eigenbrötelei und Hochbegabung.
Stilistisch könnte der Unterschied allerdings kaum größer sein. Während
Smirnoff zweifellos eine „literarische“ Autorin ist, die sich in ihrem
Schreiben normalerweise an hohen formalen Ansprüchen messen lässt,
verfolgte Larsson mit seinen Spannungsromanen andere Ziele. Passt das also
überhaupt?
Die kurze Antwort lautet: Na ja. Smirnoff passt sich an.
Offenbar lautete der Auftrag, einen Großteil des gut eingeführten
Larsson’schen Figurenpersonals zu übernehmen und möglichst im Sinne der
Vorlage zu erweitern. Es ist zwar nicht wirklich plausibel, wenn Lisbeth
Salander, Mikael Blomkvist, die schlimmen Mord-Rocker des Svavelsjö MC und
sogar der unbeliebte Polizist Hans Faste alle gleichzeitig, und auch noch
aus verschiedenen Gründen, im selben norrländischen Kaff, 700 Kilometer von
Stockholm entfernt, auftauchen – aber okay.
## Neue Orte, plötzliche Tode
Ein Wechsel des Handlungsorts schadet nie. Drumherum gibt es jede Menge
neue Figuren: Lisbeth hat nun eine Nichte, die 13-jährige Svala, die genau
wie ihre Tante über besondere Fähigkeiten verfügt und die plötzlich allein
dasteht, da ihre Mutter verschwunden und ihre Großmutter nach einem Besuch
des Svavelsjö MC bei sich zu Hause plötzlich verstorben ist.
Und in Mikael Blomkvists Leben spielt neuerdings sein Enkel eine große
Rolle, der Sohn seiner Tochter, die im Kaff Gasskas heiraten soll, und zwar
einen örtlichen Großkotz, der eine ungute Rolle bei der Ansiedlung eines
neuen Windparks in der Gemeinde spielt.
Vorab hatte die Autorin, in einem Interview befragt, was denn in ihrem
Roman wohl anders würde als bei Larsson selbst, trocken geantwortet, es
werde blutiger. Dieses Programm hält sie ein, allerdings nicht in der
Intensität, mit der sie beginnt.
Die ersten beiden Szenen sind wirklich zum Wegducken grausam und dabei noch
sadistisch gut geschrieben: Mit akribischer Detailversessenheit schildert
Smirnoff das Dasein eines Berufskillers; und nach einem Szenenwechsel wird
die junge Svala eingeführt, die sich smart und brutal gegen die
Nachstellungen der Todesrocker wehrt.
## Hat da vielleicht eine KI geschrieben?
Aber gerade wenn man denkt, einen ganzen Roman lang würde man das so nicht
aushalten, scheint es, als habe Smirnoff den Stift aus der Hand gelegt und,
statt uns in ihrem eigenen, dichten Stil weiter durch Schockwellen zu
treiben, statt dessen eine künstliche Intelligenz mit Schreibanweisungen
gefüttert.
Nach dem Deus-ex-Machina-Prinzip treten Figuren auf und ab wie Teufelchen
aus der Kiste, unwahrscheinliche Zufälle häufen sich, und Leichen fallen am
Wegesrand an, als gehöre sich das eben so. Ein gewisses Maß an Spannung
wird zwar aufrechterhalten. Richtig ernst nehmen muss man das alles aber
nicht mehr, was auch Vorteile hat. Katharina Granzin
11 Oct 2023
## LINKS
[1] /Roman-Wunderkind/!5918313
## AUTOREN
Katharina Granzin
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