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# taz.de -- Chinas Verteidigungsminister: Wo steckt Li Shangfu?
> Erst wurden zwei Generäle geschasst, dann der Außenminister. Nun hat ein
> weiterer Minister länger keinen Auftritt mehr absolviert.
Bild: Aus der Öffentlichkeit verschwunden: Verteidigungsminister Li Shangfu
Peking taz | Noch Ende August hat Li Shangfu bei einem Sicherheitsforum in
Peking von den „beispiellosen Herausforderungen“ gewarnt, vor denen die
Menschheit derzeit stünde. Doch seit seiner damaligen Rede ist es um Chinas
Verteidigungsminister still geworden: Mehr als zwei Wochen lang hat der
65-jährige Politiker keinen öffentlichen Auftritt mehr absolviert.
Das ist durchaus ungewöhnlich, wenn auch Li Shangfu allein seines Amtes
wegen nicht unbedingt täglich im Blitzlichtgewitter der Fernsehkameras
steht. Doch wegen der derzeit hochgradig paranoiden Atmosphäre der Pekinger
Parteiführung hat seine Abstinenz bereits wilde Spekulationen ausgelöst.
Den Stein ins Rollen brachte ausgerechnet der US-Botschafter in Tokio.
Entgegen diplomatischer Gepflogenheiten lieferte Rahm Emanuel in den
sozialen Medien einen regelrechten Affront gegen Peking. So verglich der
Botschafter die Personalpolitik von Präsident Xi Jinping mit dem Agatha
Christie Roman „And Then There Were None“, auf Deutsch etwa: „Und dann war
niemand mehr da“.
„[1][Zuerst wird Außenminister Qin Gang vermisst], dann werden die
Kommandeure der Raketenstreitkräfte vermisst, und jetzt wurde
Verteidigungsminister Li Shangfu seit zwei Wochen nicht mehr in der
Öffentlichkeit gesehen“, schrieb Rahm auf seinem X-Account. Schließlich
fragte er in Anspielung an die [2][rekordhohe Jugendarbeitslosigkeit] in
China zynisch hinzu: „Wer wird diesen Arbeitslosenwettlauf gewinnen? Chinas
Jugend oder Xis Kabinett?“.
## Der Ex-Außenminister bleibt spurlos verschwunden
Ein Blick auf die Fakten: Bis heute ist der frühere Außenminister Qin Gang
spurlos verschwunden. Er wurde, ebenfalls nach langer und unkommentierter
Abstinenz, [3][Ende Juli seines Amtes enthoben]. Die genauen Hintergründe
sind nach wie vor Anlass für Spekulationen. Eine offizielle Erklärung der
Parteiführung in Peking gab es nicht.
Zuvor hatte Xi Jinping zu Beginn des Jahres zwei führende Militärs ihrer
Ämtern enthoben. Dabei handelte es sich um die Führung der
Raketenstreitkräfte, der vielleicht wichtigsten Einheit der
Volksbefreiungsarmee. Die Raketenstreitkräfte verfügen schließlich über die
Kontrolle des Atomwaffenarsenal des Landes.
Auch hier sind die Hintergründe bisher vollkommen unklar. Eine mögliche
Erklärung würde die Korruptionsuntersuchung bieten, die Xi im Juli gegen
die Armee einleiten ließ. Dabei geht es um mögliche Korruption bei
Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen.
Angesichts der zunehmenden Intransparenz des chinesischen Machtapparats ist
es nahezu unmöglich, definitive Rückschlüsse zu ziehen. Doch die
Säuberungswelle ist ein Indikator dafür, dass Xi fürchtet seine sattelfeste
Kontrolle über die eigene Armee zu verlieren.
Ob Li Shangfu nun das Schicksal Qin Gangs teilt, wird sich in den nächsten
Wochen zeigen. Von offizieller Seite gibt es bisher weder Dementis noch
Bestätigungen. Als die Sprecherin des Außenministeriums bei der täglichen
Pressekonferenz nach dem Fall Li befragt wurde, antwortete sie trocken, ihr
sei die Angelegenheit „nicht bewusst“.
## Die Zensoren kämpfen gegen Gerüchte
Doch die Gerüchte über Li Shangfus Fernbleiben haben längst Eingang in
Chinas streng abgeschirmtes Internet gefunden. Die meisten Postings haben
die Zensoren zwar mit Stand Mittwoch bereits gelöscht. Doch lassen sich ein
paar Kommentare noch finden.
Ein User der Online-Plattform Weibo postete etwa kommentarlos einen
Screenshot, auf dem die letzten, mehr als zwei Wochen zurückliegenden
Termine des Verteidigungsministers aufgelistet sind. Die Botschaft seines
Beitrags bleibt unausgesprochen, doch ist für alle Mitwissenden
offensichtlich.
Am Mittwoch legte nun Reinhard Bütikofer, Grünen-Abgeordneter im
Europäischen Parlament, mit einem provokanten Tweet nach: „Vielleicht
sollte jemand prüfen, ob Li Shangfu möglicherweise auf mysteriöse Weise bei
einem Flugzeugabsturz in der Mongolei ums Leben gekommen ist“.
Damit spielt der frühere Maoist Bütikofer auf den Politiker Lin Biao an,
der 1971 nach einem gescheiterten Staatsstreich auf der Flucht in die
Mongolei starb. Ob es sich bei dem Tod von Mao Tsetungs Stellvertreter um
einen Flugzeugunglück oder einen gezielten Auftragsmord von Staatsgründer
und Parteichef Mao handelte, ist bis heute nicht geklärt.
14 Sep 2023
## LINKS
[1] /Chinas-Aussenminister-verliert-Amt/!5946379
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
## TAGS
China
Xi Jinping
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