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# taz.de -- Ausstellung „Chris Ware. Paper Life“: Undergroundversion von Mi…
> Chris Ware ist ein scharfer Beobachter des abgründigen Alltags des
> Mittleren Westens der USA. Eine Schau in Basel über das Werk des
> Comic-Autors.
Bild: Lunch Box Rusty Brown, 2004
Am Anfang war die Maus. Ein Katzenkopf dient ihr als Spielgefährte, den sie
immer wieder gerne quält, bis der Kopf zu weinen beginnt und das Zimmer
unter Wasser setzt.
Nein, es handelt sich um keine Maus [1][aus dem Hause Disney], sondern um
„Quimby, the Mouse“. Die mit wenigen schwarzen Strichen gezeichnete Figur
tauchte Ende der 1980er Jahre erstmals in The Daily Texan auf – der
Studentenzeitung der Universität von Austin. Obige Szene entstammt einem
kurzen Animationsfilm von 2009. Ihre Pantomime erinnert an frühe,
anarchische Helden des Comics wie „Krazy Kat“ oder „Felix the Cat“.
Der Zeichner Chris Ware kreierte mit Quimby während des Kunststudiums in
Austin und Chicago seine erste Comicfigur, deren Charakter er immer wieder
neu definierte. Mal war sie eine grimmige Undergroundversion von Micky
Maus, mal besaß sie wie selbstverständlich zwei Köpfe und Torsi.
## Cartoonmuseum Basel
Schon in seinen frühen Strips spielte der 1967 in Omaha, Nebraska geborene
nordamerikanische Künstler mit den Konventionen des Comics. Im
Cartoonmuseum Basel wird dem heute im Chicagoer Vorort Oak Park ansässigen
Künstler nun mit „Chris Ware. Paper Life“ eine Einzelausstellung gewidmet.
Und dies zu recht.
Denn mit seiner vielschichtigen Erzählweise und der flächigen,
experimentellen Ästhetik hinterfragt Ware sein Medium wie nur ganz wenige
Comic-Künstler. Art Spiegelman, Schöpfer von „MAUS“, erkannte früh Wares
Talent und publizierte dessen Strips in seinem Magazin Raw.
In seinem frühen Meisterwerk „Jimmy Corrigan – the smartest kid on earth�…
das in einer Chicagoer Zeitung zunächst als Strip, im Jahr 2000 dann in
Buchform erschien (auf deutsch 2013 im Reprodukt Verlag), hat Chris Ware
seinen Stil manifestiert.
## Autobiographische Erzählungen
Im Mittelpunkt steht der dreißigjährige Jimmy Corrigan, der ein kindliches
Gemüt hat und ein einsames Leben als Büroangestellter führt. Eines Tages
besucht er seinen ihm nahezu unbekannten alten Vater in einem Heim.
Erinnerungen an seine lieblose Kindheit kehren wieder. Chris Ware
verarbeitete dabei autobiografische Erfahrungen. Wie Jimmys Vater verließ
sein eigener Vater die Familie kurz nach seiner Geburt.
[2][Ware verbindet leise Alltagspoesie mit comicspezifischen Verweisen und
schwarzem Humor.] So sieht der sanftmütige Jimmy einmal aus dem Fenster
seines Büros einen Möchtegern-Superhelden vom Dach stürzen und auf dem
Asphalt aufschlagen. Es ist ein surrealer Schockmoment, der zugleich von
Ware als ruhige, ikonisch schöne Bildsequenz inszeniert wird.
Trotz seiner nüchternen, klaren Zeichnungen gelingt es Ware, starke
Emotionen im Leser bzw. Betrachter hervorzurufen. In „Rusty Brown“ (2018)
steigert Ware seine komplex-verschachtelte Erzähltechnik erneut.
Über ein Schulhaus an einem verschneiten Tag in Omaha im Jahr 1975
verbindet er vier Schicksale miteinander: Rusty ist ein achtjähriger
Außenseiter, der sich aufgrund seines vermeintlich messerscharfen Gehörs
für einen Superhelden hält, sein Vater ist Lehrer und ein verhinderter
Science-Fiction-Autor. Ein Redneck und die afroamerikanische Lehrerin
Joanne Cole ergänzen das Ensemble. Vor allem mit letzterer gelingt Ware
eine eindringliche Studie über eine erfolglose Suche nach Liebe und
Zugehörigkeit.
Wares Gespür für afroamerikanische Kultur zeigt sich auch im Interesse am
Ragtime, einem Vorläufer der Jazzmusik. Durch ihn floss erstmals schwarze
Musik in die nordamerikanische Populärmusik ein. Wie Ware selbst spielt
auch seine Figur Joanne Cole Ragtime auf einem Banjo. Ware gab, wie man in
der Ausstellung in Basel erfährt, zudem die Zeitschrift The Ragtime
Ephemeralist heraus, die er auch gestaltete.
## Enorme Vielseitigkeit
Beim Gang durch die verwinkelten Räumlichkeiten des Cartoonmuseuns fällt
die enorme Vielseitigkeit des US-Künstlers auf. Die großformatigen
Originale erinnern oft an architektonische Konstruktionszeichnungen oder
Infografiken.
Typografische Elemente sind ein bevorzugtes Stilmittel Wares. So variiert
er etwa die Gestaltung der Titel-Schriftzüge bei jedem einzelnen Kapitel
seiner Graphic Novels in unterschiedlichen Designs und zitiert
Gestaltungsmittel von Reklameschildern des frühen 20. Jahrhunderts (seine
bevorzugte Epoche).
In „Building Stories“ (2012) verbindet Ware virtuos gestalterische und
narrative Möglichkeiten: Die in einer Schachtel versammelten 14 Erzählungen
werden auf verschiedene Formate verteilt. Ob als Miniheft, Zeitung, Buch,
Leporello, Brettspiel oder Bastelbogen – Wares Geschichten sind hier in
beliebiger Reihenfolge lesbar und enthalten Bezüge zu den jeweils anderen.
Der Titel „Building Stories“ deutet an, dass es sowohl um
„Mietshausgeschichten“ geht wie ums Geschichtenerzählen selbst. Ware
erzählt hier empathisch von verschiedenen einsamen, verwundeten Seelen
eines mehrstöckigen Gebäudes.
## Liebevoll konzipierte Ausstellung
Die liebevoll konzipierte Baseler Ausstellung zeigt zahlreiche
Originalseiten und Vorstudien zu Chris Wares Werken. Klug wurden ins
Ausstellungsdesign Vergrößerungen einzelner Panels integriert, die die
Museumsbesucherinnen und -besucher in die Welt des Comicautors
hineinziehen.
Manche Schauplätze und wichtige Figuren seiner Arbeiten modelliert Ware
auch plastisch, manche wurden danach zu Merchandisingobjekten in
Kleinstauflagen. Kuratorin und Museumsleitern Anette Gehrig hat zusammen
mit dem Künstler eine Fülle an Objekten zusammengetragen, die ein
beeindruckend komplettes Bild seines Schaffens erzeugen. Darunter auch
zahlreiche Cover für die Zeitschrift New Yorker sowie andere Magazine.
Weitere Illustrationen und Plakate erzählen Geschichten à la Chris Ware –
unaufgeregt und tiefgründig. Oder wie es Chris Ware in eigenen Worten sagt:
„Ich bemühe mich, auf dem Papier wiederzugeben, wie es sich anfühlt zu
leben.“ Denn so Ware weiter: „Das Leben ist voll von Stille und
Verzweiflung, Ich versuche lediglich, dies ehrlich zu benennen.“
5 Sep 2023
## LINKS
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[2] /Graphic-Novel-Jimmy-Corrigan/!5069370
## AUTOREN
Ralph Trommer
## TAGS
wochentaz
Comic
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Cartoonmuseum Basel
Medien
Joann Sfar
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