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# taz.de -- Riesen-Wohnmobile auf Campingplätzen: Zwischen Luxuslinern
> Im Paradies auf Korsika werden unserer Autorin die wuchtigen Wohnmobile
> zu viel. Sie fragt sich: Wieso dürfen sie so viel Platz einnehmen?
Bild: Böser Camper auf dem Weg, um sich vor kleine Zelte und Busse zu stellen
Eigentlich bin ich ein friedlicher Mensch, ich meditiere und schreibe
Tagebuch. Als ich mich vor ein paar Tagen „Du Wichser“ murmeln hörte, war
ich deshalb überrascht, über die Verachtung, den Hass. Und das in einem
Moment, der eigentlich der beste des Jahres sein sollte, auf einem der
wunderbarsten Campingplätze Korsikas.
Ich liebe Campen. Ohne Spülmaschine und WLAN wird mein Herz weit und mein
Kopf leer. Barfuß sein und sommersprossig, mit Pinienduft in der Nase.
Früher habe ich ausschließlich wild gezeltet, seit unsere Tochter da ist,
mache ich Kompromisse. Wir haben uns einen Transporter zugelegt und ihn
notdürftig ausgebaut, um weiterhin unseren Urlaub draußen verbringen zu
können.
Beim Aufwachen direkt in die Sonne blinzeln, die Mittagshitze in der
Hängematte wegbaumeln, abends unterm Sternenhimmel speisen und zu
Zikadengesang einschlafen – das ist mein bisschen Freiheit in der
Kleinkindzeit.
Ich will also gerade, den Kaffee in der einen Hand, in mein Croissant
beißen, als sich eine weiße Wand aus Plastik zwischen mich und das
Mittelmeer schiebt – und dort stehen bleibt. Ein Wohnmobil. Und zwar nicht
so ein Campervan, sondern eines dieser 5-Sterne-Kreuzfahrtschiffe auf
Rädern.
## Drei Parkplätze für ein Wohnmobil
Ja, ich gebe zu, auch wir gehören mit [1][unserem Transporter leider selbst
zu den Mitverursachern des großen Hypes]. Der Caravaning Industrie Verband
meldet rund [2][70.000 Neuzulassungen von Vans und Reisemobilen in
Deutschland – allein im Jahr 2023!]
Aber zu meiner Verteidigung möchte ich vorbringen: Campingbusse wie unserer
haben meist Pkw-Größe und nehmen genau einen Parkplatz ein. Das Wohnmobil,
das sich vor uns aufgebaut hat, ist eine andere Nummer und auch die haben
leider Hochkonjunktur.
Es dringt nun aus zwei Metern Höhe eine Stimme an unsere Ohren: „Wir haben
Zeit.“ Es dauert einen Moment, bis ich verstehe, was der Typ im
lederbesesselten Cockpit damit meint: Er will den Campingplatz verlassen
und wir sollen dafür unseren Bus bewegen, ihm Platz machen. Er kommt mit
seinem Koloss nicht an uns vorbei, ohne die Zweige der Olivenbäume mit
seiner Sat-Schüssel zu touchieren. Für ihn steht außer Frage, wer sich
bewegen muss. Immerhin hat er 700.000 Euro oder mehr übrig, um sich einen
„Grand Empire“ zu kaufen.
Seit Tagen schon beobachte ich irritiert, was er und seine Frau unter
Camping verstehen. Sie löste mit freudloser Mine Kreuzworträtsel unter der
elektrisch ausfahrbaren Markise, während er auf dem Flachbildschirm
„Tatort“ guckte. Sonnenuntergang, Natur? Och nö. Ein paar Mal sind die
beiden mit dem Smart aufgebrochen, den der Koloss in der Heckgarage
dabeihat. Praktisch, denn durch die engen Gassen von korsischen Dörfchen
kommt man mit bis zu 12 Meter langen Monstern nicht.
## Freundlich Platz machen
Eigentlich gilt für mich: Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Aber ganz
ehrlich, ich gehe zelten, um genau solche Menschen nicht zu treffen. Warum
bleibt ihr nicht in eurer Villa am Zürichsee, Leute? Oder bucht euch eine
5-Sterne-Wilderness-Lodge? Was treibt euch mit 500 Liter Diesel im Tank auf
Naturcampingplätze, wo Kinder nackt herumlaufen und niederes Volk, mit dem
ihr keinen Kontakt wollt, Gemeinschaftstoiletten benutzt, die ihr nicht
braucht? Was lässt euch glauben, dass [3][so viel Raum euch und euren
Monsterfahrzeugen gehört] und ihr am Strand natürlich in erster Reihe
steht?
Das alles hätte ich gern mal gefragt, aber stattdessen machen wir
reflexhaft freundlich Platz. Mein „Du Wichser“ kommt so leise, dass der
fahrende Großgrundbesitzer es nicht gehört hat. Aber immerhin: Wieder Platz
für drei neue Zelte.
2 Oct 2023
## LINKS
[1] /Camping-im-Wandel/!5952191
[2] https://www.civd.de/artikel/aktuelle-neuzulassungszahlen/
[3] /Verdraengung-der-Jugend/!5944173
## AUTOREN
Dunja Batarilo
## TAGS
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