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# taz.de -- Von Popeye bis zu Garfield: Peng, Boom, Pow
> Die ARD-Serie „Bäm!“ versucht sich an einer Nacherzählung der Geschichte
> des Comics. Doch schnell fällt auf: Sie enthält Fehler.
Bild: Es knallt in der Comic-Sprechblase
Captain Arrow, Amélie, Sachiko und der fiese Fritz: Sie alle sind
gescheiterte Comichelden, ihre Serien wurden eingestellt. Nun sitzen sie im
Therapiezimmer bei Dr. Seyffert, um ihre Niederlagen aufzuarbeiten. Die
Therapeutin hat jedoch nicht damit gerechnet, dass sie sich selbst in einem
Comic befindet … grusel!
ARD Kultur hat mit „Bäm!“ [1][eine vierteilige Reihe über „die Geschich…
des Comics“] produziert. Die jeweils 20-minütigen Kapitel handeln von den
Entwicklungen in Deutschland, den USA, Belgien & Frankreich sowie Japan.
Diese Aufteilung macht vor allem dann Sinn, wenn sich wechselseitige
Einflüsse feststellen lassen. Zum Beispiel als Wilhelm Buschs „Max und
Moritz“-Buch den frühen US-Strip „The Katzenjammer Kids“ des deutschen
Auswanderers Rudolph Dirks inspirierte oder wenn heutige deutsche
Zeichnerinnen wie Annike Hage mit dem Manga-Stil arbeiten.
Zusammengehalten werden die rasant geschnittenen Lektionen von der
(sparsam) animierten Rahmenhandlung um Dr. Seyffert und den (für die Reihe
erdachten) Ex-Comic-Helden im Kurhotel. Soundwords wie „Peng“ oder „Wumms…
poppen immer wieder auf, ansonsten ähnelt das „Bäm!“-Design weniger Comics
als Magazinillustrationen. Die zentralen Comic-Historien sind grafisch im
selben Stil gehalten.
In der USA-Episode wird der „Zeitungskrieg“ Anfang des 20. Jahrhunderts
hervorgehoben. Um besonders erfolgreiche Zeichner buhlten damals oft die
Magnaten. Etwa um Richard F. Outcault, der mit „The Yellow Kid“ 1895 den
modernen Comic begründete.
## Unwichtige Gag-Strips
Dass in dieser Ära der brandneue Farbdruck die Grundlage für den Erfolg der
ganzseitigen Comicstrips in den Sonntagsbeilagen von Tageszeitungen
bildeten, wird nicht erwähnt. Obwohl die ersten Jahrzehnte des
Zeitungscomics zahlreiche Meisterwerke wie „Little Nemo“, „Krazy Kat“ o…
„Popeye“ hervorbrachten und damit eine Vielfalt an absurd-komischen wie
auch spannenden oder fantastischen Geschichten in Fortsetzung erzählten.
Unwichtige spätere Gag-Strips wie „Garfield“ werden stattdessen
hervorgehoben. Das Superhelden-Genre scheint wiederum vom Himmel gefallen
zu sein – dass sie im Rahmen des neuen Formats der Hefte (Amerikanisch:
Comic books) reüssierten, in denen sich Ende der 1930er Jahre eine neue
Zeichnergeneration entwickelte, unterschlägt die Dokuserie.
Manche Beispiele überraschen jedoch, wie der heute weithin vergessene
Zeitungsstrip „[2][Tobias Seicherl]“ von Ladislaus Kmoch, der im Österreich
der 1930er die sich einschleichende Naziideologie mittels einer
kleinbürgerlichen Hauptfigur bloßstellte. Für die Comicgeschichte
essenzielle Serien wie „Tim und Struppi“ des Belgiers Hergé und „Asterix…
werden leider nur in „Bäm-Ästhetik“ und damit sehr verfremdet zitiert.
## Es schleichen sich immer wieder Fehler ein
So wird auch der wohl wichtigste Zeichenstil, Hergés „Ligne Claire“, nicht
einmal erwähnt. Immer wieder schleichen sich in der groben Vereinfachung
dieses Comic-„Crashkurses“ Fehler ein: Denn es war nicht etwa wie in der
Serie dargestellt das 1946 gegründete „Tintin“-Magazin wesentlich für den
Boom der belgischen Comics, sondern das bereits 1938 gegründete „Journal de
Spirou“, das unter anderem „Lucky Luke“ hervorbrachte. „Tintin“ wurde…
dessen Konkurrenzmagazin.
Im Japan-Teil werden korrekt die vom Künstler Hokusai „Mangas“ genannten
Skizzenbücher (ab 1814) als Vorläufer bezeichnet, die auch schwarz-weiße
Bilderfolgen enthielten – dann aber seine (berühmteren) farbigen
Holzschnitte, die keinerlei comicähnliche Sequenzen enthalten, gezeigt.
Durch achronologisch angeordnete Kapitel gewinnt man den Eindruck, dass im
Japan der Nachkriegszeit zuerst die ernsten, erwachsenen Mangas („Gekiga“)
von Tatsumi blühten, bevor die berühmten Kindermanga des „Manga-Gotts“
Tezuka entstanden. Dabei ließ erst der Erfolg bei Kindern eine Industrie
entstehen – komplexe, erwachsene Geschichten kamen Ende der 50er Jahre auf.
Schade: Der mäßig witzigen Rahmenhandlung, die die vielfältige Kunstform
Comic mal wieder auf Superhelden und deren krawallige Antagonisten
reduziert, wird zu viel Raum gegeben, während die Geschichtsteile durchaus
länger, anschaulicher und fundierter hätten ausfallen können. Die [3][bis
heute andauernde Faszination] von Comics kommt so nicht recht rüber.
Pardauz!
27 Sep 2023
## LINKS
[1] https://www.ardmediathek.de/serie/Y3JpZDovL21kci5kZS9zZW5kZXJlaWhlbi9hcmRrd…
[2] http://der-rote-blog.at/tobias-seicherl-der-kleine-mann-im-kleinen-blatt
[3] /Bei-Tom/!t5180734
## AUTOREN
Ralph Trommer
## TAGS
Medien
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Manga
Schlagloch
wochentaz
Graphic Novel
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