# taz.de -- Schauspieler Peter Lüchinger: „Ins Leben einmischen“ | |
> Der Schauspieler Peter Lüchinger hat vier Jahrzehnte lang die Bremer | |
> Shakespeare Company geprägt. Anfang Dezember geht er in Rente. | |
Bild: „Ich habe noch keine Ahnung, wie ich damit umgehe“: Peter Lüchinger … | |
wochentaz: Herr Lüchinger, Sie haben im Mai Ihre letzte Premiere an diesem | |
Haus gespielt. Wie fühlt sich das jetzt an, hier in diesem Theater zu sein? | |
Peter Lüchinger: Na ja, der Tag kam ja nicht so überraschend. Ich weiß | |
schon länger, dass dieser Abschied kommt. Wir haben uns als [1][Bremer | |
Shakespeare Company] gesagt, mit dem offiziellen Renteneintritt ist das | |
Arbeitsverhältnis beendet, um gewisse Probleme nicht zu bekommen, dass man | |
so lange bleibt, bis man nicht mehr auf die Bühne kommt. Spielen kann ich | |
noch weiter, wo auch immer, es muss nicht in diesem Haus sein. Dadurch, | |
dass ich vorbereitet bin, ist es für mich nicht so emotional. Das kommt | |
vielleicht noch, am letzten Tag. Mir fällt auf, dass ich in den vergangenen | |
Jahren schon wahnsinnig viel gearbeitet habe und sehr oft hier war, viel | |
Lebenszeit in diesem Gebäude verbracht habe. Dieser Ort wird als Arbeitsort | |
weg sein, aber alles, was ich beim Spielen erlebte, das kann ich mitnehmen. | |
Ich habe noch keine Ahnung, wie ich damit umgehe. Sicher ist, am 1. | |
Dezember ist mein Renteneintritt. | |
Das heißt, die Arbeit in diesem selbstverwalteten Betrieb als | |
geschäftsführender Vorstand ist dann beendet? | |
Ja, auch die interne Mitsprache als Mitgestalter und als Schauspieler. | |
Sie bleiben dem Haus ja für die Repertoirestücke erhalten, sind dann aber | |
als Schauspieler nur noch ausführendes Organ? | |
Im Grunde genommen ja. Das habe ich ein bisschen forciert. Man muss einen | |
Schnitt machen, sonst kommen diese alten Säcke und plappern immer mit. Ich | |
bin noch hier, sie können mich fragen, wenn sie ein Problem haben, aber | |
dann bin ich nur ein Draufgucker. Seit letztem Dezember bin ich nicht mehr | |
auf Sitzungen dabei, wo es um die Zukunft des Theaters geht. Über | |
Entscheidungen äußere ich mich manchmal mit zwei, drei Sätzen, aber das | |
sind nur Angebote. | |
Sie haben die Shakespeare Company jahrzehntelang wesentlich geprägt. Sagt | |
man dann wirklich einfach: Es ist halt Arbeit und irgendwann ist es auch | |
mal gut? | |
Ich habe mich darauf vorbereitet, weil das Theater zwar wichtig ist, aber | |
ich viele andere Sachen habe, wo ich mein Interesse ausleben kann, was eher | |
verhindert wurde durch die Tätigkeit hier. Ich habe nicht das Problem, dass | |
mein Lebensinhalt nicht mehr hier ist. Was anderes ist das Mitfiebern über | |
die Zukunft des Theaters. Ich habe öfters vor der Gruppe gesagt: Ich | |
glaube, ihr kriegt das alles hin. Das Theater ist gut aufgestellt. Und wenn | |
ihr zehn Fehlentscheidungen macht, wären die genau so passiert, wenn ich | |
dabei gewesen wäre. | |
Und Ihre letzte Premiere im Mai? | |
Es war für mich total gut, dass ich als meine letzte Premiere | |
[2][„Anne-Marie die Schönheit“ von Yasmina Reza] mit Stefan Otteni gemacht | |
habe. Das war eine sehr intensive, spannende und glückliche Arbeit. Wir | |
haben acht Wochen geprobt, morgens und abends. Es war ungemein spannend, | |
wir haben viel improvisiert. Wir haben alte Theater-Fotos von mir | |
angeschaut und ich habe meine Geschichte erzählt, nachgespielt. Es war ein | |
Tasten in meiner Vergangenheit. Diese Erinnerungsarbeit kommt in | |
„Anne-Marie“ nicht vor, aber ich konnte in den Proben viele Augenblicke von | |
meinen Jahren hier in der Company bearbeiten. Und dadurch bin ich schon | |
unheimlich befreit, da ist kein großer Ballast mehr, es geht mir einfach | |
total gut, ich bin voller Zuversicht. Und was wichtig ist: Die Corona-Zeit | |
war auf eine Weise sehr hilfreich, da konnte ich üben. | |
Den Abschied von der Bühne? | |
Nein, dass abends frei ist. Als Schauspieler hat man das verinnerlicht, | |
abends proben oder spielen. Du kannst nicht planen. Im Grunde genommen ist | |
dein soziales Leben auf diesen Rhythmus abgestimmt. Sommerurlaub, sechs | |
Wochen weg, aber sonst immer verfügbar sein. Und plötzlich kann ich auch | |
mal spazieren gehen! Das war so ein Moment von: Ach so, das gibt es ja | |
auch! Und das ist natürlich super, da freu ich mich drauf. | |
„Anne-Marie die Schönheit“ handelt von einer alten Schauspielerin, die auf | |
ihr Leben zurückblickt. Sie zieht eine recht gemischte Bilanz. Warum haben | |
Sie zum Abschied dieses Stück ausgewählt? | |
Ich wusste zwei Sachen: Ich probe sehr gern. Das Proben ist das Schönste | |
und Aufregendste am Theater, da kann man unendlich viel ausprobieren. Und | |
ich wusste auch, ich will einen Monolog zum Abschluss machen. Ich hatte die | |
Idee, ein Stück selber zu entwickeln, zu schreiben. Aber ich habe gemerkt, | |
da hätte ich mich ein halbes Jahr damit beschäftigen müssen. Aber diese | |
Zeit fehlte mir, ich hatte Proben, ich hatte die innere Ruhe nicht, weil | |
ich auch noch die Akten für das Projek [3][„Aus den Akten auf die Bühne“] | |
lesen musste. Das ist immer wahnsinnig arbeitsintensiv. Und in der | |
Corona-Zeit war es zu früh. Da wäre eigentlich viel Zeit gewesen, aber da | |
hatte ich noch keine richtige Idee und Perspektive. Dann kam das Stück mit | |
ganz vielen, sehr schönen Zufällen zu mir. | |
Was für Zufälle, erzählen Sie. | |
Ich komme aus einem Ort, der heißt Aarau. Freunde von damals kennen den | |
Schauspieler Robert Hunger-Bühler. Hunger-Bühler ist katholisch und war auf | |
der gleichen Schauspielschule wie ich. Meine Familie ist ebenfalls | |
katholisch. Wir haben einen Familienpfarrer, der alle Hochzeiten, Taufen, | |
eigentlich alles für uns gemacht hat. Er hat Hunger-Bühler in seiner Jugend | |
begleitet. Und Hunger-Bühler spielt also die „Anne-Marie“ in Aarau, und | |
meine Freunde fahren dorthin und gucken sich das an. Meine Partnerin ist | |
ebenfalls mitgefahren, und hat mir von der Aufführung erzählt. Dann habe | |
ich mir das Stück gekauft und dachte, ein spannendes Stück, passt zu mir, | |
auch mit der Auflage, dass ein männlicher Schauspieler die Rolle spielen | |
muss, und ich hätte auch mein Zeitproblem gelöst. | |
Es ist eine Besonderheit der Shakespeare Company, dass Sie immer wieder | |
Gastspiele geben in kleinen Theater, in der Provinz, sozusagen. Das kam mir | |
in den Sinn, als ich in der Premiere von „Anne-Marie“ saß, die es nie auf | |
die großen Bühnen geschafft hat. Was geht einem als Schauspieler durch den | |
Kopf, wenn man diesen Text hat mit dieser Geschichte? | |
Das Wort Karriere fällt ja oft. Hat man als Schauspieler Karriere gemacht? | |
Ich gucke jetzt auf 40 Jahre Theater zurück. War das erfüllt, war das jetzt | |
eine Karriere, oder wie war das? Warum bin ich so lange hier geblieben? Ich | |
hätte ja auch am Staatstheater weitermachen können. Einige Entscheidungen | |
macht man bewusst und andere, weil man sich etwas erhofft. Anne-Marie sagt: | |
„Ich habe ein glückliches Leben“, das nehme ich ihr ab, weil sie vieles aus | |
ihrem Leben verdrängt. Weil sie die Gefahren kennt, wenn man von ganz oben | |
so tief fällt. Also überlebt sie pragmatisch. So spricht sie auch über | |
ihren Mann: langweilig, aber zuverlässig. Solche Sätze, das tut weh. Sie | |
drückt das Problem einfach weg. Da ist sie knallhart mit sich selber. Im | |
Grunde genommen ist die Shakespeare Company ja kein so richtig berühmtes | |
Theater. Es gibt Erfolge, aber eben in einem überblickbaren Rahmen, Bremen | |
und umzu. Wenn du Filmkarriere machst, erkennt dich jeder Hutzelputzel. | |
Aber im Gegensatz zu Anne-Marie konnte ich hier wahnsinnig viel machen. Ich | |
habe mir immer gesagt, solange es über 50 Prozent ein positives Gefühl ist, | |
bleibe ich bei der Company. Da gibt es so viele Möglichkeiten, und wenn sie | |
nicht erfüllt werden, dann liegt es an mir, und ich muss noch mehr dafür | |
kämpfen, noch überzeugender sein. Deswegen ist „erfüllt“ ein stimmiges | |
Wort. Wenn ich jetzt zurückschaue, könnte ich sicher sagen, welche Fehler | |
wir zu welchem Augenblick gemacht haben, was man hätte anders machen | |
müssen, aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Ich bin seit 33 Jahren hier | |
und mache seit dem ersten Tag bei der Organisation mit. Ich kann nicht | |
einschätzen, was „mein“ ist, was mein ganz persönlicher Verdienst ist. Ich | |
glaube, weil ich Schweizer bin, ist mir Deutschland immer noch teilweise | |
fremd. | |
Warum? Das müssen Sie erklären. | |
So wie ich die Schweiz früher erlebt habe, geht es mehr als hier darum, in | |
Auseinandersetzungen einen politischen Konsens zu finden. Und einen Konsens | |
zu finden, das ging bei uns in der Company sehr gut. Ich bin eigentlich ein | |
Gegner von Abstimmungen. Überzeugender ist, wir müssen gemeinsam einen | |
Konsens finden. Das heißt, ich muss den anderen überzeugen, er kann mich | |
überzeugen oder wir überzeugen uns für eine dritte, vierte oder fünfte | |
Möglichkeit, die wir noch nicht kennen und damit gemeinsam erschaffen | |
müssen. In diesem Konsensfinden, da war ich, glaube ich, relativ stark und | |
wichtig für das Theater in den letzten 30 Jahren. | |
Das ist sozusagen der Schweizer Einfluss auf die Shakespeare Company? | |
Das ist auch meine Lebenshaltung. Und dann ist da auch ein Autor wie | |
Shakespeare, der genau das Gegenteil macht. In seinen Stücken gibt es | |
keinen Konsens, da gibt es kein Dazwischen. Das ist geil: Du hast eine | |
Bühne, da kannst du in den Rollen alles, diese Radikalität ausleben. Und im | |
Alltag versuchst du, den Konflikt, mit den Erfahrungen von der Bühne, | |
fruchtbar zu machen. Diese beiden Welten sind natürlich ein großes | |
Geschenk. | |
Wie gut funktioniert denn dieses Konsensprinzip? | |
Ich glaube, das gehört zur Geschichte von diesem Haus. Es gab Krisen, dabei | |
auch einige wirklich existenzielle Auseinandersetzungen. Aber ich glaube, | |
ein Hauptmotor, dass dieses Theater überlebt hat, ist, dass wir uns immer | |
wieder zusammenringen können. Dass die Leute sich immer befreien können von | |
dem, was gewesen ist. Und das Wichtigste: Wir machen und spielen zusammen | |
Theater. Und dem muss man eigentlich alles unterordnen. Diese gewünschte | |
Gleichheit im Ensemble muss man immer üben. Es ist ja nicht utopisch, aber | |
es ist ein Versuch, ein fortwährendes Experiment. Ich glaube, die, die | |
weggehen, nehmen viel mit, für ihr Leben. Und das ist mir fast das | |
Wichtigste. So wird dieser Ort auch ein sozialer, politischer Ort. Dass du | |
hier angereichert rausgehst und neue Möglichkeiten kriegst, wie du mit dir | |
umgehen kannst, wie du dich verhältst mit deinem Handeln. Du verbringst ja | |
den Großteil der Lebenszeit hier. Das Positive: Hier kannst du viele Rollen | |
spielen. Das Negative: Man kann sich in den vielen Rollen auch verlieren. | |
Zu viel Freiheit ist ja auch gefährlich. Man muss sie gestalten, sonst ist | |
sie eine hohle Hülle. | |
Sie sind nicht nur als Schauspieler präsent, sondern auch als | |
Eiswettschneider bei der alljährlichen [4][Bremer Eiswette], einer | |
historischen Wette, ob die Weser am 6. Januar zufriert oder nicht. Wie | |
würden Sie die politische Dimension Ihrer Arbeit beschreiben, die über das | |
Theater hinausgeht? | |
Mir war früh klar, dass ich nur da Theater machen kann, wo ich lebe. Ich | |
muss verstehen, wie die Menschen leben, um sie erreichen zu können. Und ich | |
muss mich in dieses Leben einmischen können. Alle Menschen in dieser Stadt | |
sind für mich interessant, alle Schichten, von oben bis unten, alle. Ich | |
habe kein Vorurteil über sie. Sie haben Absichten, Motive für ihr Handeln, | |
so wie Shakespeare-Figuren, und die muss ich rausfinden. Da kann ich sehr | |
viel lernen von den Menschen. Wenn man lange in einer Stadt lebt, gehen | |
natürlich viele Türen auf, und ich bin ein Mensch, der nicht nein sagen | |
kann. Ich sage zu Anfragen immer ja, weil es meistens etwas Spannendes zu | |
entdecken gibt. Wenn du mich vor 30 Jahren gefragt hättest, ob ich den | |
Eiswettschneider spiele, hätte ich gesagt: Nie und nimmer, das geht | |
politisch nicht, das macht man nicht, das ist doch lustig, und Theater muss | |
doch ernst sein. Als Schweizer in Deutschland habe ich sozusagen nie | |
politisch tätig werden können, weil ich nicht wählen durfte. Diese neutrale | |
Position gefiel mir. Mit dem Theater kann ich der Gesellschaft den Spiegel | |
vorhalten. Ich kann mich auf der Bühne ausdrücken und auf eine Weise | |
agitieren, aber ich muss mich ja nicht für Parteien oder so entscheiden, | |
ich muss ja nicht wählen. Jetzt kann ich, ich habe den deutschen Pass, seit | |
fünf oder sechs Jahren. Jetzt bin ich Doppelbürger. | |
Das ist relativ spät … | |
Das war lange Zeit nicht möglich, die doppelte Staatsbürgerschaft, erst als | |
die Schweiz dem Schengen-Abkommen beitrat. Ich bin dann zum Amt für | |
Migration gegangen, wo sie mir gesagt haben: Alle diese Fragen müssen sie | |
ausfüllen, zum Beispiel alle Wohnorte seit der Geburt. Und ich dachte, das | |
geht die einen Scheißdreck an, nicht wegen mir, sondern stell dir vor, du | |
bist geflüchtet und musst solche Fragen beantworten. Was willst du da | |
schreiben? Ich bin in Syrien geboren, dritte Straße links. Alle Angaben | |
müssen stimmen, wenn sie nicht stimmen, bist du raus für immer, weil du | |
scheinbar geschummelt hast. Das Formular lag mindestens drei Jahre auf | |
meinem Arbeitstisch und ich hab mir gesagt: Das geht die nichts an. Ich | |
wohne seit 10, 12, 20 Jahren in Deutschland. Das muss ich angeben. Meine | |
deutsche Biografie. Aber es geht die einen Scheißdreck an, was ich vorher | |
gemacht habe. | |
Was hat Sie dann umgestimmt? | |
Dann kamen Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen zwischen der EU und | |
der Schweiz. Und ich hab mir gesagt, es ist nicht schlecht, einen EU-Pass | |
zu haben, bevor die Möglichkeit wieder wegfällt. Ich wollte mich auch | |
entscheiden, dass ich zumindest regionalpolitisch eingreifen kann, dass ich | |
mich dazu verhalten muss und nicht mehr sagen kann: Ich bin Schweizer, ich | |
bin neutral. Also dass eben ein Wahltag kommt, ich mich entscheiden muss, | |
und dann muss man vielleicht vier Jahre dafür leiden, dass man die Falschen | |
gewählt hat. | |
Sie haben mal gesagt, dass Ihnen die Schweiz zu eng wurde und Sie da | |
rausmussten. Und dann kommen Sie nach Bremen, in eine Stadt, wo eigentlich | |
auch alles relativ eng ist. An anderer Stelle haben Sie gesagt, dass Sie | |
sich überlegen, wann Sie auf den Marktplatz gehen, weil Sie da immer | |
jemanden treffen, den Sie kennen. | |
Ja, das ist ein Widerspruch in sich. Aber diese Aussagen haben eine gewisse | |
zeitliche Dimension. Aus der Schweiz bin ich mit 25 weggegangen, da war die | |
Schweiz wirklich sehr verhockt, verklebt. Im Grunde müsste ich jetzt aus | |
Bremen weg, das erinnert hier an die Schweiz von früher. Als ich aus der | |
Schweiz wegging, dachte ich, da muss man alles in die Luft sprengen, die | |
Schweiz ist so eng. Ich kam auf die Schauspielschule, das war die Zeit von | |
„Züri brännt“, der Häuserbesetzungen und so weiter. Mein erstes Jahr in … | |
Schauspielschule habe ich größtenteils auf der Straße verbracht. Da hat es | |
richtig geknallt. Aber dann bin ich weggezogen. Das Resultat der Bewegung | |
habe ich nicht mehr erlebt. Der Schweizer kann nicht so richtig streiten, | |
der streitet ja wortlos. Die Mundart ist eine sehr schwache Sprache, keine | |
Argumentationssprache, wo du in fünf Nebensätzen reden kannst. Deswegen | |
dachte ich in Deutschland am Anfang: Die streiten sich ja alle, die hauen | |
sich gleich die Köpfe ein … | |
Und? | |
Aber nein, die diskutieren, die setzen sich auseinander und man muss | |
Position beziehen. Sonst geht es in der Diskussion nicht weiter. In der | |
Schweiz lösen sich die Konflikte meistens schnell im Konsens auf, eine | |
hartnäckige Opposition ist nicht gewollt. Die Schweizer Bundesregierung hat | |
sieben Minister, die Bundesräte, die kommen von verschiedenen Parteien. | |
Aber der Innenminister spricht im Namen des Bundesrates, auch wenn seine | |
Meinung vielleicht diametral entgegengesetzt ist. Er muss sich der Meinung | |
des Bundesrates unterordnen. So etwas kann man sich in Deutschland nicht | |
vorstellen. Oder vielleicht ist es eher ein Gefühl. | |
Ist die Company so etwas wie die gelungene Synthese daraus, dass man sagt, | |
wir streiten uns, aber wir finden immer einen Konsens? | |
Genau, nicht die Mehrheit ist per se wichtig. Am Theater sind wir 30 | |
Menschen, bei einer solchen Zahl geht es gerade noch so, dass du alle | |
irgendwie direkt erreichen, berühren kannst. Ein Ideal, das natürlich auch | |
viele Haken hat. Aber wir existieren immer noch nach annähernd 40 Jahren. | |
Ohne Führung, ohne Intendanz. 30 Menschen leben davon, ohne dass einer oben | |
steht und sagt: So geht es. Bei uns hat auch jeder einen Theaterschlüssel. | |
Den kriegt er am ersten Tag. Es kann sein, dass er schon am zweiten Tag | |
alles klaut, dann hat man Pech gehabt. Ich gebe trotzdem jedem einen | |
Vertrauensvorschuss. Das ist auf der Bühne genau das Gleiche. Wenn du | |
zusammen Theater spielst, musst du dem anderen etwas schenken, sonst | |
funktioniert das nicht. Das macht Theater aus. Das macht meines Erachtens | |
gesellschaftlich, politisch erfülltes Leben aus. | |
7 Oct 2023 | |
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