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# taz.de -- Letzte Generation in Berlin: Das Kleben muss weitergehen
> Erst das Brandenburger Tor, nun die Blockade des Berlin-Marathons? Der
> Protest der Letzten Generation ist nötig und muss weiterhin sichtbar
> bleiben.
Bild: Die Letzte Generation ist zurück auf den Straßen Berlins, um zu blockie…
Sie kleben auf der Straße, bewerfen Kunstwerke – und jetzt besprühen sie
auch noch das Brandenburger Tor: Die Letzte Generation sorgt mit ihrer
unkonventionellen Art zu protestieren verlässlich für Aufmerksamkeit. So
auch aktuell. In ihrer etwas anderen Protestform sehen viele ein Problem.
Doch eines zeigt sich immer deutlicher: Klimaprotest muss stören, damit er
etwas bewirkt.
Nachdem die Klimaaktivist*innen am vergangenen Sonntagvormittag
[1][alle sechs Säulen des Brandenburger Tors auf der Ostseite mit Farbe
besprüht haben], verfiel der in Sachen Letzte Generation ohnehin
dauerempörte Teil der Öffentlichkeit natürlich in Schnappatmung.
Als „sinnlose und verwerfliche Aktion, die strafrechtlich konsequent
geahndet werden muss“, geißelte etwa SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser
die Tat. Und überhaupt würden die Aktivist*innen mit ihrem Protest nur
dem gesellschaftlichen Rückhalt für den Klimaschutz massiv schaden. Alles
schon unzählige Male gehört.
Den fehlenden Rückhalt für die Klimabewegung einzig den Aktionen der
Letzten Generation zuzuschreiben, ist einfach – aber auch einfach nicht
richtig. Hatte der Globale Klimastreik von Fridays for Future 2019 noch bei
hunderttausenden jungen Menschen Anklang gefunden, ist die Mobilisierung
inzwischen stark zurückgegangen. Das merken auch die Aktivist*innen
selbst.
## Es ist Zeit für echte Zugeständnisse
Auch für die Ampel-Koalition im Bund scheint das Thema Klimaschutz keine
Priorität zu haben. Lieber verschwendet sie Monate mit internen
Diskussionen über einen „Heizhammer“, statt die Zeit effektiv zu nutzen, um
sozial gerechten Klimaschutz voranzutreiben. Liest man beispielsweise die
im August erschienene [2][Beurteilung des Expertenrats für Klimafragen],
reichen die geplanten Klimaschutzmaßnahmen der Regierung keinesfalls aus,
um die deutschen Klimaziele zu erreichen.
Umso wichtiger ist es, dass der Klimaschutzprotest nicht einschläft und der
Politik Zugeständnisse abringt. Einen Teil dazu hat Fridays for Future
geleistet, indem sie das Thema Klimaschutz in die Mitte der Gesellschaft
gebracht haben. Überall in der Welt wurden die Proteste der Kinder und
Jugendlichen verfolgt. Das führte teilweise dazu, dass Regierungen ihre
eigenen klimapolitischen Versprechen, wenn auch nur für kurze Zeit, ernster
genommen haben.
Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021, das die
damalige Klimaschutzpolitik als unvereinbar mit den Freiheits- und
Grundrechten zukünftiger Generationen ansieht, hätte es ohne Fridays for
Future wahrscheinlich nicht gegeben.
## Aufmerksamkeit ist ihr größtes Kapital
Angesichts der schwindenden Mobilisierungskraft der Klimabewegung braucht
es neben den mehrheitsfähigen Demonstrationen von Fridays for Future die
Protestformen der Letzten Generation. Ja, das jesusartige
Andere-Wange-Hinhalten bei den aggressiven Gegenreaktionen auf den Straßen
wirkt befremdlich. Und ja, das gilt auch für die Kommunikation nach außen
mit den immer gleichen Stanzen.
Aber trotzdem ist es nun mal vor allem die Letzte Generation, die am
meisten Aufmerksamkeit für die Klimakatastrophe generiert. [3][Klar stören
sie den Alltag Berlins mit ihren Aktionen], die sie nach eigenen Angaben
erst beenden, wenn die Bundesregierung auf ihre zentralen Forderungen – bis
2030 raus aus den fossilen Energien zu sein – reagiert. Aber genau um
dieses Stören geht es ja.
„Das Maß ist jetzt voll“, hatte sich Berlins Regierender Kai Wegner (CDU)
am Donnerstag im Abgeordnetenhaus mit Blick auf die Aktion am Brandenburger
Tor echauffiert. Dazu gab es dann noch die erwartbare Belehrung: „Sie
versauen die Stimmung für mehr Klimaschutz.“ Und natürlich begrüße er es
„ausdrücklich“, dass nun einer Aktivistin der Letzten Generation eine
achtmonatige Haftstrafe droht.
Am Freitag hat die Letzte Generation angekündigt, selbstverständlich
[4][den Berlin-Marathon] am Sonntag stören zu wollen. Sollte das gelingen,
kann man sich die Reaktionen jetzt schon ausmalen. Wieder werden Wegner &
Co ihre Zeit mit Zeter und Mordio verschwenden, statt das zu tun, was die
Letzte Generation fordert – und was angesichts der Klimakatastrophe
tatsächlich zwingend geboten ist: endlich die dringend nötigen
Klimaschutzmaßnahmen voranzutreiben.
Eines ist sicher: Damit käme die Politik nicht nur den genervten
Autofahrer*innen, sondern auch einer jungen Generation entgegen.
23 Sep 2023
## LINKS
[1] /Klima-Protestaktion-am-Brandenburger-Tor/!5958071
[2] /Expertinnen-ueber-Klimaschutz/!5950965
[3] /Letzte-Generation-in-Berlin/!5959011
[4] /Klimaprotest-beim-Berlin-Marathon/!5961778
## AUTOREN
Elena Kirillidis
## TAGS
Wochenkommentar
Letzte Generation
Schwerpunkt Klimaproteste
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